Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Anspach Karten-Symbol

Gemeinde Neu-Anspach, Hochtaunuskreis — Von Carina Schmidt
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

18. Jahrhundert

Location

61267 Neu-Anspach, Ortsteil Anspach, Neue Pforte 4 | → Lage anzeigen

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Anspach, bis ins 16. Jahrhundert auch Langenanspach genannt, wird 1274 erstmals urkundlich erwähnt. Die Siedlung gehörte zum Amt Wehrheim in der Grafschaft Diez und fiel später an das Haus Nassau-Dillenburg bzw. Nassau-Diez-Oranien. Ein Teil des Amtes gelangte 1535 in kurtrierischen Besitz, so dass Anspach von da an zweiherrisch regiert wurde. Der oranische Anteil war zudem seit 1724 mehrere Jahrzehnte lang an Nassau-Usingen verpfändet. 1816 wurde Anspach dem Herzogtum Nassau, 1866 Preußen einverleibt. Heute bildet Anspach einen Ortsteil der Großgemeinde Neu-Anspach im hessischen Hochtaunuskreis.1

In Anspach bestand nachweislich seit dem 18. Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde, über die aufgrund der kargen Quellenlage nur wenig bekannt ist. Bis um 1750 gehörten die Anspacher Juden zur Kultusgemeinde Wehrheim und besuchten die dortige Synagoge. 1753 bemühten sie sich jedoch um die Erlaubnis zur Einrichtung eines eigenen Betraumes. Obwohl der landesherrliche Konsens dazu nicht erteilt wurde, begründeten die damals etwa 30 jüdischen Einwohner von Anspach eine Winkelsynagoge. Daraufhin untersagten beide Landesherrschaften die weitere Ausübung des Kultus unter Androhung einer Geldstrafe von 20 Gulden.2

1835 bildete die Judenschaft schließlich doch eine selbstständige Gemeinde, der fünf jüdische Familien mit 18 Personen aus Anspach und dem Filialort Rod am Berg angehörten. Die Juden verfügten über eine Betstube im Wohnhaus des Süßkind Isaac von Anspach. 1851 erwarb die Gemeinde ein eigenes Gebäude und richtete darin eine Synagoge ein.3 Bis ins 20. Jahrhundert blieb die Zahl der jüdischen Einwohner konstant, die Gemeinde zählte stets nur etwa 20 Mitglieder: 1843 waren es 24 Personen, 1875 wohnten 19 und 1905 insgesamt 18 Juden in den beiden Ortschaften.4 Seit ca. 1920 kamen regelmäßig auch die verbliebenen jüdischen Einwohner des Nachbarortes Schmitten zum Gottesdienst in die Anspacher Synagoge. Nach 1933 lebten dort noch zehn Juden, darunter die Familie Strauß, deren Mitglieder 1942/43 deportiert und ermordet wurden.

Betsaal / Synagoge

Ein Betraum in Anspach ist bereits 1835 belegt, er befand sich im Wohnhaus von Süßkind Isaac in der Langgasse. Dabei handelte es sich um ein zweistöckiges Gebäude mit einer Grundfläche von knapp 200 Quadratmetern samt Scheune und Hofraum. Das Lokal, das Isaac kostenlos zur Verfügung stellte, bot Platz für etwa 25 Gottesdienstteilnehmer. Als das Haus Anfang der 1850er Jahre versteigert wurde und in nichtjüdischen Besitz überging, benötigte die Gemeinde eine neue Kultstätte. So erwarb sie 1851 ein zweistöckiges Gebäude von Isaac Kahn, ebenfalls in der Langgasse (heute Neue Pforte 4) gelegen, und richtete im oberen Stockwerk einen Betraum ein, der bis in die 1930er Jahre genutzt wurde. Da sich die Kultusgemeinde schon vor dem Pogrom 1938 aufgelöst hatte, blieb die Synagoge unversehrt. Der Viehhändler Max Strauss verkaufte das Gebäude 1939 an den ortsansässigen Schmied Josef Wild. Über den Verbleib der Kultgegenstände gibt es keine Informationen, die Vermutung liegt aber nahe, dass die Ritualien in das Verwaltungsgebäude der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main gebracht und dort 1938 zerstört worden sind.5

