Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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5324 Hünfeld
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 83. Hünfeld

Burghaun Karten-Symbol

Gemeinde Burghaun, Landkreis Fulda — Von Elisabeth Sternberg-Siebert
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1541

Location

36151 Burghaun, Ringstraße 12 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Fulda

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1938

Art des Verlusts

Zerstörung

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Im Hünfelder Land1, dem späteren Kreis Hünfeld, lassen sich zur Zeit der hier regierenden Fürstäbte von Fulda mehr als 40 Ritter- und Adelsfamilien nachweisen, weshalb die Region auch die Ritterschaft genannt wurde.2 Eines dieser Rittergeschlechter waren die Herren von Haun, die bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Burghaun residierten. Die Ritter von Haun nahmen gern Juden in ihre Dienste auf, konnten sie doch von ihnen ein „Schutzgeld“ sowie erhöhte Steuern fordern und sich ihre Kenntnisse und Verbindungen als erfahrene Handelsleute zu Nutze zu machen.

Der erste bisher bekannte, aber etwas ungenaue Hinweis auf einen Juden in Burghaun stammt aus dem Jahr 1541.3 Die nächste konkrete Erwähnung ist vom August 1559.4 Auch scheint 1567 nur ein Jude oder eine jüdische Familie in Burghaun ansässig gewesen zu sein.5

Ab 1570 bis 1596/97 werden in den vorliegenden Quellen für Burghaun und Umgebung eine ganze Reihe Juden namentlich genannt, von denen etwa elf, wahrscheinlich teils mit ihren Familien, in Burghaun ein unterschiedlich lang befristetes Bleiberecht genossen.6 Die Juden „in und um Burghaun“ waren für die Förster der Umgebung beim Holzeinschlag im Wald tätig – außer Nathan, dem „Fenstermacher“. Seine Dienste haben die Ritter von Haun offenbar besonders geschätzt, denn er blieb 22 Jahre lang in Burghaun. Für die nachfolgenden Jahrzehnte sind keine Nachrichten über jüdisches Leben in Burghaun bekannt. Gleichwohl müssen Juden hier gelebt haben, was die älteste Grabstätte von 1690 auf dem jüdischen Sammelfriedhof in Burghaun bezeugt.

Die nächsten konkreten Mitteilungen sind den Aufstellungen über Juden Schutz- und Neujahrsgelder der Jahre 1774-1779 zu entnehmen. Zu dieser Zeit gab es in Burghaun fast durchgehend zehn jüdische Haushaltungen.7 1830 zählte man 18 jüdische Haushalte mit 81 Personen, darunter neben Handelsleuten und Viehhändlern zwei Lehrer, ein Bauer, ein Hüttner, ein Seifensieder, ein Knecht. Aus dem Warenhandel im Umherziehen entwickelten sich mit der Zeit auch einige feste Ladengeschäfte. Etwa um 1900 hatte die jüdische Bevölkerung mit 189 Mitgliedern ihren Höchststand erreicht und bildete, nachdem die kleineren Gemeinden im Umkreis erloschen waren, fortan hinter Rhina die zweitgrößte Judengemeinde im Altkreis Hünfeld. Burghaun bot den überwiegend Vieh- und Warenhandel treibenden Juden durch seine beiden Bahnstationen (seit 1866 die Bahnlinie Bebra-Hanau, seit 1905 die Haune-Ulster-Bahn ins Thüringische) eine höchstmögliche Mobilität in ihrem Gewerbe.

