Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Herzogtum Nassau 1819 – 31. Idstein
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Steinfischbach Karten-Symbol

Gemeinde Waldems, Rheingau-Taunus-Kreis — Von Gerhard Buck
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1669

Location

65529 Waldems, Ortsteil Steinfischbach, Usinger Straße 13 | → Lage anzeigen

preserved

nein

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Das Dorf Steinfischbach gehörte seit dem Spätmittelalter zur nassauischen Herrschaft Alt-Weilnau und gelangte Anfang des 17. Jahrhunderts an die Linie Nassau-Usingen.

Wie in vielen Orten der Nachbarschaft, versuchten auch in Steinfischbach nach dem Dreißigjährigen Krieg jüdische Familien Fuß zu fassen. 1669 ist die erste nachweisbar. Aber bereits 1699 kam es auf Betreiben der lutherischen Geistlichkeit zu einer teilweisen Vertreibung der Juden aus dem Fürstentum Nassau-Usingen. Von inzwischen drei Familien durfte eine auf Bitten des Dorfes bleiben. Nachdem auch sie weggegangen war, begann 1708 ein zweiter Versuch, hier dauerhaft zu wohnen. Bis 1724 zogen acht jüdische Familien zu den fast 40 evangelischen in das Dorf. Davon blieben drei Ehepaare bis 1740 übrig. Von ihnen stammten alle in der Folgezeit hier wohnenden Familien ab.

Nachdem zunächst nur die ältesten Söhne den Status eines Schutzjuden erhalten hatten, führte eine großzügigere Politik dazu, dass im Herzogtum Nassau zwischen 1851 und 1854 schließlich acht jüdische Familien hier wohnten, bei ca. 110 christlichen. Auswanderung und vor allem der Umzug in das nahe und wirtschaftlich günstigere Camberg führten dann zu einer kontinuierlichen Verkleinerung der Gemeinde. Dorthin zog um den Jahreswechsel 1932/1933 die letzte Familie, wo Vorfahren einer anderen jüdischen Familie von Steinfischbach schon um 1650 nachweisbar sind.

Armut kennzeichnete zunächst das Leben der Juden. Sie waren als Metzger und Viehhändler tätig und handelten gelegentlich mit Kramwaren. Erst im 19. Jahrhundert brachten es einige zu mehr Besitz und alle zu Hauseigentum, so dass die Juden schließlich weit verstreut in den Steuerlisten zu finden sind.

Die isolierte Randlage im Amt Usingen und die Zahl der Familien waren die Gründe dafür, dass Steinfischbach seit Beginn des 18. Jahrhunderts eine eigene jüdische Gemeinde besaß. Das blieb auch so, als das Dorf 1810 zum Amt Idstein kam. Als sich die herzoglich-nassauische Regierung daran machte, das religiöse Leben der Juden genauso zu regeln wie das der Protestanten und Katholiken, kam 1841 die Idee auf, Steinfischbach mit seinen fünf Familien der Synagoge in Camberg (17 Familien) zuzuweisen, zu der bereits Walsdorf (2) und Eisenbach (6) gehörten. Die Steinfischbacher entschieden sich jedoch einstimmig für ihre weitere Selbstständigkeit. Das bedeutete aber die Anstellung und Besoldung eines eigenen Lehrers, der in Zukunft teuer werden sollte, da nur noch geprüfte Personen zugelassen wurden.

Als 1865 größere Synagogenbezirke gebildet werden sollten, sprachen die weiten Wege und die lange Existenz der Gemeinde gegen eine Vereinigung mit Nachbarn. Dazu kam, dass es hier einen geordneten Gottesdienst und einen bequemen Unterricht für die Kinder gab. Wegen des Fortzugs von Gemeindemitgliedern und der Familiengründung durch die Kinder in anderen Orten gab es seit den 1880er Jahren Schwierigkeiten mit der Abhaltung des Gottesdienstes. 1905, als hier nur noch zwei Familien wohnten, begannen staatlicherseits Überlegungen, die Kultusgemeinde aufzulösen und sie Schmitten oder Camberg anzugliedern. Doch erst 1910 war Kultusvorsteher Heymann Steinberg bereit, sich Camberg anzuschließen, was aber von dort abgelehnt wurde. 1922 wurde der erneuten Bitte des Vaters H. Steinberg der mittlerweile einzigen jüdischen Familie entsprochen, da ein Gottesdienst nicht mehr möglich war und er den Friedhof allein nicht unterhalten konnte.