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Ein rituelles Tauchbad befand sich im Keller des Wohnhauses von Hirschlieb Seligmann in der Langgasse. Nach einer sanitätspolizeilichen Prüfung der Anlage 1837 verfügte die Obrigkeit die Schließung der Mikwe. Zahlreiche Bäder im Amt Usingen waren in mangelhaftem Zustand und mussten zugeschüttet werden, so auch dasjenige von Hirschlieb Seligmann. Allerdings konnte die Grube nicht gleich verfüllt werden, weil sie zu tief war und sehr viel Wasser führte. Doch im Sommer des Folgejahres wurde auch diese Mikwe stillgelegt.6

Schule

Aus Mangel an inländischen Religionslehrern bestellte die Kultusgemeinde Anspach 1821 Lehrer Samuel Niederweiser aus Mainz. Etwa Mitte des 19. Jahrhunderts schloss sie sich mit der jüdischen Gemeinde Schmitten zu einem Schulverband zusammen, gemeinsam nahmen sie Lehrer Emden von Usingen unter Vertrag. Erteilt wurde der Unterricht in Rod am Berg. 1872 traten dem Verband die Kultusgemeinden Wehrheim und Usingen bei. Gemeinsam bestellten sie Lehrer Goldschmidt aus Westerburg, 1889 dann Abel Wilkow. Der letzte Religionslehrer im Amt Usingen war der seit 1892 bedienstete Gustav Blum, der bis in die 1930er Jahre für den Schulverband tätig blieb.7

Cemetery

In Anspach gab es einen jüdischen Friedhof an der Straßenecke Neue Pforte/Hohlweg, auf dem die ortsansässigen Juden sowie diejenigen von Wehrheim und Rod am Berg beerdigt wurden. Einem Bericht der Gemeindevorsteher Nathan Hirsch aus Wehrheim und Hermann Herz aus Anspach von etwa 1860 zufolge habe dieser Friedhof schon seit Jahrhunderten bestanden. Als das Gelände um die Mitte des 19. Jahrhunderts voll belegt war, kauften die Kultusgemeinden gemeinsam ein neues Grundstück in der Anspacher Gemarkung. Dort waren bereits zwei Leichname beigesetzt worden, als die Zivilgemeinde gegen die weitere Nutzung des Totenhofs Einspruch erhob. Trotz zahlreicher Eingaben der Judenschaft bei der Landesregierung musste der Friedhof schließlich geschlossen werden. Stattdessen wurde in der Wehrheimer Gemarkung eine neue Grablege begründet, wo künftig auch die Juden aus der Kultusgemeinde Anspach beerdigten. Der alte jüdische Friedhof in Anspach ist heute bebaut, Grabsteine sind keine mehr vorhanden.8

Neu-Anspach, ehemaliger Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Indices

Persons

Süßkind Isaac · Strauß, N.N. · Isaac Kahn · Strauss, Max · Wild, Josef · Hirschlieb Seligmann · Niederweiser, Samuel · Emden · Goldschmidt · Wilkow, Abel · Blum, Gustav · Hirsch, Nathan · Herz, Hermann

Places

Langenanspach · Wehrheim · Rod am Berg · Frankfurt am Main · Mainz · Usingen · Westerburg · Anspach, Gemarkung · Wehrheim, Gemarkung