In den Revolutionswirren von 1819–1849 kam es 1847 in Burghaun und dem benachbarten Steinbach zu gewaltsamen Übergriffen gegen die Juden, zu deren Abwehr sogar eine Bürgergarde eingesetzt werden musste. „Der Jammer unter den Israeliten ist groß“ schreibt der jüdische Gemeindevertreter Marum Speier in seinem Hilferuf an das Hünfelder Kreisamt.8 Weitere aktenkundig gewordene Gewaltakte ereigneten sich in Burghaun von 1877 bis 1891, als die jüdische Bevölkerung jahrelang von einer Bande junger Burschen terrorisiert wurde.9

Als herausragende Persönlichkeit könnte man Leo (Löb) Nußbaum nennen, der am 3. April 1868 als Sohn von Moses und Betty Nußbaum in Burghaun geboren wurde und ab 1896 als Prediger und Lehrer in Bocholt wirkte. Die Stadt Bocholt benannte 1995 eine Straße nach Leo Nußbaum.10

Schon seit den 1920er Jahren fand eine deutliche Abwanderung der jüdischen Bevölkerung statt, die bis 1933 auf 112 Personen absank. Der Terror in der NS-Verfolgungszeit und die antisemitische Gesetzgebung verstärkten diesen Trend und bewirkten, dass viele Burghauner Juden ins Ausland flüchteten, andere glaubten in der Anonymität einer Großstadt wie Frankfurt a.M. überleben zu könnnen. Betrug ihre Zahl am 5. Januar 1936 noch 8o, so lebten im November 1939 nur noch 33 jüdische Burghauner im Dorf.11 In drei Wellen wurden diese 1941 und 1942 in den Osten deportiert und - mit Ausnahme von drei Überlebenden - ermordet. Von den zwischen 1930 und 1942 in Burghaun ansässig gewesenen Juden sind mehr als 50 Opfer des Holocaust geworden.12 2011 und 2012 wurden 48 Stolpersteine zu ihrem Andenken verlegt. Seit 2014 erinnert eine Gedenktafel im Schlosshof an die ausgelöschte Synagogengemeinde von Burghaun.

Betsaal / Synagoge

Vor der Judenemanzipation im 19. Jahrhundert war es den jüdischen Landgemeinden nicht erlaubt, ihre Synagogen als besondere Gebäude im Ortsbild hervorzuheben, die Synagogenräume befanden sich daher meist in Wohnhäusern. Die Synagogengemeinde Burghaun sowie alle anderen jüdischen Gemeinden im Kreis Hünfeld unterstanden dem Provinzialrabbinat in Fulda mit einer entsprechenden Behörde, dem “Vorsteheramt der Israeliten”. Nach Aussage von Manfred Braunschweiger (geb. 1919) besuchte der Fuldaer Provinzialrabbiner Dr. Leo Cahn regelmäßig die Gemeinde in Burghaun und hielt auch des Öfteren dort eine Predigt.

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in Burghaun drei verschiedene Synagogengebäude: Die alte Synagoge, die Fachwerksynagoge, die neue Synagoge. Dass die 1912 abgerissene Fachwerksynagoge eine Vorgängerin hatte, geht zweifelsfrei aus der Überlieferung folgender Angelegenheit hervor, mit der sich im Dezember 1852 das Kreisamt in Hünfeld zu beschäftigen hatte: „Erschienen Bonum u. Liebmann Braunschweiger von Burghaun und stellen vor: In der alten und abgerissenen Synagoge zu Burghaun befand sich ein eiserner Ofen, der einen Werth von 14 bis 15 fl hatte. Dieser Ofen ist schon seit 17 bis 18 Jahren abhanden gekommen, ohne dass bekannt war, wer denselben habe. Wir haben jetzt erfahren, dass diesen Ofen der Nathan Adler zu Burghaun besitzt, weshalb wir bitten wollen, auf die Herausgabe desselben zu dringen, da sich der Synagogenälteste der Sache nicht annimmt.“ In Erwiderung auf die vorgebrachte Unterstellung teilte der Synagogenälteste Herz Adler dem Landratsamt mit, dass „der Ofen noch keine Stunde abhanden gewesen war und im Inventar der Gemeinde als im Schullokal befindlich verzeichnet“ sei.13

Einmal vorausgesetzt, das Jahr des Verschwindens des Ofens markiert das Abrissjahr der hier erwähnten alten Synagoge, so könnte diese 1834/35 abgebrochen worden sein. Um diese alte und dann abgerissene Synagoge könnte es sich auch in einem Protokoll des Kurfürstlichen Kreisamtes in Hünfeld von 1827 handeln, in dem von Reparaturen am “Gemeindehaus resp. Synagoge“ die Rede ist.14 Der Standort dieser alten Synagoge ist nicht bekannt.

