Synagogen in Hessen
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- Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 106. Bergen
[Umgegend von Frankfurt] ca. 1865 [Blatt Rödelheim nach 1865] – 2. Offenbach-Frankfurt
Großherzogtum Hessen 1823-1850 (Übersichtskarte mit handschriftlichen Ergänzungen) – 19. Offenbach
Mühlheim am Main
- Gemeinde Mühlheim am Main, Landkreis Offenbach — Von Wolfgang Fritzsche
- Basic Data ↑
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Juden belegt seit
Ende 18. Jahrhundert
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Location
63165 Mühlheim, Friedrichstraße 4 | → Lage anzeigen
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Rabbinat
Offenbach a.M.
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religiöse Ausrichtung
liberal
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preserved
nein
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Jahr des Verlusts
1973
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Art des Verlusts
Abbruch
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Gedenktafel vorhanden
ja
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Weitere Informationen zum Standort
- History ↑
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Ludwig der Fromme schenkte 815 Unter- und Obermühlheim an Einhard, den Gründer des Seligenstädter Klosters. Im späten Mittelalter war es mit dem Amt Steinheim im Besitz der Herren von Eppstein, die es teilweise verpfändeten. 1425 verkaufte Gottfried von Eppstein das gesamte Amt an das Kurfürstentum Mainz, von dem es 1803 an die Landgrafschaft Hessen überging. 1939 erhielt Mühlheim Stadtrechte und den Stadtteil Dietesheim zugewiesen. 1977 wurde die Gemeinde Lämmerspiel eingemeindet.
Ende des 18. Jahrhunderts zogen die beiden Juden Hertz und Sinschen Rollmann nach Mühlheim. Sie gelten als die bislang ältesten im Ort nachweisbaren Einwohner jüdischen Glaubens, die sich bereits 1799 an der Errichtung des jüdischen Friedhofs in Steinheim beteiligen.
Um 1830 lebten 18 Juden im Ort, 1871 waren es 23.1 Sie gehörten zur Synagogengemeinde Bürgel und bestatten ihre Verstorbenen auf dem Friedhof in Steinheim. Mit Anwachsen der Zahl jüdischer Einwohner wuchs auch der Wunsch nach einer eigenen Gemeinde, die am 19. Dezember 1887 gegründet werden konnte.
1933 lebten 96 jüdische Personen in Mühlheim. Sie erwirtschafteten ihr Einkommen überwiegend als Kaufleute, Händler und Viehhändler. Darüber hinaus gab es fünf Metzger, einen Druckereibesitzer und einen Schneider.2 In den folgenden Jahren sank die jüdische Einwohnerzahl vor allem durch Abwanderung.
Bis 1938 verließen 20 Juden den Ort in nahe gelegene Städte, 30 weitere wanderten aus.3
Nach der Zerstörung der Synagoge wurden auch in Mühlheim Privatwohnungen und Geschäfte überfallen und teilweise geplündert und Menschen misshandelt.
30 Personen aus Mühlheim und Dietesheim wurden im Holocaust verschleppt oder deportiert.4
2009 und 2011 wurden in Mühlheim Stolpersteine verlegt.
- Betsaal / Synagoge ↑
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Bis zur Gründung einer eigenen Gemeinde 1887 besuchten die Mühlheimer Juden die Synagoge in Bürgel. Anschließend richteten sie im Obergeschoss des Hauses von Gerson Strauß in der Pfarrgasse einen Betraum ein.5
1914 erwarb die Gemeinde eine Hofreite mit Wohnhaus und Scheune in der Spinatgasse, der späteren Friedrichstraße 4. Der Hofraum wurde durch eine Mauer geteilt und die dort stehende Scheune abgebrochen. An ihre Stelle entstand noch im gleichen Jahr die neue Synagoge nach Plänen des Architekten Wendelin Spahn6, das Wohnhaus wurde später wieder verkauft. Die Einweihung sollte am 8. August 1914 feierlich begangen werden, doch durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges fiel das Fest aus und man trug Thorarollen und Kultgegenstände nachts zur Synagoge. Anlässlich der Einweihung der Synagoge wurde 1914 auch ein Synagogenchor gegründet.
Die neue Synagoge war ein eingeschossiges Gebäude über annähernd quadratischem Grundriss aus Ziegelmauerwerk mit Zeltdach, dessen Fassadengestaltung von Lisenen und Rundbogenfenstern bestimmt war.7 Die Spitze des Zeltdaches bekrönte ein Dachreiter, auf dem vermutlich ein Davidstern befestigt war.
