Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Outline map of Hessen
Ordnance Map
4721 Naumburg
Modern Maps
Kartenangebot der Landesvermessung
Historical Maps
Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 21. Niedenstein

Riede Karten-Symbol

Gemeinde Bad Emstal, Landkreis Kassel — Von Volker Knöppel
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1744

Location

34308 Bad Emstal, Ortsteil Riede, Elbenberger Straße 3 | → Lage anzeigen

preserved

nein

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Im Jahr 1744 gibt es in Riede fünf Schutzjuden: Jonas Cantors Rel. namens Schiffra, Baruch Cantor, Jonas Abraham, Moses Nathans Rel. Mirjam und Hertz Cantor; auch 1858 wohnen hier fünf jüdische Familien.1 Nach der Kurhessischen Volkszählung von 1861 hat Riede 188 männliche und 205 weibliche Einwohner, darunter je 14 männliche und weibliche Juden. Das bedeutet, dass 7,1 Prozent der Einwohner von Riede jüdisch sind.2 Damit liegt der jüdische Bevölkerungsanteil des kleinen Ortes deutlich über dem Durchschnitt nach der Statistik für den Kreis Wolfhagen, die 1867/68 im Kreis bei drei Prozent liegt.3 Im Laufe des 19. Jahrhunderts sollen zeitweise 30 und mehr jüdische Personen in Riede gelebt haben.4 Im Jahr 1905 leben noch 18 Juden in Riede.5

Die fünf jüdischen Familien, die 1858 in Riede leben, treiben alle Nothandel.6

Die Personenstandsregister der Synagogengemeinde Riede sind als Zweitschrift erhalten geblieben: Geburtsregister 1827-1894, Trauregister 1829-1885, Sterberegister 1828-1887. Darin sind nur Juden aus Riede und Heimarshausen erfasst, Hinweise auf jüdische Einwohner in Lohne oder Kirchberg, die für 1744 bei Demandt noch aufgeführt sind, fehlen hier.7

Die Gemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft scheint im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts eingegangen zu sein. Es ist eine im gesamten Landkreis Wolfhagen zu beobachtende Entwicklung, dass gegen Ende des 19. Jahrhunderts die jüdische Bevölkerung die Dörfer verlässt und in die Städte der Region oder in die Großstädte zieht, aber auch auswandert.8 Die letzten drei jüdischen Bewohner von Riede werden in den Jahren 1933 und 1937 in den statistischen Akten des Landratsamtes Wolfhagen erwähnt.9 In der mündlichen Überlieferung ist bekannt, dass man den letzten jüdischen Bewohnern in der Nazizeit übel mitspielte und ihnen die Fensterscheiben einwarf,10 ihre Namen und Schicksale sind jedoch unbekannt. Möglicherweise gehören Nathan Heinemann, der 1938 in Frankfurt wohnt, und Elias Baruch, der im gleichen Jahr in Kassel wohnt, zu den letzten jüdischen Bewohnern Riedes; sie werden im Verzeichnis des jüdischen Grundbesitzes im Kreis Wolfhagen aufgeführt.11

Beispiele für die Landflucht im 19. Jahrhundert sind die Familien Kanter und Schlesinger. Der Viehhändler Levi Kanter war bereits Ende des 19. Jahrhunderts nach Naumburg gezogen, sein Sohn Adolph und sein Bruder Levi ziehen von dort weiter nach Kassel.12 Jonas Kanter aus Riede zog nach Gudensberg und verstarb dort 1927 als Privatier. Er war bis um 1910 langjähriger Gemeindevorsteher. In seinem Haus befand sich der Betsaal der Gemeinde.13

Bernhard Schlesinger zieht 1911 mit seiner Familie nach Naumburg, Familienangehörige wandern in der Nazizeit nach Argentinien und Chile aus.14

Betsaal / Synagoge

Im Jahr 1855 beschwert sich Isaak Katz aus Heimarshausen beim Landrat in Wolfhagen, die Juden von Lohne, Kirchberg und Riede hätten vor etwa zehn bis zwölf Jahren eine Synagogengemeinde gebildet. Dabei sei er der Rieder Synagogengemeinde zugeschlagen worden und besuche seit dieser Zeit die Synagoge in Riede. Er beklagt jedoch, er „habe bis jetzt keinen Stand in derselben, auch kein Pult um meine Bücher und Mosesdecke aufzubewahren, da ich dieselben nicht auf dem Sabbath tragen darf“. Er bittet deshalb den Landrat, den Judenältesten Leiser Kanter in Riede anzuweisen, ihm in der Synagoge von Riede Stand und Pult einzuräumen.15

1858 wird in Riede „eine kleine Synagoge, deren Alter aber noch unbekannt ist“ erwähnt.16

