Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Laubach

Gemeinde Laubach, Landkreis Gießen — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

um 1700

Location

35321 Laubach, Lippe

Rabbinat

Oberhessen

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1939

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Im 13. Jahrhundert lag die Ortsherrschaft bei den Grafen von Falkenstein, die als Miterben der Herren von Hagen-Münzenberg große Gebiete der Region beherrschten. Seit dem 15. Jahrhundert residierten die Grafen von Solms (später Solms-Laubach) als Ortsherren in Laubach. Im Jahr 1806 ging die Stadt an das Großherzogtum Hessen über.

Die ersten Laubacher Juden werden um das Jahr 1700 erwähnt.1 Im Jahr 1760 lebten vermutlich schon sechs jüdische Familien in Laubach und ermöglichten wahrscheinlich bereits zu dieser Zeit oder kurz danach die Gründung einer eigenen Gemeinde mit Abhaltung des Gottesdienstes.2 Die jüdischen Einwohner der benachbarten Dörfer Ruppertsburg im Südwesten und zeitweise Lardenbach im Nordosten gehörten mit zur Synagogengemeinde. Die Gemeinde besaß mehrere Thorarollen.

Um 1816 lebten 77 Juden in Laubach (4 Prozent Anteil der Gesamtbevölkerung). 1830 waren es 112 und 1861 115 (ca. 5,5 Prozent).3 Um 1905 war ihre Zahl durch Auswanderung und Migration um die Hälfte auf 57 Personen gesunken. 1932 lebten noch 10 jüdische Familien in Laubach, zwei jüdische Familien wohnten zur gleichen Zeit in Ruppertsburg. Die jüdischen Laubacher lebten mehrheitlich als Kaufleute (Manufakturwaren) und Händler; es gab um 1818 drei jüdische Seifensieder.4

Von 1933 bis 1939 emigrierten 12 jüdische Laubacher ins Ausland, 17 verzogen innerhalb Deutschlands. Die in Laubach gebliebenen wurden im September 1942 verhaftet; die meisten von ihnen wurden in polnische Konzentrationslager deportiert und dort ermordet.5

Betsaal / Synagoge

Aufgrund der Bevölkerungszahlen kann man davon ausgehen, dass es schon im 18. Jahrhundert einen Betsaal in Laubach gegeben hat, doch ist dessen Lage unbekannt. Im Jahr 1822 erwarb die jüdische Gemeinde das Haus Nr. 301, bei dem es sich wohl um das danach als Synagoge genutzte Gebäude handelt.6 Der Standort in dem Sträßchen „Lippe“, ehemals Nr. 25, lag am Rand des alten Ortskerns, rund 200 Meter südöstlich der Stadtkirche.

Das verputzte zweigeschossige Fachwerkhaus mit biberschwanzziegelgedecktem Satteldach stand traufständig zur Straße.7 Das rechteckige Gebäude, vermutlich um 1800 errichtet, war in zwei Nutzungsbereiche geteilt. Im westlichen Teil lag der Wohnbereich, im Osten die Synagoge, die sich durch eine auffällige Befensterung von der umliegenden Wohnbebauung abhob. Die letzten Bewohner waren bis zur zwangsweisen Aufgabe im Jahr 1939 der jüdische Lehrer Zodick mit seiner Familie.

Über die Synagoge sind nur wenige archivalische Belege bekannt. Eine beiden Hausbereichen gemeinsame, zweiflügelige Eingangstür in der Mittelachse des Gebäudes erschloss den Gottesdienstraum. Die Frauen gelangten wahrscheinlich über eine im Flur befindliche Treppe auf die Frauenempore, die 30 Personen Platz bot. Für die Männer standen 48 Plätze zur Verfügung.8

Auf einem Foto aus der Zeit vor 1938 eines der Synagogenfenster z.T. erkennbar.9 Es waren – vielleicht insgesamt drei? - Rechteckfenster mit segmentbogigem Oberlicht und kleinen, durch Sprossen getrennten quadratischen Scheiben. Sie nahmen ein Drittel der Wandfläche ein und setzten etwa in 1,80 Metern Höhe an. Ob es über die Fenster hinaus Gliederungs- oder Schmuckelemente gab, die auf die synagogale Nutzung hindeuteten, ist nicht bekannt. Die Synagoge wurde seit ihrem Bestehen mehrfach renoviert, unter anderem etwa 1858, um die Zahl der vorhandenen Frauenplätze zu erhöhen. Zudem wurde um die Jahrhundertwende vermutlich der Innenraum saniert.10 In der Synagoge stand ein Klavier.11

