Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Auerbach Karten-Symbol

Gemeinde Bensheim, Landkreis Bergstraße — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1656

Location

64625 Bensheim, Ortsteil Auerbach, Bachgasse 28 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Erste vage Hinweise auf jüdische Handelstätigkeiten liegen aus dem Jahr 1628 vor, 1656/57 wird erstmals ein in Auerbach lebender Jude erwähnt. 1684 schließlich wird erstmals der Name Aron zu Auerbach genannt, der einen Faselochsen verkaufte.1 Auch im 18. Jahrhundert betätigten sich die meisten Juden als Viehhändler. Ursprünglich gehörten sie wohl zur Gemeinde nach Bensheim, lösten sich aber von dort in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Eine autonome Kultusgemeinde bildete sich 1841.2

1756 schlossen die in Auerbach und Schwanheim lebenden Juden mit denen aus Bensheim einen Vertrag über die gemeinsame Nutzung von Synagoge und Schule. Da Auerbach zu Hessen gehörte, Bensheim aber zu Kurmainz, war bei jedem Grenzübertritt Leibzoll zu entrichten. Daher bildeten Auerbach und Schwanheim ab 1779 eine eigene Gemeinde, die sich umgehend ein eigenes Bethaus errichtete. Aus dem Jahr 1774 liegt mit 19 Personen erstmals eine gesicherte Angabe über die Zahl der im Ort wohnenden Juden vor. Einige von ihnen lebten unter anderem auch von dem aufkommenden Bädertourismus.

Im Jahr 1800 wurden Herz, Heyum, Moses, Lößmann, Zodig, Schmal und Aron namentlich genannt, weil sie Abgaben für verkauftes Vieh zu leisten hatten. Als wohlhabend galt ausschließlich Lößmann, der der Gemeinde 30.000 Gulden geliehen hatte.3

Von dem wirtschaftlichen Aufschwung Auerbachs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts partizipierten auch jüdische Familien. Zu dieser Zeit wohnten zwölf Familien im Ort. Als dem Fremdenverkehr geschuldete Besonderheit ist anzusehen, dass das Gasthaus des Lehrers Abraham Weinmann 1892 Werbung in der Zeitung schaltete, als koscheres Restaurant unter der Aufsicht des Darmstädter Rabbiners Dr. Marx zu stehen.

1861 erreichte die Zahl der jüdischen Bevölkerung mit 120 Personen ihren höchsten Stand, um gegen Ende des 19., vor allem aber Anfang des 20. Jahrhunderts wieder zu sinken. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs hatte die Gemeinde noch 41 Mitglieder. Sieben jüdische Männer wurden Soldaten, einer von ihnen, Sally Rothschild, fiel. Bis 1933 sank die Zahl weiter auf 31.4 Schon seit den 1920er Jahren besuchten die meisten jüdischen Einwohner die Synagoge in Zwingenberg.

Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Rabbinat Darmstadt II. Ihre Verstorbenen wurden in Alsbach bestattet. Die 1937 nach Auflösung der Gemeinde im Ort verbliebenen Juden wurden der Gemeinde Bensheim zugeteilt.

Auerbach war als evangelisches Dorf nach 1930 stark vom Nationalsozialismus geprägt. Bei den Reichstagswahlen erreichte die NSDAP 37 %, doppelt so viel wie im Landesdurchschnitt, 1932 sogar 54 % gegen 43 % im Freistaat Hessen. 1933 wurden zwei jüdische Männer in das KZ Osthofen verschleppt. 1935 verlangte der Gemeinderat den Nachweis, dass Geschäftspartner der Kommune keinen Handel mit Juden trieben.5

Trotz der antijüdischen Hetze soll es in Auerbach Bewohner gegeben haben, die den Kontakt zu ihren jüdischen Nachbarn nicht abreißen ließen. Die Synagoge blieb in der Pogromnacht unzerstört, weil sie bereits seit längerem einem christlichen Besitzer gehörte. Die wenigen in Auerbach verbliebenen Juden wurden 1942 deportiert, 13 von ihnen ermordet.

Betsaal / Synagoge

1756 schlossen die in Auerbach und Schwanheim lebenden Juden einen Vertrag mit denen aus Bensheim über die gemeinsame Nutzung der Bensheimer Synagoge und Schule. Da Auerbach zu Hessen gehörte, Bensheim aber zu Kurmainz, war bei jedem Grenzübertritt Leibzoll zu entrichten. Um diese Kosten zu vermeiden, bildeten Auerbach und Schwanheim ab 1779 eine eigene Gemeinde, die sich umgehend ein eigenes Bethaus errichtete. Das erhaltene, abseits der Bachgasse im Inneren des Grundstücks gelegene Gebäude wurde noch 1779 fertiggestellt. Ein älterer Fruchtkeller unter dem Haus, dessen Maße nicht zu dem Aufstehenden passen, lässt vermuten, dass die Fundamente eines Vorgängerbaus genutzt wurden. Ferner befanden sich auf dem Grundstück ein kleines Haus für den Lehrer, eine um 1833 erbaute Mikwe und in einer Scheune ein Backofen für Mazzot.

Das Synagogengebäude ist ein verputzter Saalbau mit aufgeschobenem Walmdach. An der Sichtfassade befinden sich zwei Eingänge, einer für Frauen und einer für Männer. Über zwei hochrechteckigen Fenstern und den beiden Türen sind drei ovale Fensteröffnungen angebracht, die die Fassade gliedern.

