Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Atzbach

Gemeinde Lahnau, Lahn-Dill-Kreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

um 1622

Location

35633 Lahnau, Ortsteil Atzbach, im Haus des Isaak Moses

Rabbinat

Oberrabbinat Bonn

preserved

nein

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Atzbach wurde 774 im Lorscher Codex erstmals urkundlich erwähnt und kam 1328 in den Besitz der Grafen von Nassau-Weilburg. Dort war es von 1734 bis 1849 Sitz des gleichnamigen Amtes.

Im Zuge des Wiener Kongresses verzichtete das Haus Nassau zugunsten des Königreichs Preußen auf den Besitz des Ortes.

Die Gründung der Stadt Lahn, ein Zusammenschluss von Gießen, Wetzlar und weiteren 14 Gemeinden, zu denen auch Atzbach gehörte, hatte nicht lange Bestand. 1979 wurde Atzbach mit Dorlar und Waldgirmes zu der neuen Gemeinde Lahnau zusammengeschlossen.

Bereits während des Dreißigjährigen Krieges, ab etwa 1622, ließen sich Juden in Atzbach nieder.1 1812 lebten dort 18 erwachsene Juden.2 Aus dem Jahr 1817 liegt ein Verzeichnis vor, das diese Angabe konkretisiert. In diesem Jahr lebten drei Familien und vier Einzelpersonen im Ort. Der 61jährige Moises Isaac war mit der 49jährigen Jüdler verheiratet. Ihre Kinder waren Juda, 31 Jahre alt, Sara, 19 Jahre, Jacob. 17 Jahre, Baesche, 14 Jahre, Kreile, 12 Jahre, Isaac, 9 Jahre, Löw, 6 Jahre, und Meier, 3 ½ Jahre. Der Familienvater erwirtschaftete sein Einkommen aus dem Viehhandel, er besaß ein Wohnhaus, etwas mehr als zwei Morgen Güter sowie ein Barvermögen in Höhe von 600 Gulden. Sein erneuerter Schutzbrief datierte vom 20. Januar 1809. Der 47jährige Süßkind Isaac war mit der 45jährigen Sahre verheiratet. Deren Kinder waren Isaac, 17 Jahre, Salomon, 14 Jahre, Kreile, 12 Jahre, Olik, 9 Jahre und Gerson, 6 Jahre. Der Familienvater erwirtschaftete sein Einkommen ebenfalls aus dem Viehhandel, sein Vermögen bestand aus einem Wohnhaus, etwa 100 Ruten Güter sowie einem Barvermögen in Höhe von 350 Gulden. Die beiden vorgenannten beschäftigten einen privaten Hauslehrer namens Feist Moses Isaac. Er war 28. Jahre alt und stammte aus Bergheim. Oberhaupt der dritten Familie war Liebmann, ebenfalls ein Viehhändler. Er war 37 Jahre alt und mit der 25jährigen Feist Vels verheiratet. Ihre Kinder waren die zweijährige Kreile und der erst zwei Wochen alte Herz. Sein Vermögen bestand aus Kapitalien und Mobilien im Wert von 400 Gulden. Er hatte seinen Schutzbrief 1812 erhalten. Zusätzlich wohnte der in Marburg geborene Salomon Kaufmann im Ort bei seiner 65jährigen Base, die ihn großgezogen hatte und auf deren Unterstützung er noch angewiesen war. Er war 32 Jahre alt und lebte ebenfalls vom Viehhandel. Sein Vermögen bestand aus einigen wenigen Kapitalien und Mobilien im Wert von 250 Gulden. Er hatte, weil er noch unverheiratet war, keinen eigenen Schutzbrief.

Schließlich wurde Michel Behr genannt. Er war 66 Jahre alt. Sein Vermögen bestand aus Kapitalien und Mobilien im Wert von 1.000 Gulden. Bereits 1815 war ihm die Hälfte seines Schutzgeldes erlassen worden. Er erwirtschaftete sein Einkommen als Hausierer und verkaufte überwiegend Tabak.3

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der jüdischen Einwohner inklusive der zehn schulpflichtigen Kinder auf 53 Personen an. Nach Annahme fester Familiennamen im Jahr 1854 werden die Familien Heldenmuth, Süsskind und Thalberg genannt.

Bei der Neueinteilung der Synagogenbezirke 1853 wurden Atzbach und Vetzberg als ein Bezirk im Kreis Wetzlar festgelegt. 1856 zählten zur Gemeinde die Orte Atzbach, Dorlar, Garbenheim, Dutenhofen und Kinzenbach, wobei ausschließlich in Atzbach 34 jüdische Einwohner in fünf Haushalten lebten. Es gab keine jüdische Schule und keine Gemeindemikwe.