Während der Reichspogromnacht des Jahres 1938 wurde die Synagoge innen total demoliert. Mobiliar, Thorarollen und Gebetsbücher wurden von der lokalen HJ auf der „Helle“ (nahe Marktplatz) zusammengetragen und verbrannt.12 1939 ließ die politische Gemeinde, die das Eigentum der jüdischen Gemeinde übernommen hatte, das nun als Ruine bestehende Gebäude abreißen; später wurden das so entstandene Grundstück an Privatleute verkauft. Um 1961 errichtete der damalige Eigentümer eine Scheune auf dem Grundstück.13 Heute erinnert eine metallene Tafel in der Nachbarschaft des alten Standortes der Synagoge an die Laubacher Juden.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Wahrscheinlich wurde ein Mikwengebäude bereits um 1811 errichtet. Es stand außerhalb der alten Stadtbefestigung nördlich des Schlosses.14 Das kleine, über quadratischem Grundriss errichtete Fachwerkgebäude war mit einem Walmdach versehen, aus dessen Spitze ein Schornstein emporragte. 1905 war dieses alte Gebäude so stark verfallen, dass die politische Gemeinde Sanierungsmaßnahmen anmahnte.15 Offenbar wurde die Mikwe um diese Zeit nicht mehr als solche genutzt, denn um 1906 verkaufte die Synagogengemeinde das Haus an einen ortsansässigen Apotheker, der es translozieren und zu einem Gartenhaus umbauen ließ.16

Cemetery

Genauso wie die Synagoge wurde der jüdische Friedhof in der NS-Zeit von der politischen Gemeinde übernommen und sollte nach Gemeinderatsbeschluss von 1939 geschleift werden.17 Dieser Beschluss wurde offensichtlich nicht umgesetzt. Der etwa 570 Quadratmeter große Friedhof liegt außerhalb, südlich der Stadt, etwa 800 Meter vom Synagogenstandort entfernt. Der jüngste Grabstein stammt von 1936, der älteste stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Laubach, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Laubach, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Indices

Persons

Falkenstein, Grafen von · Hagen-Münzenberg, Herren von · Solms, Grafen von · Solms-Laubach, Grafen von · Zodick, Lehrer

Places

Ruppertsburg · Lardenbach

Sachbegriffe Geschichte

Reichspogromnacht

Sachbegriffe Ausstattung

Thorarollen · Frauenstände · Gebetbücher

Sachbegriffe Architektur

Fachwerkbauten · Biberschwänze · Satteldächer · Frauenemporen · Rechteckfenster · Oberlichter · Sprossen · Walmdächer

Fußnoten
  1. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 478
  2. Die Eigenauskunft der jüdischen Gemeinde aus dem Jahr 1905 verweist auf 1780 als Gründung der Synagogengemeinde. Vgl. Ruppin, Juden, S. 75.
  3. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 478
  4. Laubacher Juden, S. 44. Siehe auch Musterlisten mit Angaben zum Gewerbe, 1818, in Stadtarchiv Laubach, XIII. Abt., 1. Abschn.: Verfassung der israelitischen Religionsgemeinden, Fasz. 42.
  5. Laubacher Juden, u.a. S. 27, 49 f.; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 479
  6. Vgl. Feuerpolizeiliche Sicherungsmaßnahmen für das Haus „Lippe“, Hausnr. 301, 1822, in Stadtarchiv Laubach, XXVII. Abt., 1. Abschn. Feuerpolizeiliche Sicherungsmaßregeln, Konv. 1, Fasz. 2. Ob es dasselbe Gebäude ist, wie das in Folge mit Nr. 25 bezeichnete, ist bisher unklar.
  7. Laubacher Juden, S. 48: „Die Synagoge stand also dort, wo heute die Scheune steht, nicht links daneben, wo jetzt am neuen Haus die Erinnerungsplakette angebracht ist.“
  8. Laubacher Juden, S. 15; Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 479
  9. Abbildung in: Laubacher Hefte Nr. 7 [1988], S. 22
  10. Anträge und Stellungnahmen zu der Errichtung von Frauenständen, 1852–1858, in: Stadtarchiv Laubach, XIII. Abt., 5. Abschn.: Gemeindeanstalten und -gebäude, Konv. 1, Fasz. 94, Synagoge. Siehe ferner Laubacher Juden, S. 14 f., 100.
  11. Laubacher Juden, S. 42
  12. Laubacher Juden, u.a. S. 43
  13. Laubacher Juden, S. 26
  14. Becher, Judenbad, S. 20
  15. Bericht über den baulichen Zustand, 1905, in Stadtarchiv Laubach, XIII. Abt., 5. Abschn., Konv. 1, Fasz. 95
  16. Laubacher Hefte Nr. 7 [1988], S. 21
  17. Laubacher Juden, S. 26
Recommended Citation
„Laubach (Landkreis Gießen)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/495> (Stand: 22.7.2022)