Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Eröffnung einer Kriegsküche in der Mathildenstraße in Offenbach, 28. August 1916

Im Gebäude der Kunstgewerbeschule in Offenbach am Main (Mathildenstraße 1) wird eine städtische Kriegsküche eröffnet, die an ihrem ersten Öffnungstag etwa 600 Essensportionen ausgibt. Damit erhält auch die Stadt Offenbach eine öffentliche Einrichtung zur Massenspeisung, die in anderen Städten bereits zu Kriegsbeginn eingerichtet worden waren, um die von Arbeitslosigkeit betroffenen Bevölkerungsteile, Arme, und insbesondere die Angehörigen der im Kriegsdienst stehenden Soldaten zu unterstützen¹ Die in den sogenannten Kriegs- oder Volksküchen vorgenommene öffentliche Speisung der bedürftigen Bevölkerungsteile wird 1916 flächendeckend in Städten in ganz Deutschland eingeführt, da sich die Versorgungslage rapide verschlechtert und zum Winter 1916/17 hin zu einer Hungersnot zuspitzt („Steckrübenwinter“).

Der die Kriegsküche beherbergende Bau in der Mathildenstraße 1 wurde 1885 aus den Erlösen der 1879 in Offenbach abgehaltenen großherzoglichen Landesschau errichtet. Er dient zunächst der damaligen Kunstgewerbeschule (1902 umbenannt in „Technische Lehranstalten der Stadt Offenbach a.M.“) als Heimstatt, nimmt später aber auch eine Mädchenberufsschule, die Stadtkasse und das Rechnungsprüfungsamt der Stadt sowie schließlich das 1. Polizeirevier auf.²

Eine zweite Kriegsküche eröffnet wenig später im Fabrikgebäude der Mansmann Lederstanzerei (Bernardstraße 77; vormals im Besitz der 1913 in wirtschaftliche Turbulenzen geratenen Trikotweberei der Gebrüder Adler).³ Mit der zunehmend schlechter werdenden Versorgungslage, die besonders die ärmeren Bevölkerungsteile hart trifft, wächst auch die Zahl der öffentlichen Küchen an. Im Juli 1917 muss bereits die vierte Kriegsküche in der Stadt in Betrieb genommen werden.⁴
(OV/KU)

1. Allerdings wird dabei vielfach auf eine strikte Trennung von Armenpflege einerseits, und der Kriegswohlfahrtspflege andererseits geachtet, so zum Beispiel in den preußischen Städten, für die bereits im August 1914 eine entsprechende Verordnung erlassen wurde, vgl. HeBIS Roerkohl, Anne: Hungerblockade und Heimatfront: die kommunale Lebensmittelversorgung in Westfalen während des Ersten Weltkrieges (Studien zur Geschichte des Alltags; 10), Stuttgart 1991 (zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1989), S. 233. ↑
2. Vgl. Offenbach.de – Das Portal der Stadt Offenbach: Themen: Rathaus: Aktuelles & Medien: Pressearchiv: Jahrgang 2005: Stadt Offenbach, 8. August 2005: Fassadenrenovierung am ersten Polizeirevier beginnt (eingesehen am 28.8.2013); Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.8.2005, S. 48: Revier am Mathildenplatz wird renoviert. ↑
3. Vgl. Offenbach.de – Das Portal der Stadt Offenbach: Themen: Unterwegs in Offenbach: Tourismus & Freizeit: Stadtführungen, Routen und Rundfahrten: Route der Industriekultur: 14 – Gebrüder Tschatsch, Bernardstraße 77a, 63067 Offenbach (eingesehen am 28.8.2013). ↑
4. Zur Beteiligung der Bevölkerung an den Kriegsküchen Anfang 1917 vgl. die Übersichtstabelle Nr. V in: E. Gotschlich/F. Guth, Hygienische Studien über Volksernährung mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Saarbrücken in den Jahren 1916–1917, in: HeBIS Öffentliche Gesundheitspflege mit besonderer Berücksichtigung der kommunalen und sozialen Hygiene, hrsg. vom Deutschen Verein für Öffentliche Gesundheitspflege 4 (1919), S. 365-379, hier S. 406. ↑