Die spätere 1912 abgebrochene Synagoge war nach einer Gebäudebeschreibung von 1892 ein Lehmfachwerkbau von 6,7 x 9,8 Metern Grundfläche mit einem angebauten Badehaus von 3,8 x 4,5 Metern Fläche.15 Das Gebäude stand auf dem heutigen Eckgrundstück Ringstraße/Buchenweg, unmittelbar an der Straße. In Rutenkatastern von 1860 und 1883 (?) sind zwei verschieden große Synagogengebäude am gleichen Standort zu beobachten. Letzteres ist identisch mit der 1892 beschriebenen Fachwerksynagoge. Ob diese ein Neubau oder ein Erweiterungsbau des 1860 am gleichen Platz als “Sinagoge” eingezeichneten Hauses war, konnte bisher nicht genau geklärt werden.16 Dass es sich möglicherweise um einen Umbau handelte, legt ein Schreiben des damaligen Synagogenältesten Jonas Stern vom März 1864 an das Hünfelder Landratsamt nahe. Daraus erfahren wir etwas über den ungünstigen Standort des jüdischen Gotteshauses, nämlich dass die „hiesige Synagoge auf einem feuchten Flecke sich befindet“, die heiligen Thorarollen dadurch “faulartig” würden und die Feuchtigkeit auch in den Thoraschrank eindringe. Stern schlug vor, den Schrein außen anbringen zu lassen, und er bat die Behörde um Bestellung des Landbaumeisters, der sich die Sache einmal anschauen sollte.17 Offensichtlich diente die Fachwerksynagoge seit Abriss der alten Synagoge der jüdischen Gemeinde als Gotteshaus, wobei der Zeitpunkt 1834/35 eher spekulativ ist. Auch ist bisher unbekannt, wie lang die genannte alte Synagoge existierte.

Gegen Ende des Jahrhunderts, als die Zahl der Gemeindemitglieder ständig zunahm, konnte die Fachwerk-Synagoge den wachsenden Anforderungen immer weniger gerecht werden. Auf einer Gemeindeversammlung im März 1889 wurden zwei Möglichkeiten erörtert: Neubau oder Sanierung des Giebels sowie Erweiterung des Gebäudes, indem auf dem Badehaus ein Stock als Frauenempore draufgesetzt wird. Aber beide Vorschläge wurden mehrheitlich abgelehnt. Eine Begutachtung durch den königlichen Kreisbauinspektor ergab zwar, dass durch verschiedene Maßnahmen „der bauliche Zustand der Synagoge ein haltbarer werden“ könne, dass dies aber vom finanziellen Standpunkt aus nicht zweckmäßig sei. Folglich blieb zunächst erst einmal alles beim Alten. Im Jahre 1903 verhandelte man erneut über einen Umbau des Gebäudes, aber man kam zu keinem endgültigen Ergebnis.

Nachdem die Burghauner Synagogengemeinde durch den Zuzug aus den erloschenen kleineren Gemeinden ringsum stark angewachsen war und das Gotteshaus aus allen Nähten platzte, musste nun endlich etwas geschehen. So wurde am 6. April 1906 unter dem Vorsitz der beiden Synagogenältesten Isaac Goldschmidt und Meier Strauß mehrheitlich der Neubau beschlossen: „Es ist projektiert, die Synagoge im Grasgarten aufzubauen. Um einen schönen Zugang zu bekommen und die Synagoge von der Straße aus sichtbar wird, soll ein Stück der Elementarschule bis an den Säulen abgebrochen, die Schule dann nach der Treppe zu wieder erweitert werden, mit einem kleinen Umbau zum Eingang.“ Die Bauaufträge erhielten Johann Hucke und Karl Leister aus Burghaun.