Anlässlich der Goldenen Hochzeit von Gerson Strauß und Rebecca, geborene Rollmann, stiftete Adolf Rollmann eine Gedenktafel für die gefallenen jüdischen Teilnehmer des Ersten Weltkriegs, die am 12. Februar 1933 in der Synagoge enthüllt wurde.
In der Pogromnacht wurde die Synagoge aufgebrochen und in Brand gesteckt.
Noch am Abend des 10. November 1938 gelang es dem Vorsitzenden der Gemeinde Leopold Isaak, die Thorarollen aus den Ruinen der Synagoge zu bergen und im Keller seines Hauses zu vergraben.8 Anderes, darunter viele Kultgegenstände, wurde vor dem Rathaus aufgeschichtet.
Am 19. Januar 1939 verkauften Aron Stiefel und Moritz Lehmann als Vertreter der jüdischen Gemeinde die Synagoge für 1.500 Reichsmark an das Ehepaar Haus, die nach dem Krieg nochmals 1.600 DM nachzahlten.9
Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Synagogengebäude zunächst als Lagerhalle. 1973 wurde es abgerissen.
1988 ließ die Stadt Mühlheim in der Friedrichstraße einen Gedenkstein setzen. Er trägt die Inschrift: „Auf diesem Grundstück stand die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Mühlheims. Sie fiel in der Reichskristallnacht [sic!] am 9.11.1938 dem Terror zum Opfer, als im Rahmen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zahlreiche Gotteshäuser der jüdischen Gemeinden in Flammen aufgingen. Die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder in Mühlheim betrug 56. Die Zahl der Opfer, die die Verfolgung nicht überlebten, ist nicht bekannt.“
2009 wurden erstmals Stolpersteine verlegt.
- Weitere Einrichtungen ↑
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Mikwe
Hinweise auf eine Mikwe konnten nicht gefunden werden.
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Cemetery
Bis 1893 wurden die Verstorbenen auf dem alten jüdischen Friedhof in Steinheim beerdigt, der heute nicht mehr existiert.
Am 24. Juni 1893 erwarb die jüdische Gemeinde ein 487 Quadratmeter großes Grundstück außerhalb des Ortsberings in der heutigen Leuschnerstraße, um darauf einen Friedhof anzulegen und den nördlichen Teil mit einer Mauer einzufassen. Noch im gleichen Jahr erfolgte die erste Bestattung. Am 24. Oktober 1932 stellte die Gemeinde den Antrag den Friedhof zu erweitern, was im Januar 1933 gestattet wurde. Das Vorhaben wurde jedoch nicht ausgeführt.10
Die Gräber sind Ost-West Richtung ausgerichtet und führen ihren Grabstein auf der westlichen Seite. Die letzte Belegung fand im Juli 1939 statt. Insgesamt wurden hier 25 Menschen beerdigt. Sally Stiefel, Gefallener im Ersten Weltkrieg, fand nicht hier seine letzte Ruhestätte, sondern in Frankreich.11 Auch der Friedhof wurde im Dritten Reich geschändet.
→ Steinheim a. M., Alter Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
→ Mühlheim (Main), Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen - References ↑
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Weblinks
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Sources
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Bibliography
- Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Gütersloh 2008
- Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 2, S.96-97
- Hildebrand, Peter (Red.): 1200 Jahre Mühlheim. Unsere Stadt im Wandel. Mühlheim 2015
- Mirkes, Adolf et al: Mühlheim unter den Nazis 1933-1945. Ein Lesebuch. Frankfurt 1983
- Mühlheim (Landkreis Offenbach, Altkreis Offenbach). In: Altaras, Thea: Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945? 2. Auflage. Königstein im Taunus 2007, S. 363
- Neumeister-Jung, Jörg: Verfolgung und Deportation der Mühlheimer Juden. 2016
- Neumeister–Jung, Jörg: Der jüdische Friedhof in Mühlheim am Main. Die Schicksale der Mülheimer Juden. Mühlheim am Main 2002
- Schneider, Hans C.: Die Gemeinde braucht mich. Leopold Isaak und die Seinen. Der letzte Vorsteher der jüdischen Gemeinde Mülheim. Hrsg. vom Geschichtsverein Mühlheim am Main e.V., Mühlheim am Main 2000
- Werner, Klaus: Mühlheim am Main 1933-1945. Mühlheim 1994
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Illustrations
- Fußnoten ↑
- Recommended Citation ↑
- „Mühlheim am Main (Landkreis Offenbach)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/157> (Stand: 29.11.2023)