Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Langsdorf Karten-Symbol

Gemeinde Lich, Landkreis Gießen — Von Susanne Gerschlauer
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1458

Location

35423 Lich, Ortsteil Langsdorf, Erbsengasse 7 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Oberhessen

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Die Ortsherren von Langsdorf waren nach den Grafen von Falkenstein, deren Erbe u.a. an die Grafen von Solms fiel, seit dem 15. Jahrhundert die Linie der Grafen von Solms-Braunfels, deren Residenzsitz zeitweise Hungen war. Im Jahr 1806 ging die Ortsherrschaft an das Großherzogtum Hessen über.

Ein erster Hinweis auf in Langsdorf wohnende Juden datiert in das Jahr 14581, doch waren Juden vermutlich erst seit Beginn des 18. Jahrhunderts kontinuierlich im Ort ansässig. Um 1830 lebten 52 Juden in Langsdorf, zwei in Birklar und neun in Muschenheim. 1905 war die Zahl der in Langsdorf lebenden Juden auf 36 zurückgegangen, dagegen war sie in Birklar auf 21 und Muschenheim auf 26 angestiegen.2

Bis ins letzte Drittel des 18. Jahrhunderts gehörten die Juden von Langsdorf zur jüdischen Gemeinde Hungen. Wegen der großen Entfernung beantragten die Langsdorfer Juden 1765 die Erlaubnis zur Einrichtung einer eigenen Synagoge, die sie 1769 zugestanden bekamen, was auf eine eigene jüdische Gemeinde in Langsdorf hinweist.3 Zur Synagogengemeinde Langsdorf zählten auch die in Birklar und Muschenheim lebenden Juden. Der letzte Vorsitzende der Synagogengemeinde war der Butzbacher Möbelhändler Isaak Nelkenstock.4

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts spiegelt sich in Ausschreitungen gegen die Langsdorfer Juden die aufkeimende antisemitische Stimmung in Oberhessen. Sie wurde im Verlauf der Jahre massiv durch die Propaganda des Langsdorfer Reichstagsabgeordneten Philipp Köhler unterstützt, der mit den „Vereinigten Liberalen“ in Oberhessen Märkte ohne jüdische Beteiligung durchsetzen konnte.5

Die Langsdorfer Juden waren nicht wohlhabend – Archivalien des Gemeindearchivs belegen anhaltende Probleme vieler Juden Gebühren und Abgaben zu begleichen. Sie lebten mehrheitlich als Viehhändler. Über das Ende der jüdischen Gemeinde und den weiteren Lebensweg der jüdischen Langsdorfer während des Nationalsozialismus ist bisher nicht viel bekannt.6

Betsaal / Synagoge

Die erste Synagoge befand sich auf demselben Grundstück wie die zweite und jüngste, in der Erbsengasse 7. Die Gasse liegt am südlichen Rand des alten Ortskerns. Die evangelische Kirche, direkt an der Oberstraße stehend, befindet sich etwa 200 Meter nordwestlich der Synagoge. Der Betsaal war unter einem Dach mit der Wohnung der Lehrerfamilie, vermutlich im östlichen Gebäudeteil untergebracht.7 Wegen baulicher Mängel oder aus Platzmangel wurde das aus dem Ende des 18. Jahrhunderts stammende Gebäude schließlich abgerissen.

Die zweite Langsdorfer Synagoge wurde einige Meter weiter nach Westen versetzt errichtet. Das traufseitig zur schmalen Gasse stehende Gebäude ist über annähernd quadratischem Grundriss errichtet. Zur Erbauungszeit stand das Haus vollständig frei; heute ist an der Südseite ein Wirtschaftsgebäude angebaut. Das Satteldach ist (inzwischen) mit roten Doppelmuldenpfalzziegeln gedeckt. Aufgrund seiner auffallenden Gliederung und Gestalt der Fenster und der ebenso an dieser Stelle seltenen Ecklisenengestaltung hob sich das Gebäude von den umgebenden Wohn- und Wirtschaftsgebäuden ab. Nach vorliegenden Plänen war in der Nordwand (an der Erbsengasse) ein einzelnes Fenster vorgesehen.8 Dies war ein breites, die Wand dominierendes, rundbogiges Zwillingsfenster mit Sprossengliederung als Binnenstruktur. Der alleinige Zugang zum Haus erfolgte durch eine zweiflügelige Tür über eine Stufe und lag im Westgiebel. Achsial darüber spendete dem Innenraum ein halbrundes Sprossenfenster Licht. Der Dachbereich erfuhr eine optische Aufwertung durch ein umlaufendes, unprofiliertes Gesims in der Breite der Ecklisenen sowie durch die plastische Hervorhebung im Bereich der Balkenauflage im Putz als rechteckige Reliefstruktur nach Westen. Ursprünglich war die Profilierung der Balkenköpfe vorgesehen gewesen.