Fußnoten
  1. Vgl. Weidenbach: Nassauische Territorien. S. 276 und 297-303; Vogel: Beschreibung des Herzogtums Nassau, S. 841-842; Ernst: Von der Völkerwanderung bis zu den ersten schriftlichen Bezeugungen unserer Dörfer, S. 37-41
  2. Vgl. Koppenhöfer: Die jüdische Kultusgemeinde in Wehrheim.,S. 11; Judensachen im Amt Wehrheim, 1743-1753, in: HHStAW 171, W 1406.
  3. Vgl. Berichte über die Verhältnisse in den einzelnen jüdischen Kultusgemeinden des herzoglich-nassauischen Amtes Usingen, 1835-1841, in: HHStAW 242, 1866; Gebäudesteuerbuch der Gemeinde Anspach, 1822-1852, in: HHStAW 242, 1123.
  4. Vgl. Arnsberg: Jüdische Gemeinden 2, S. 317; Angelegenheiten der jüdischen Kultusgemeinden im herzoglich-nassauischen Amt Usingen, 1823-1885, in: HHStAW 242, 1870.
  5. Vgl. Berichte über die Verhältnisse in den einzelnen jüdischen Kultusgemeinden des herzoglich-nassauischen Amtes Usingen, 1835-1841, in: HHStAW 242, 1866; Gebäudesteuerbuch der Gemeinde Anspach, 1822-1852, Artikel 48 und 213, in: HHStAW 242, 1123 (zur Umrechnung der Maße siehe: Verdenhalven: Meß- und Währungssysteme, S. 19-20); Immobilien der israelitischen Kultusgemeinde Anspach, in: HHStAW 362/29, Stockbuch Anspach, Bd. 14, Artikel 456; Gebäudebuch der Gemarkung Anspach, 1910-1959, in: HHStAW 433, 8664; Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Wiesbaden. Band 2: Verwaltungsgebäude der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main und das Museum jüdischer Altertümer (Rothschild-Museum) in Frankfurt am Main, 1960-1962, in: HHStAW 503, 7357. Siehe auch den Abschnitt „Zur Geschichte der Synagoge“ im Artikel „Anspach – Jüdische Geschichte/Synagoge“ auf der Seite http://www.alemannia-judaica.de/anspach_synagoge.htm
  6. Vgl. Koppenhöfer: Die jüdische Kultusgemeinde in Wehrheim, S. 22-23; Anlage verbesserter Judenbäder im herzoglich-nassauischen Amt Usingen, 1837-1858, in: HHStAW 242, 926; Gebäudesteuerbuch der Gemeinde Anspach, 1822-1852, Artikel 48 und 213, in: HHStAW 242, 1123.
  7. Vgl. Koppenhöfer: Die jüdische Kultusgemeinde in Wehrheim, S. 34-37; Anstellung von Judenlehrern im herzoglich-nassauischen Amt Usingen, 1809-1839, in: HHStAW 242, 925; Israelitische Kultusangelegenheiten im herzoglich-nassauischen Amt Usingen, 1834-1885, in: HHStAW 242, 1076; Israelitische Kultusangelegenheiten im preußischen Landratsamt Usingen, 1886-1932, in: HHStAW 420, 47.
  8. Vgl. Koppenhöfer: Die jüdische Kultusgemeinde in Wehrheim, S. 28-30; Arnsberg: Jüdische Gemeinden 2, S. 351; Erweiterung des Totenhofs der Israeliten zu Anspach und Wehrheim und die Anlage eines neuen Totenhofs zu Wehrheim, 1863-1864, in: HHStAW 211, 10276; siehe auch den Abschnitt „Zur Geschichte des Friedhofes Neuanspach - Anspach“ im Artikel „Die jüdischen Friedhöfe im Stadtkreis Wiesbaden (WI) und in den Landkreisen Hochtaunuskreis (HG), Main-Taunus-Kreis (MTK) und Rheingau-Taunus-Kreis (RÜD)“ auf der Seite http://www.alemannia-judaica.de/wiesbaden_taunuskreise_friedhoefe.htm
Recommended Citation
„Anspach (Hochtaunuskreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/8> (Stand: 24.4.2022)