Die neue Synagoge in der Ringstraße Nr. 12 wurde im maurischen Stil erbaut, sie soll die schönste Synagoge weit und breit gewesen sein. Im Frankfurter Israelitischen Familienblatt vom 18. November 1910 wird sie beschrieben als „herrliche Synagoge, eine monumentale Zierde unseres Ortes, mit allem Komfort der Neuzeit (und) elektrischer Beleuchtung ausgestattet“.18

Die Außenmaße des Gebäudes sind einer Revisionszeichnung vom August 1910 zu entnehmen. Danach hatte das Hauptgebäude eine Grundfläche von 15,64 x 11,30 Metern, der Anbau an der östlichen Seite für den Thoraschrein maß eine Fläche von 6,04 x 2 Metern.19 Es gab an der Vorderseite einen Haupteingang und einen kleineren Nebeneingang zur Frauenempore. An der Rückseite befand sich ein weiterer Eingang resp. Ausgang. Der Innenraum bot Sitzplätze für 150 Personen (98 Männerplätze, 52 Frauenplätze auf der Empore).20 Bei der Farbgebung dominierten wohl rotbraune, blaugraue und graue Farbtöne.21 In der Mitte des Raumes befand sich der Almemor, eine Art Kanzel, von hier wurde aus der Thora gelesen.

Am 13. November 1910 fand in Anwesenheit von Vertretern der Staats und Gemeindebehörden die festliche Übergabe und Einweihung der neuen Synagoge statt. Provinzialrabbiner Dr. Michael Cahn verlas zum Schluss der Feierlichkeiten den 150. Psalm, den hymnischen Lobpreis Gottes: Lobet den Herrn in seinem Heiligtum, lobet ihn in der Feste seiner Macht …. Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Dieser Tag der Weihe muss ein besonderer Höhepunkt im Leben der jüdischen Gemeinde und auch des Dorfes gewesen sein. Doch nur 28 Jahre waren dem ehrwürdigen Gotteshaus beschieden, bis es in den Flammen des Judenhasses unterging.

Am späten Abend des 9. November 1938 herrschte in Burghaun Pogromstimmung. Nach einer Nazi-Veranstaltung in der Gastwirtschaft Altstadt rotteten sich auf dem Marktplatz und in der Ringstraße etwa 50 bis 80 Leute zusammen, die „Gewalttätigkeiten gegen jüdische Personen und deren Wohnungen vornehmen wollten.“ Nur unter erheblichem Einsatz von Ordnungskräften – Polizei, Bürgermeister, Landrat – konnte verhindert werden, dass hasserfüllte „Volksgenossen“ die Wohnungen der Juden stürmten. Im Verlauf der Nacht wurden an sämtlichen jüdischen Häusern die Fensterscheiben zertrümmert.22

Führende Nazis hatten geplant, über einen Mittelsmann Sprengstoff zu besorgen und die Synagoge in die Luft zu sprengen. Zwar scheiterte dieser Plan, da man um die Nachbarhäuser fürchtete, doch man schaffte es auch auf andere Weise, das Gotteshaus zu vernichten. In den Morgenstunden des 10. November drangen fanatisierte Dörfler in das Gebäude der jüdischen Volksschule ein, das zu dieser Zeit von der Familie Nathan Stern bewohnt wurde. Man demolierte den Schulsaal, riss Tische, Bänke und Stühle heraus, warf alles in die Synagoge und übergoss es mit Benzin.