Betsaal / Synagoge

In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts war das religiöse Leben schwierig, da die Synagoge im nur eine Stunde entfernten Camberg in einem fremden Territorium lag. So wanderten die wenigen Männer jeden Sabbat 20 Kilometer weit nach Westerfeld bei Usingen. Der Friedhof war zunächst in der Hauptstadt Usingen.

Um 1720 wohnte in Steinfischbach die erforderliche Mindestzahl von Männern, und die religiösen Versammlungen konnten hier stattfinden. Wo sich der erste Betraum befand, ist unbekannt. Kurz nach 1772 kaufte Michel Mayer das bis heute als „Judenschule“ bekannte Wohnhaus Usinger Straße 13. Es stand auf einer Grundfläche von 6,60 m x 7,65 m. Daran angebaut war eine Scheune mit Stall. Die eine Hälfte des Erdgeschosses bestand aus dem Eingangsbereich mit Treppen zum Obergeschoss und in den Keller sowie der Küche, die andere aus einem Zimmer, das zeitweise zweigeteilt war. Das Obergeschoss wurde öfter umgebaut, enthielt aber im Prinzip zwei kleinere Schlafstuben, einen Flur mit Treppe, einen großen Räucherkamin und eine Kammer mit Treppe zum Dachboden.

Eines dieser kleinen Zimmer stellte Michel Mayer seiner Gemeinde als Betraum zur Verfügung. Obwohl bei den 1997 begonnenen Renovierungs- und Umbaumaßnahmen die Baugeschichte sehr genau untersucht und dokumentiert wurde, konnten keine jüdischen Spuren entdeckt werden. Anzunehmen ist, dass zunächst ein Raum von etwa 13 Quadratmetern im Obergeschoss als Betraum diente. Um 1835 wurden auf gleicher Höhe in dem an das Wohnhaus angebauten Stallteil zwei Stuben gebaut, wodurch wohl nicht nur den Bedürfnissen der Familie entsprochen wurde, sondern auch denen der wachsenden Gemeinde. Sie könnte nun wohl den zweiten Raum zur Verdoppelung der Fläche des Betraums genutzt haben. In den letzten Jahrzehnten befand er sich nach mündlicher Überlieferung in der kleinen Kammer, die vom Flur im Obergeschoss abgetrennt war.

Die Benutzung des Raumes war lange unentgeltlich. Dieses Nießbrauchrecht hatte Michel der Gemeinde eingeräumt und bestand 1857 angeblich seit ca. 70 Jahren für ein Zimmer. Wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Übergang des Hauses an seinen Urenkel Mayer Neumann um 1860 wurde eine Miete von 16 ½ Gulden eingeführt, die später auf 30 Mark umgestellt wurde. Als das Haus 1888 an Philipp Martin (evangelisch) verkauft wurde, konnten die Juden weiterhin in einem Raum beten. Der Gottesdienst endete 1922 mit dem Anschluss an die Gemeinde Camberg. Dorthin gelangten wohl auch die noch vorhandenen zwei Thorarollen.

