Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Hain-Gründau Karten-Symbol

Gemeinde Gründau, Main-Kinzig-Kreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

2. Hälfte 18. Jahrhundert

Location

63584 Gründau, Ortsteil Hain-Gründau, Pfarrgasse 6 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen

religiöse Ausrichtung

liberal

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Hain-Gründau ist ein Dorf im Westen des Büdinger Waldes, dessen Laurentiuskirche 1150 erbaut wurde. Seit 1151 gehörte es den Herren von Büdingen, die später vom Haus Isenburg beerbt wurden. Nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg wurde der Ort, der zuvor südlich der Gründau lag, nördlich dieses Baches etwas weiter in östlicher Richtung wieder aufgebaut. In Folge des Wiener Kongresses verlor das Fürstentum Isenburg seine Selbstständigkeit und wurde 1816 zwischen Kurhessen und Hessen-Darmstadt aufgeteilt, wobei Hain-Gründau an Hessen-Darmstadt zunächst in den Landratsbezirk, ab 1852 in den Kreis Büdingen kam. Im Zuge der Gebietsreform schied der Ort aus dem Landkreis Büdingen aus und wurde in die Gemeinde Gründau im Landkreis Gelnhausen eingemeindet.

In Hain-Gründau ließen sich erst vergleichsweise spät Juden nieder. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Familie von Löw genannt, der im Juli 1784 verstarb. Wenige Tage später verstarb auch seine Frau, weswegen für die minderjährige Tochter ein Vormund bestellt werden musste. Eine weitere Tochter, Reiß, war in Gettenbach verheiratet, wo auch ihre Schwester Kaile und ihr Bruder Mendte lebten. Eine weitere Schwester, Reinge, war in Gelnhausen verheiratet. Einzig der Bruder Salme lebte in Haingrund. Das verstorbene Ehepaar besaß eine Wiese und unterhielt einen Kramladen, in dem unter anderem Tuch, Leuchter, Kessel, Kellen und ähnliches verkauft wurden. Zudem waren sie Besitzer je eines Männer- und eines Frauenstandes in der Gettenbacher Synagoge.1

Zu der vergleichsweise kleinen Gemeinde Gettenbach gehörten die in Hain-Gründau, Nieder-Gründau und Mittelgründau lebenden Juden. Als diese sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts bürgerlichen Namen geben mussten, wählten die in Hain-Gründau lebenden Juden die Namen Grünebaum und Goldschmidt2, die in Nieder Gründau verzeichneten drei Familien alle den Namen Grünebaum.3

Erst mit Auflösung der Gemeinde auf der Ronneburg wuchs die Zahl der jüdischen Einwohner etwas an. Typische Berufstätigkeit war Kleinhandel mit Lebensmitteln, Textilien und Dingen des täglichen Gebrauchs. Daneben gab es in nahezu jedem Dorf einen jüdischen Metzger und Gastwirtschaften. Die Metzger waren zumeist auch als Viehhändler tätig. Salomon Goldschmidt, zunächst in Gettenbach, später in Hain-Gründau, war Drechsler, handelte in größerem Umfang aber auch mit Vieh.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten, nicht zuletzt aufgrund der begrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten, erste Auswanderungen ein. Ziel waren die wirtschaftlich expandierenden Städte, aber auch Übersee. 1889 wanderte Mayer Grünebaum aus Hain-Gründau aus, 1905 folgte sein Bruder Eduard, 1922 sein Neffe Siegfried und 1935 dessen Eltern.

Anfang 1933 lebten in Hain-Gründau noch der Witwer Markus Grünebaum, dessen Sohn Bernhard mit seiner Ehefrau Bella und den noch nicht eingeschulten Söhnen Kurt Leo und Alfred. Zudem Isaac Goldschmidt mit seiner Frau Jettchen und einer Tochter sowie die Schwägerin Mathilde Löwenstein, sein Neffe Sally Goldschmidt mit seiner Ehefrau Johanna und den beiden Kindern Hans und Käthe.

In der Pogromnacht wurden in den Dörfern auch Privathäuser und Geschäfte überfallen und die Friedhöfe in Niedermittlau und Hain-Gründau geschändet.