Die Lage der Synagoge von Riede bzw. des Betsaales, wie sie auch genannt wird, lässt sich lokalisieren. 1910 zieht Jonas Kanter, der Vorsteher der jüdischen Gemeinde von Riede, nach Gudensberg und verkauft sein Haus in der Hauptstraße 16, heute Elbenberger Straße 3, in dessen Anbau sich die Synagoge befand.17 Der Grundbucheintrag aus 1910 lautet für das „Haus Nr.16: a) Wohnhaus mit Stall, b) Synagoge (B), c) Scheune mit Stall (A).“ Unter Lasten und Beschränkungen ist grundbuchlich eingetragen: „So lange auf dem Grundstück das Synagogengebäude steht, dürfen in diesem Schweineställe nicht eingetragen werden. Eingetragen am 20. Juli 1910 und umgeschrieben am 7. Mai 1982.“ Im Jahr 2000 erfolgt eine Ortsbesichtigung: Der Anbau an das Wohnhaus ist von außen mit senkrecht verlaufenden Holzlatten versehen, deshalb erweckt es den Eindruck eines Holzstalles. Von innen sind die Gefache zum Teil noch verputzt, zum Teil ausgemauert. Auf dem Putz sind olivgrüne Farblinien erkennbar. Der Fußboden ist teilweise noch mit Terrakottafliesen versehen. Die Grundmaße betragen 4,56 Meter x 3,66 Meter. Es sind nach Osten, Westen und Süden jeweils ein Fenster vorhanden sowie eine von außen begehbare Tür. Der Synagogenanbau liegt direkt an dem Stallgebäude des Hauses.18=Die Landsynagoge Riede. Ein baugeschichtliches Denkmal? Website des Geschichtsvereins Bademstal (s. Weblink oben); Zur Geschichte der Synagoge siehe Ortsartikel Riede auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Die Synagoge und die jüdische Gemeinde von Riede, mit zwei Fotos des ehem. Synagogengebäudes. Tafel 3 des Eco Pfad Friedenspädagogik Bad Emstal (s. Weblink oben) Bald nach dieser Ortsbesichtigung wurde der Anbau abgebrochen.

Der hier beschriebene Synagogenbau war kein eigenständiges Gebäude, sondern ein eher unscheinbarer Anbau an das Wohngebäude. Äußerlich war es überhaupt nicht als Kultbau auszumachen, vielmehr macht es den Eindruck eines unauffälligen landwirtschaftlichen Nebengebäudes.

Der Anbau wurde nach 2000 abgebrochen.

Eine Gedenktafel zur Ehrung der verfolgten jüdischen Mitbürger nennt die Namen von acht Rieder Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die in Riede geboren wurden oder längere Zeit am Ort wohnten.19 Keine dieser Personen hatte ihren letzten freigewählten Wohnsitz in Riede. Die Namen und Schicksale der drei Juden, die 1937 noch in Riede wohnhaft waren, sind derzeit unbekannt.

Weitere Einrichtungen

Schule

Die Vermutung, in Riede habe es auch eine jüdische Schule gegeben, erscheint zweifelhaft, war die Synagogengemeinde für einen eigenständigen Schulbetrieb doch zu klein. Für das Jahr 1858 ist dokumentiert, dass drei Kinder aus Riede nach Kirchberg zur Schule gingen.20

Cemetery

Der Friedhof der Israelitischen Gemeinde Gudensberg, der sich in Obervorschütz befindet, diente als Begräbnisplatz für Gudensberg mit Obervorschütz, ebenso für die Orte Riede, Dorla, Kirchberg, Lohne und Maden.21

Obervorschütz, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Obervorschütz, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Jonas Cantor · Schiffra · Baruch Cantor · Jonas Abraham · Moses Nathan · Mirjam · Hertz Cantor · Heinemann, Nathan · Baruch, Elias · Kanter, Familie · Schlesinger, Familie · Kanter, Levi · Kanter, Adolph · Kanter, Jonas · Schlesinger, Bernhard

Places

Heimarshausen · Lohne · Kirchberg · Wolfhagen · Kassel · Frankfurt am Main · Naumburg · Gudensberg · Argentinien · Chile · Obervorschütz · Dorla · Maden

Sachbegriffe Architektur

Terrakottafliesen

Fußnoten
  1. Demandt, Judenstättigkeit, S. 298; Höck, Jüdische Bevölkerung Kreis Wolfhagen, S. 9, 12
  2. ZHG, 9. Suppl. AF 1864; abgedruckt in: Knöppel, Synagogengemeinde Naumburg, S.14
  3. Statistische Beschreibungen des Kreises Wolfhagen im Königl. Preuß. Regierungs-Bezirke Kassel. Aufgestellt vom Kgl. Landrats-Amte Wolfhagen 1867-68, 1871, S. 7; abgedruckt in: Knöppel, Synagogengemeinde Naumburg, S. 14
  4. Ortsartikel Riede in LAGIS, Historisches Ortslexikon (siehe Link oben)
  5. Höck, Jüdische Bevölkerung Kreis Wolfhagen, S. 10
  6. Höck, Jüdische Bevölkerung Kreis Wolfhagen, S. 9
  7. HHStAW 365, 710
  8. Höck, Jüdische Bevölkerung Kreis Wolfhagen, S. 10
  9. Knöppel, Synagogengemeinde Naumburg, S. 49
  10. frdl. Mitteilung Norbert Zimmermann (Riede) vom 8.4.2021
  11. Knöppel, Volker: Verzeichnis über den jüdischen Grundbesitz im Kreise Wolfhagen. Stand 1938, in: Knöppel, Synagogengemeinde Naumburg, S. 30, nach HStAM 180 Wolfhagen, 2313
  12. Knöppel, Synagogengemeinde Naumburg, S. 119
  13. Ortsartikel Riede auf Alemannia Judaica (s. Weblink)
  14. Knöppel, Synagogengemeinde Naumburg, S. 130
  15. HStAM 180 Wolfhagen, 543; Knöppel, Synagogengemeinde Naumburg, S. 13; Zimmermann, Schloss und Dorf Riede, S. 84 ff.
  16. Höck, Jüdische Bevölkerung Kreis Wolfhagen, S. 12
  17. Zimmermann, Schloss und Dorf Riede, S. 94
  18. Ortsartikel Riede auf Alemannia Judaica (s. Weblink); Zimmermann, Schloss und Dorf Riede, S. 95
  19. Höck, Jüdische Bevölkerung Kreis Wolfhagen, S. 9
  20. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 303; Höck, Jüdische Bevölkerung Kreis Wolfhagen, S. 9
Recommended Citation
„Riede (Landkreis Kassel)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/217> (Stand: 24.4.2022)