Über den Zeitpunkt und den genauen Ablauf der Gewaltakte gibt es abweichende Angaben. Etwa um 10 Uhr jedoch stand die Synagoge in hell lodernden Flammen und brannte vollkommen aus, nur die Außenwände hielten stand. Auch das unweit der Synagoge stehende Ritualbad fiel den Flammen zum Opfer. „Aus der Mikwoh wurde der Kessel gestohlen. Der Kronleuchter aus der Synagoge wurde aus der Haune herausgefischt und von dem Althändler zum alten Eisen geworfen. Die im Gotteshause zurückgebliebenen unbrauchbaren Bücher wurden an die Gartenzäune aufgespießt. … Die Thorarollen, Gebetmäntel und Bücher hatten die Mitglieder, ebenso wie das Thorasilber, am Tage vorher herausgenommen.“23 Die jüdischen Männer wurden am frühen Morgen verhaftet, im Gemeindehaus eingesperrt und am nächsten Tag für mehrere Wochen ins KZ Buchenwald abtransportiert.

Ein Burghauner Bauunternehmer übernahm später die Abrissarbeiten an der Synagoge. Die noch stehenden Wände wurden mit der Winde eingezogen, die Steine gesäubert und zum Bau von Stationsgebäuden an der „Bimbel“ (Kleinbahn Hünfeld-Vacha) verwendet.24

Am 25. Oktober 1939 meldete der Burghauner Bürgermeister dem Landrat, dass die „Ruinen der jüd. Synagoge restlos beseitigt“ seien.25 Auf dem nun freien Platz der Synagoge wurden nach dem Zweiten Weltkrieg sogenannte Behelfsheime zur Unterbringung von Flüchtlingen errichtet.

In Burghaun ist nie wieder eine jüdische Gemeinde entstanden. An die Synagoge erinnert eine bescheidene Tafel an ihrem früheren Standort in der Ringstraße, und im Gemeindemuseum ist der Synagogengemeinde ein kleiner Gedenkraum gewidmet. In seiner Mitte steht in einer Glasvitrine als einziger originaler Gegenstand aus der Synagoge ein silberner Spendenkelch, der im Jahr 2013 auf abenteuerliche Weise nach Burghaun zurückkehrte. Elisabeth Sternberg-Siebert hatte diesen Almosenkelch im Internet entdeckt und daraufhin den Bürgermeister alarmiert.26

Bis heute hält sich eine glaubwürdige Erzählung, dass der besagte Kronleuchter aus der Synagoge irgendwo in Burghaun verborgen sei. Es ist sogar davon die Rede, dass er eine Zeitlang in einer Burghauner Gaststube gehängt haben soll. Leider gelang es der Autorin trotz verschiedener Bemühungen und Nachfragen bisher nicht, dieses Geheimnis zu lüften.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Zur Synagoge gehörte natürlich auch eine Mikwe. Wie bereits erwähnt befand sich das rituelle Tauchbad zur Zeit der Fachwerksynagoge in einem Anbau mit einer Grundfläche von 17 Quadratmetern. Nachdem 1910 die Neue Synagoge eingeweiht war, errichtete man nordwestlich der Synagoge ein neues Badehaus (Frauenbad), das im Oktober 1912 seiner Bestimmung übergeben wurde. Das separate Gebäude hatte eine Grundfläche von 26 Quadratmetern und enthielt neben den Kammern für die Technik einen Baderaum für die körperliche Reinigung sowie das mit Regenwasser (lebendiges Wasser) betriebene Tauchbad, zu dem man mehrere Stufen hinuntersteigen musste. Bis zu seiner Fertigstellung benutzte man noch das alte Badehäuschen an der Fachwerksynagoge.

Schule

1823 wurden die jüdischen Kinder durch die kurfürstliche Regierung zum Besuch des Elementarunterrichts (Lesen und Schreiben der deutschen Sprache, Rechnen, Naturlehre usw.) verpflichtet.27 In Burghaun konnte eine selbstständige jüdische Schule erst 1855 ihren Betrieb aufnehmen. Bis dahin besuchten die Kinder die evangelische Schule des Ortes sowie die jüdische Religionsschule. Die jüdische Schulgeschichte Burghauns war außerordentlich bewegt. Probleme mit geeigneten Räumen, dem Lehrpersonal, den Schulkindern und der Elternschaft prägten den Schulalltag bis schließlich am 21. Mai 1883 in der Renngasse 60 (später Ringstraße 13) die neue israelitische Schule aufgemessen wurde.