Das Innere ist durch eine Muldendecke geprägt, die eine himmelblaue Hintergrundmalerei mit gelben Sternen aufweist. Links neben der Wandausbuchtung für den Thoraschrank haben sich unter dem Putz Reste einer barocken Malerei einer Säule mit Girlanden erhalten. Über der Frauenempore befand sich eine dritte Ebene, was eine Besonderheit dieser Synagoge war.6

Das Gebäude wurde 1815, 1874 und 1911 renoviert und den jeweiligen Stilrichtungen angepasst.

1897 gehörten in die Synagoge sechs Stühle, ein Tisch, ein kleiner Tisch, sieben Thorarollen, fünf Leuchter, ein Schrank, ein Aktenschrank, ein Regulator, ein silbernes Gehänge vermutlich für den Thoraschrein, ein kleines Kissen, ein Chefar, ein Wassereimer, eine Badewanne und ein Läufer in der Mikwe.7

Trotz der letzten Renovierung wurde die Synagoge 1915 in ein Bethaus umgewandelt, die Zahl der Gottesdienste ging weiter zurück und 1928 wurde die letzte Ehe geschlossen. Zu dieser Zeit waren die Kultgegenstände bereits in die Heppenheimer Synagoge ausgelagert und die Empore galt als baufällig.8

Da das Gebäude bereits in den 1920er Jahren an einen Landmaschinenmechaniker verpachtet war, konnte dieser einen Überfall am 10. November 1938 verhindern. Die SS aus Darmstadt wandte sich dann nach Bensheim und Reichelsheim. Der Pächter erwarb 1939 das ganze Grundstück und nutzte die nun umgebaute Synagoge als Werkstatt. 1948 und 1950 kam es zu Prozessen wegen der Pogrome, in denen Haftstrafen zwischen drei und 27 Monaten verhängt wurden.

Im Rahmen einer Ortskernsanierung 1974 kaufte die Stadt Bensheim, zu der das Dorf Auerbach seit 1939 gehörte, auch das Synagogengrundstück und plante, alle Gebäude abzubrechen. Tatsächlich abgerissen wurden aber nur Mikwe und Mazzeofen. Die eigentliche Synagoge blieb nach langen Jahren der Diskussion erhalten und wurde saniert. Mit dieser Entscheidung wollte der Stadtrat ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen, nachdem Manfred Roeder, ein in Bensheim tätiger Jurist und Neonazi, trotz antisemitischer Beschuldigungen gegen Simon Wiesenthal durch das Bensheimer Gericht 1977 freigesprochen worden war, was deutschlandweit Aufsehen erregt hatte.

1984 gründete sich auf Initiative der christlichen Gemeinden der Auerbacher Synagogenverein, der sich erfolgreich für die Wiederherstellung und Nutzung des Gebäudes einsetzte. 1986 wurde dieses durch Architekt Heinz Frassine renoviert und am 26. Oktober des gleichen Jahres der Öffentlichkeit übergeben. Dabei wurden vorgefundene Originalausstattungen so weit als möglich übernommen. Heute finden in einer der wenigen erhaltenen Barocksynagogen Hessens in Bensheim-Auerbach sechs bis sieben Veranstaltungen im Jahr mit jüdischer Thematik statt.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Auf dem Grundstück der 1779 eingerichteten Synagoge bestand auch eine 1833 im Keller des Schulhauses eingerichtete Mikwe. Sie verfügte 1897 über eine Badewanne, einen Eimer und einen Läufer und wurde 1974 abgerissen.

Schule

Mit Einführung der allgemeinen Schulpflicht 1823/24 besuchten die jüdischen Kinder aus Auerbach außer für den Religionsunterricht zunächst die christliche Schule. 1843 richtete die Gemeinde eine eigene Elementarschule ein, die aber wegen Schülermangels 1874 geschlossen wurde. An ihr unterrichtete seit 1832 Abraham Koschland (1808–1876) aus Ichenhausen, einer der ersten Absolventen des Bensheimer Lehrerseminars. Die Schule zählte 1851 25 Kinder. Noch 1874 baute die Gemeinde das Schulhaus, nicht zuletzt, um der wachsenden Zahl der Familienmitglieder des Lehrers ausreichend Wohnraum bieten zu können. Da im gleichen Jahr nur drei Schüler angemeldet waren, wurde die Schule geschlossen.9 Seitdem besuchten die Schüler den jüdischen Religionsunterricht in Bensheim.

Cemetery

Die Gemeinde bestattete ihre Verstorbenen auf dem Friedhof in Alsbach, auf dem noch 107 Auerbacher Grabstätten erhalten sind.10 Da die überwiegende Mehrheit der Auerbacher Juden zu den Kohanim zählten, die den Friedhof nicht betreten durften, sind an der nördlichen Friedhofsmauer Trittsteine angebracht, die es erlauben, über die Mauer zu schauen. Entsprechend finden sich die meisten Bestattungen entlang dieser nördlichen Mauer.11

Alsbach, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Alsbach, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Fußnoten
  1. Lesser, 1986, S. 40
  2. Alicke, 2008, Sp. 170
  3. Lesser, 1986, S. 50
  4. Heinemann, 2001, S. 38
  5. Kaufmann, masch. Man
  6. Altaras, S. 273
  7. Lesser, 1986, S. 30
  8. HHStAW 503, 7379
  9. Lesser, 1986, S. 63
  10. Heinemann, 2001, S. 38
  11. Heinemann, 2001, S. 40
Recommended Citation
„Auerbach (Landkreis Bergstraße)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/31> (Stand: 22.7.2022)