Einigen jüdischen Bewohnern gelang noch nach 1933 die Flucht. Aus Hain-Gründau reiste 1936 Isaac Goldschmidt mit seiner Ehefrau und der Tochter in die USA aus. Sein Sohn Sally folgte ihm 1939 von Darmstadt aus.

Wahrscheinlich wurden zehn in Hain-Gründau geborene Juden aus den Städten ihrer Zuflucht deportiert und ermordet.4

Betsaal / Synagoge

Bis 1866 besuchten die Juden aus Hain-Gründau die Synagoge in Gettenbach. In diesem Jahr erwarben sie ein Haus nebst Gartengrundstück und richteten es zur Synagoge ein, deren Betraum 18 Quadratmeter groß war.

Das Gebäude war wohl ein eingeschossiger Massivbau über erhöhtem Sockelgeschoss mit Satteldach.

Zum 12. April 1935 wurde das Haus von den beiden verbliebenen Gemeindemitgliedern Sally Goldschmidt und M. Grünebaum an Philipp Weinel verkauft, weil es aus Mangel an Gemeindemitgliedern nicht mehr genutzt wurde. Der Kaufpreis betrug 1300 Reichsmark, reduzierte sich aber aufgrund einer darauf lastenden Hypothek in Höhe von 400 Reichsmark. Durch den Verkauf wollte die Gemeinde dem Verfall zuvorkommen. Weinel plante, es zu einem Wohnhaus umzugestalten. Am 3. Mai 1935 wurde der Verkauf genehmigt.5 Nach dem Umbau erscheint das Gebäude als zweigeschossiges Wohnhaus, dessen Äußeres die vormalige Funktion nicht mehr erahnen lässt.

Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde und Verkauf der Synagoge wurden die Kultgegenstände durch Mitglieder sichergestellt. Nach dem Holocaust war nicht mehr sicher festzustellen, wohin sie gebracht worden waren. Man ging aber davon aus, dass sie in Hanau zerstört wurden. Zu den Kultgegenständen gehörten vier Thorarollen, eine silberne Thorakrone, zwei Paar goldene Thoraaufsätze mit Schellen, zwei silberne Thoraschilder, zwei silberne Lesefinger, zwölf gold- und silberbestickte Thoramäntel, 50 handbemalte oder bestickte Wimpel, drei goldbestickte Thoraschreinvorhänge aus Plüsch, Samt und Seide, drei goldbestickte Decken für das Vorbeterpult, drei goldbestickte Decken für das Vorleserpult, zwei silberne siebenarmige Leuchter, ein silberner Weinbecher, eine silberne Hawdallahgarnitur, ein pergamentbeschriebenes Megillah mit Mantel, zwei Schofarhörner, zehn Gebetmäntel, 15 Gebetbücher, zehn Sätze Festgebetbücher, 15 Bände Pentateuch. Der Schaden wurde auf 47.325 DM beziffert.6

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Im Sockelgeschoss der Synagoge befand sich die Mikwe.

Schule

Über eine Schule in Hain-Gründau ist nichts bekannt geworden.

Cemetery

Die Verstorbenen aus Hain-Gründau wurden auf dem Friedhof in Gettenbach bestattet. Als dieser 1926 vollständig belegt war, erwarb die Gemeinde ein Grundstück neben dem christlichen Friedhof in der Hainstraße und richtetet dort 1927 einen eigenen Friedhof ein.7 Nach Schändungen in der NS-Zeit wurden nach 1945 drei Grabsteine wieder aufgestellt.

Gettenbach, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Hain-Gründau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Gettenbach, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. HStAD E 9, 10092
  2. Semmel, 2014, S. 119
  3. HStAM 180 Gelnhausen, 3167
  4. Semmel, 2014, S. 126
  5. HStAD G 15 Büdingen, L 86
  6. HHStAW 518, 1232
  7. HStAD G 15 Büdingen, L 122
Recommended Citation
„Hain-Gründau (Main-Kinzig-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/192> (Stand: 22.7.2022)