Es handelte sich um ein eingeschossiges ca. 70 Quadratmeter Grundfläche umfassendes Wohngebäude, auf der linken Seite mit Fachwerk, sonst ein massiver Steinbau. Im Fachwerkteil wurde der Schulsaal eingerichtet, die übrigen Räume –Stube, Kammer, Küche- waren als Lehrerwohnung vorgesehen. Wann der Unterricht hier begann, ist nicht genau bekannt. Jedenfalls erklärte 1887 die Schulaufsicht in ihrem Visitationsbericht, dass die israelitische Schule zu Burghaun “eine einklassige Volksschule mit vier Abteilungen” sei, die von 53 Kindern besucht wird. Der Unterrichtsraum von 7,14 Metern Länge, 6,5 Metern Breite und 3,42 Metern Höhe wird als geräumig bezeichnet. Nachdem sich die Schülerzahl im Lauf der Jahre drastisch verringert hatte, wurde der Schulbetrieb im Jahr 1933 schließlich eingestellt. Die elf verbliebenen und die fünf in den folgenden Jahren eingeschulten Kinder verteilte man auf die beiden christlichen Konfessionsschulen am Ort.

Am 1.9.1937 wurde die jüdische Volksschule nochmals als Bezirksschule für die im Kreis Hünfeld noch wohnenden Schulkinder eröffnet - mit Ausnahme von Rhina. Nach der Verwüstung des Schulsaals während des Novemberpogroms von 1938 war kein Unterricht dort mehr möglich. Die jüdische Gemeinde soll das Schulgebäude 1940 an die politische Gemeinde verkauft haben.28 Nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb eine Flüchtlingsfamilie das Haus und baute es leicht um. In den 1960er Jahren wurde es abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

Cemetery

Der große jüdische Friedhof in Burghaun, am Ortsausgang Richtung Rudolphshan über dem Dimbach gelegen, war Zentralfriedhof für sämtliche Judengemeinden des Hünfelder Landes mit Ausnahme von Mansbach. Er umfasst eine Fläche von 9.386 Quadratmetern und gliedert sich in drei Teile - einen ältesten (Grabstätten von 1690 bis 1833), einen mittleren (Gräber von 1834 bis 1872) und einen neuesten Teil, den man bis 1942 benutzte. Etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts legten die jüdischen Gemeinden von Erdmannrode, Langenschwarz, Rhina und Wehrda eigene Begräbnisstätten an. In welchem Jahr der Sammelfriedhof in Burghaun angelegt wurde, weiß man bisher nicht genau, vermutlich aber eine gewisse Zeit vor 1690.

Den Gedenkstein im Eingangsbereich haben überlebende Juden in New York vermutlich gegen Ende 1968 zur ehrenden Erinnerung an die Opfer des Holocaust im Kreis Hünfeld setzen lassen.29 Im Jahr 1986 wurde der Friedhof von der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen aufgenommen und dokumentiert. Die Zahl der erfassten Grabsteine wird mit 707 angegeben.30

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Grabstätten

Burghaun, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Fulda, Fürstäbte von · Haun, Herren von · Haun, Ritter von · Nathan · Speier, Marum · Nußbaum, Leo · Nußbaum, Löb · Nußbaum, Moses · Nußbaum, Betty · Braunschweiger, Manfred · Cahn, Leo · Braunschweiger, Bonum · Braunschweiger, Liebmann · Adler, Nathan · Adler, Herz · Stern, Jonas · Goldschmidt, Isaac · Strauß, Meier · Cahn, Michael · Stern, Nathan

Places

Rhina · Hünfeld · Bocholt · Frankfurt am Main · Fulda · Rudolphshan · Mansbach · Erdmannrode · Langenschwarz · Wehrda · New York

Sachbegriffe Geschichte

Schutzgelder · Neujahrsgelder · Holocaust · Stolpersteine · Buchenwald, Konzentrationslager · Zweiter Weltkrieg

