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In Neu-Isenburg/Gravenbruch wird das erste deutsche Autokino eröffnet, 31. März 1960

In Neu-Isenburg/Gravenbruch wird das erste (standortfeste) deutsche Autokino eröffnet. Das unmittelbar an der Bundesstraße 459 und nahe des Offenbacher Kreuzes (Schnittpunkt der Bundesautobahnen A 3 und A 661; nach dem Frankfurter Kreuz der zweitmeist befahrene Straßenknotenpunkt Hessens) gelegene Autokino Gravenbruch ist zugleich das erste dauerhaft bestehende1 Autokino in Europa nördlich der Alpen. Erbaut wurde es von Hermann Franz Passage, einem Ingenieur und deutschstämmigen Südafrikaner, der im Sommer 1959 nach Frankfurt zog und rund 1,5 Millionen DM zur Errichtung des Autokinos investierte.

Das Autokino verfügt – ganz den amerikanischen Vorbildern entsprechend – über einen terrassenförmig angelegten Boden, der es erlaubt, die Wagen so aufzustellen, dass das Heck der Fahrzeuge sanft nach unten geneigt ist, um die Sicht der Insassen auf die Leinwand zu verbessern. Zur Übertragung des Tons werden ins Innere der Besucherfahrzeuge jeweils separate Lautsprecher gehängt, deren Ausgabe am Einlass erfolgt und die am Stellplatz durchs Seitenfenster an eine Stromzapfsäulen angeschlossen werden müssen. Passages Investition zahlt sich in den folgenden Monaten und Jahren aus: das mit einer 540-Quadratmeter-Leinwand ausgestattete, 1.100 Wagen fassende Kino auf der der Waldlichtung in Neu-Isenburg/Gravenbruch lockt zahlreiche hessische Zuschauer an und beschert der Gemeinde Neu-Isenburg – trotz moderater Eintrittspreise (am Eröffnungsabend kann die Hollywood-Produktion „Der König und ich“ für 2,75 DM angeschaut werden) – bereits im ersten Geschäftsjahr beträchtliche 100.000 DM „Lustbarkeitssteuer“ (Vergnügungssteuer). Die Geschäftsidee des Diplomingenieurs Passage findet schnell Nachahmer, sodass die Zahl der deutschen Autokinos bis 1969 auf insgesamt 17 klettert.

Bereits 1956 hatte die amerikanische Metro-Goldwyn-Mayer Filmgesellschaft (MGM) versucht, den kommunalen Behörden in Neu-Isenburg und Gravenbruch den Bau eines Autokinos schmackhaft zu machen, nachdem man das später von Passage genutzte Gelände am Forsthaus als idealen Standort für ein Auto-Freilichtkino ausgemacht hatte. Allerdings war Gravenbruch zum damaligen Zeitpunkt nur einer unter insgesamt drei verhandelten Standorten, Pachtverhandlungen gab es auch mit der Stadt Düsseldorf-Lindorf und einem Großbauern im Nordwesten Münchens. MGM verwirklichte jedoch den Plan zum Bau eines Autokinos nicht, da man davon ausgehen musste, das deutsche Behörden die in den Vereinigten Staaten gewährte relative Freizügigkeit, auch Kinder während der Vorführung der oft altersbeschränkten Filme im Wagen schlafen zu lassen, nicht dulden und Polizeibeamte alle Besucher auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestalter hin überprüfen.2

Etwa um 1980 herum existieren in der BRD 24 Autokinos, bevor sich die Besucherzahlen in den 1990er Jahren deutlich verringern – und damit zahlreiche deutsche „Drive-Ins“ (nach der in den USA üblichen Bezeichnung) wieder verschwinden.

Autokinos, also Freilichtkinos, deren Leinwand man vom Auto aus betrachten kann, existieren in den USA seit Beginn der 1930er Jahre3 und werden dort in den 1950er Jahren ausgesprochen populär.
(KU)


  1. Bereits 1954 hatte es in Erlangen eine Autokino-Probevorführung gegeben, mit der zum damaligen Zeitpunkt größten Filmleinwand der Welt. Dabei kam ein neuartiger, besonders lichtstarker Projektor der Firma Frieseke & Höpfner zum Einsatz. Vgl. DER SPIEGEL 50/1954, 8.12.1954, S. 40-42: Auto-Kinos: Romantik vollmotorisiert (eingesehen am 17.10.2016).
  2. Vgl. DER SPIEGEL 52/1959, vom 23.12.1959, S. 90: Auto-Kino: Grün für den Kellner (eingesehen am 17.10.2016).
  3. Das erste Autokino wurde am 6. Juni 1933 am Stadtrand von Camden, New Jersey von Richard Hollingshead Jr., Besitzer einer Firma für Autopflegemittel eröffnet. Das „Camden Drive-In Theatre“ bot Platz für 350 Fahrzeuge, der Film wurde auf eine geweißte Steinmauer projiziert.
Records
Additional Information
Recommended Citation
„In Neu-Isenburg/Gravenbruch wird das erste deutsche Autokino eröffnet, 31. März 1960“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/1118> (Stand: 31.3.2022)
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