Betsaal / Synagoge

Bis 1834 besuchten die in Atzbach wohnenden Juden die Beträume in Waldgirmes oder Vetzberg. Mitte dieses Jahres richteten sie sich auch in Atzbach einen Betsaal ein, für den Isaak Moses einen Raum in seinem Haus zur Verfügung gestellt hatte. In diesem Betsaal gab es zehn Stände, eine Thora, einen Schrank zu deren Aufbewahrung und einen Thoratisch zum Vorlesen. An den gewöhnlichen Feiertagen wurde er mit den erforderlichen Leuchtern versehen. Die Kosten trugen alle Gemeindemitglieder gemeinsam. Obwohl die Nutzung dieses Raumes mit Schreiben vom 17. Januar 1835 mangels einer fehlenden Genehmigung verboten wurde, bestand er fort. Zu der daraus resultierenden Auseinandersetzung schrieb der Oberabbiner im September 1844, dass nach Vorschrift des bestehenden israelitischen Cultus Orach Chajim § 150 I festgesetzt sei, „in einem Orte, wo sich 10 israelitische Manspersohnen befinden, welche das 13te Lebenjahr zurück gelegt haben, dieselbe schuldig seyen, eine Synagoge, oder Betzimmer zu errichten, sich eine Gesetzrolle (Sepher Thora) und einen Vorbeter zu verschaffen“4. Nachdem man aus der Gemeinde auch formal nachträglich um die Erlaubnis angefragt hatte, wurde diese am 24. November 1844 erteilt. Einer der ersten Vorbeter war Isaak Neumark.

1856 wurden die räumliche Umstände etwas konkretisiert. Der Betraum war 13 Fuß lang, 8 Fuß breit und 6 1/3 Fuß hoch. Er lag direkt unter dem Dach und wurde durch zwei kleine Fenster beleuchtet.5 Allerdings galt er als ungeeignet, „weil in dem Hause ein Branntweinverkauf stattfindet. Die Frauen stehen vor der Stubenthüre, wenn sie die Betstube besuchen, es wird 10 fl. jährlich Miethe gezahlt.“6

Weitere Einrichtungen

Mikwe

In der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es keine Gemeindemikwe.

Schule

In den 1820er Jahren gab es offiziell keine Schule in Atzbach. Zwar wohnten dort 1826 vier schulpflichtige Kinder, sie besuchten aber die örtliche Schule. Religionsunterricht wurde ihnen privat bei ihren Eltern erteilt.7 Bis 1834 stieg die Zahl der schulpflichtigen Kinder auf zehn und die Eltern stellten Saul Munk aus Posen als Lehrer ein. Seinetwegen gab es wenig später einige Unstimmigkeiten, weil alle jüdischen Kinder die örtliche Elementarschule besuchten und er nur gelegentlich Religion und Hebräisch unterrichten sollte.

Cemetery

Atzbach, ehemaliger Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Indices

Persons

Nassau-Weilburg, Grafen von · Moises Isaac · Jüdler · Juda · Sara · Jacob · Baesche · Kreile · Isaac · Löw · Meier · Süßkind Isaac · Sahre · Salomon · Olik · Gerson · Feist Moses Isaac · Liebmann · Feist Vels · Herz · Salomon Kaufmann · Michel Behr · Heldenmuth, Familie · Süsskind, Familie · Thalberg, Familie · Isaak Moses · Isaak Neumark · Saul Munk

Places

Lahn · Gießen · Wetzlar · Dorlar · Waldgirmes · Lahnau · Bergheim · Marburg · Vetzberg · Garbenheim · Dutenhofen · Kinzenbach · Posen

Sachbegriffe Geschichte

Lorscher Codex · Nassau-Weilburg, Amt · Wiener Kongress · Preußen, Königreich · Dreißigjähriger Krieg · Schutzbriefe · Schutzgelder

Sachbegriffe Ausstattung

Thora · Schränke · Thoratische · Leuchter · Stände

Fußnoten
  1. Marzi, Judentoleranz, S. 26
  2. HHStAW 424, 1050
  3. HHStAW 423, 86
  4. HHStAW 424, 1050
  5. HHStAW 423, 583
  6. HHStAW 424, 1050
  7. HHStAW 424, 1050
Recommended Citation
„Atzbach (Lahn-Dill-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/133> (Stand: 10.6.2022)