Sachbegriffe Ausstattung

Thorarollen · Thoraschränke · Almemore · Kronleuchter · Gebetmäntel · Thorasilber · Spendenkelche

Sachbegriffe Architektur

Frauenemporen

Fußnoten
  1. Dieser Artikel basiert auf den Forschungsergebnissen in: E. Sternberg-Siebert: Jüdisches Leben im Hünfelder Land. Juden in Burghaun, Petersberg 2001
  2. Hohman, Juden in der Ritterschaft
  3. Löwenstein, Quellen, Band 4; vgl. auch die Ausführungen über die Gerichtsbarkeit der Ritter von Haun, deren Amtmänner und Zentgrafen in: Burghaun im Wandel der Zeiten, S. 67-75
  4. Löwenstein, Quellen, Regest N156
  5. Löwenstein, Quellen, Regest 1878
  6. Löwenstein, Quellen, Regesten N293, N249, 3082, 3223, N239, 3082
  7. StadtA Fulda Akte XXIV 63, S. 57
  8. Stoll, Klaus Hartwig: Das Landratsamt Hünfeld in kurhessischer Zeit, in: Geschichte und Aufgaben des Landkreises Fulda S. 90-110
  9. HStAM 180 Hünfeld, 2022
  10. „Über den aus Burghaun stammenden Lehrer und Prediger Levy Nußbaum (Artikel von 1921 und 1938)“ siehe Ortsartikel „Burghaun“ in Alemannia Judaica (s. Weblink)
  11. Sternberg-Siebert, Juden in Burghaun, 2001, S. 23-30, dazu Anm. 2, 4 und 9
  12. Ausführlich in: Sternberg-Siebert, Juden in Burghaun, 2001, S. 113-153
  13. HStAM 180 Hünfeld, 2277; HStAM 180 Hünfeld, 596 Nr. 7822
  14. HStAM 180 Hünfeld, 596 Nr. 3701
  15. Sammlung Hans Joachim Ruppel, Burghaun
  16. Rutenkataster Nr. 150 von 1860 sowie Nr. 152 von 1883 (?), Katasteramt Fulda
  17. HStAM 180 Hünfeld, 596
  18. Ortsartikel Burghaun auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  19. HStAM 180 Hünfeld, 2277, Plan 8
  20. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 104
  21. Vgl. Entwurf der Innengestaltung der Burghauner Synagoge von P. Brandau, Hersfeld. Original im Stadtmuseum Hofgeismar
  22. Kropat, Kristallnacht, S. 47-48
  23. Schultheis, Reichskristallnacht, S. 259-260
  24. Zeitzeuge Heinrich Roß. Vgl. auch die ausführliche Schilderung in: Sternberg-Siebert, Juden in Burghaun, 2001, S. 123-128
  25. HStAM 180 Hünfeld, 2607 und HStAM 180 Hünfeld, 3669
  26. Almosenkelch aus der Synagoge nach Jahrzehnten zurück in Burghaun: https://www.juedspurenhuenfelderland.de/almosenkelch-zur%C3%BCck-in-burghaun/
  27. HStAM 180 Hünfeld, 2296. Vgl. auch Sternberg-Siebert, Juden in Burghaun, 2001, S. 28-30, S. 65, S. 82-87 sowie S. 118
  28. Schultheis, Reichskristallnacht, S. 259-260
  29. Gemeinde Burghaun: Schriftverkehr von 1958 bis 1963 zwischen Joseph Strauß und den Burghauner Bürgermeistern Rehberg und Palmowsky sowie Schriftverkehr 1963-1968 in: Sammlung Alfred Strauß, New York
  30. Aufnahme des Jüdischen Friedhofs in Burghaun durch die Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen 1985-1986 (s.a. Link Gräberverzeichnis)
Recommended Citation
„Burghaun (Landkreis Fulda)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/218> (Stand: 22.7.2022)