Im Innern gab es entlang der Süd- und Westwand eine Frauenempore, die durch die in der Südwestecke eingebaute Treppe erschlossen wurde. Sie wurde von drei in den Raum gestellten Stützen unterfangen. Die Männerplätze im Erdgeschoss waren entlang der Nord- und der Südwand, nach Osten ausgerichtet angeordnet. Vorgesehen waren ca. 40 Männer- und 30 Frauenplätze. Die West-Ost-Raumachse blieb frei, so dass nach Betreten des Betsaales der Blick auf den durch einige Stufen erhöhten Aron Hakodesch gegeben war, der in eine in die Ostwand eingelassene, von außen nicht erkennbare Nische eingelassen war. Vor ihm, etwas erhöht auf einer Estrade, befand sich das möglicherweise mit einem Geländer umgebene Vorbeterpult.

Während der Pogromnacht wurde das Gebäude im Inneren völlig zerstört und ging später an nichtjüdische Eigentümer über. Heute dient die ehemalige Synagoge als Wohnhaus und ist entsprechend dieser Nutzung mit einer veränderten Befensterung ausgestattet. Zwei kleine Tafeln an der Nordwestecke, nach 1950 zu unterschiedlichen Anlässen angebracht, erinnern an die ehemalige Nutzung als Synagoge.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Über die Einrichtung einer Mikwe wurde seit 1807 schriftlich beraten.9 Ob die Pläne umgesetzt wurden, ein „warmes Bad“ einzurichten oder nicht und wenn ja, wo, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Möglicherweise benutzten die Langsdorfer Juden die Mikwe in Hungen mit. Nach anderen, archivalisch aber unbelegten Angaben war südlich der Synagoge am Ende des westlichen Vorplatzes eine tiefergelegene Mikwe eingebaut.10

Schule

Sowohl ein Raum für Religionsunterricht, wie für Gemeindeversammlungen ist im Neubauplan zur Synagoge nicht ausgewiesen. Entweder fanden Versammlungen und Unterricht in der Synagoge statt, oder ein benachbartes kleines Haus diente zu diesen Zwecken.11

Cemetery

Die Juden aus Langsdorf und Birklar begruben ihre Verstorbenen auf dem jüdischen Friedhof in Hungen. In Muschenheim bestand ein eigener jüdischer Friedhof.

Hungen, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Hungen, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. HStAD C 4, in 137/1
  2. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 477
  3. Prokosch, Hungen, S. 84
  4. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 478
  5. Prokosch, Hungen, S. 92
  6. Arnsberg, Jüdische Gemeinden 1, S. 478
  7. StadtA Lich, GemA Langsdorf, XIII. Abt., Abschn. 3, Konv. 2, Fasz. 20
  8. Es ist bisher ungeklärt, ob die vorliegenden Baupläne entsprechend umgesetzt wurden und was davon evtl. nach 1939 durch Umbauten verschwand. Auf den Plänen beruht die Bescheibung. (S.G.)
  9. StadtA Lich, GemA Langsdorf, XIII. Abt., 5. Abschn., Konv. 2, Fasz. 23
  10. Altaras, Synagogen 2007, S. 202
  11. Altaras, Synagogen 2007, S. 202
Recommended Citation
„Langsdorf (Landkreis Gießen)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/176> (Stand: 22.7.2022)