Nach dem Inventarverzeichnis von 1852 war die Einrichtung des Betraums einfach. Ein Wandschrank diente der Aufbewahrung der zwei Thorarollen aus Pergament, „eine in gutem Zustande, die andere weniger gut.“ Dazu kamen sechs „Mäntelchen zum Bekleiden der Gesetzrollen“ und „drei seidene Vorhänge mit dem dazugehörigen oberen Kranz“ sowie einer ohne Kranz. Ein Pult mit einer Tuchdecke darauf diente zum Vorlesen der Thora, wobei ein silberner Zeiger benutzt wurde. Als weitere Texte waren vorhanden: „zwei Gebetbücher für Festtage; die Geschichte von Esther und Haran auf Pergament geschrieben; das Synagogengebet für den Landesvater, hebräisch und deutsch geschrieben, mit Rahmen.“ Es gab „ein Kästchen, eingerichtet mit Gefächern zum Einlegen der von den einzelnen gespendeten Opfer“ und „ein Widderhorn als Neujahrsposaune.“ Zwei eiserne Leuchter im Wert von 40 Kreuzern (60 = 1 Gulden) erhellten den Raum. Die Kerzen für sie zählten zu den wenigen regelmäßigen Unkosten für die Synagoge. Bänke gab es auch, diese wurden aber in diesem Inventar von 1852 nicht erwähnt. Einen materiellen Wert stellten nur die Gesetzesrollen mit 80 Gulden dar. Alles andere bewegte sich um einen Gulden und hatte einen Gesamtwert von 20 Gulden 3 Kreuzer.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Die Mikwe befand sich in dem damals ca. 14 Quadratmeter großen und 1,60 Meter hohen Keller des beschriebenen Hauses. Eine erste Beschreibung stammt von 1837, als alle „Frauenbäder“ im Herzogtum Nassau untersucht wurden. Das Becken maß 1,20 m x 1 m, war 1,20 Meter tief und hatte Quellwasser, das beständig ablief. Trotzdem war es wie in den meisten Orten stark verschmutzt und zum Baden nicht geeignet. Der Hausbesitzer bestritt, dass es sich um ein Bad handelte, und gab das Bassin als Anlage zur Entwässerung des Grundstücks aus. Es wurde fest verschlossen. Sichtbare Spuren gibt es heute nicht mehr. Nach 1837 planten die Juden, in einem benachbarten jüdischen Neubau ein Bad einzurichten. Dafür wurde wöchentlich etwas Geld gesammelt, aber nie ausgegeben. Ein Bad befindet sich noch im Hause Usinger Straße 10, das die letzte jüdische Familie 1871 erwarb und 1932 verkaufte.

Cemetery

Die Beerdigungen für alle Juden des Fürstentums Nassau-Usingen fanden bis mindestens 1707 auf dem Friedhof in Usingen statt. Als dieser damals fast ganz belegt war, erging der Befehl, irgendwo anders im Land einen neuen anzulegen. Ob das geschah, ist unbekannt. Für Steinfischbach ist der jüdische Friedhof erstmals um 1750 belegt. Einem Protestanten gehörte „eine Wiese zu Marborn, der Judenkirchhof genannt.“ In einem anderen, 20 Jahre älteren Grundbesitzerverzeichnis erscheint er nicht. Er befindet er sich fast 400 Meter außerhalb des Dorfes an der Straße nach Camberg und maß anfangs ca. 133 Quadratmeter. 1838 wurde „Die Judengemeinde zu Steinfischbach“ Eigentümerin des bis dahin privaten, auch landwirtschaftlich genutzten Grundstücks. 1822 und 1841 wurde die Fläche durch Nachbargrundstücke auf 653 Quadratmeter vergrößert, später am ungenutzten Rand wegen Straßenbau und Konsolidation verkleinert. 1844 wurde der Friedhof durch eine Hecke geschützt, die noch heute sein Aussehen prägt. Von den Grabsteinen haben sich nur ein ganzer und sechs zertrümmerte erhalten. Wann und wie dieser traurige Zustand herbeigeführt wurde, war nicht zu erfahren. 1932 wurde der letzte in Steinfischbach verstorbene Jude in Camberg beerdigt, wohin dann seine Familie am Jahresende umzog.

Usingen, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Steinfischbach, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

Steinberg, Heymann · Michel Mayer · Neumann, Mayer · Martin, Philipp

Places

Camberg · Walsdorf · Eisenbach · Schmitten · Westerfeld · Usingen · Marborn

Sachbegriffe Geschichte

Dreißigjähriger Krieg · Schutzjuden

Sachbegriffe Ausstattung

Thorarollen · Wandschränke · Thoramäntel · Vorhänge · Pulte · Tuchdecken · Gebetbücher · Zeiger · Widderhörner · Neujahrsposaunen · Leuchter

Recommended Citation
„Steinfischbach (Rheingau-Taunus-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/395> (Stand: 23.7.2022)