Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Regesten der Landgrafen von Hessen

wohl 1498 Anfang Mai

Streit zwischen den Minderbrüdern und den Franziskanern

Regest-Nr. 10443

Überlieferung | Regest | Originaltext | Nachweise | Textgrundlage | Zitierweise
Überlieferung
Ausfertigung: Gleichzeitige Aufzeichnung: Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichregisterbücher Bd. KK, Bl. 91b r-v. Lateinisch.
Regesten: Eckhardt, Die oberhessischen Klöster 3, 1, S. 671 f. Nr. 946.
Regest
Information über das Geschehen in der Sache (causa) der Minderbrüder von der Observanz gegen die Konventualen-Brüder des Ordens St. Francisci, aus der Grundsätze (formule) für die durch die geistlichen und weltlichen Fürsten an den Papst zu sendenden Schreiben zu nehmen sind:
In früheren Tagen haben der römische König Maximilian und der Fürst und Herr Wilhelm (III.) Landgraf zu Hessen, durch das unordentliche und von den Grenzen der Regel St. Francisci abgewichene Leben der Guardiane und Brüder Konventualen der Häuser St. Francisci in den Städten Marburg und Grünberg der Diözese Mainz, die Wilhelms weltlicher Herrschaft unterworfen sind, bewegt, dem Papst darlegen lassen, daß diese ein freizügiges Leben führten und durch verwerfliche Sitten und Lebensumstände in Geistlichem wie Weltlichem so entartet seien, daß, wenn nicht bald vom päpstlichen Stuhl für Abhilfe gesorgt werde, die vollständige Verödung der gen. Häuser zu befürchten sei, zum Schaden für die Religion, zur Gefahr für die Seelen und zum Ärgernis für die meisten. So großem Übel könne nur begegnet werden, wenn die Konventualen aus den gen. Häusern entfernt und die Brüder von der Regel der Observanz an ihre Stelle gesetzt würden. Der Landgraf erreichte nicht ohne schwerste Ausgaben, daß die Sache der Reformierung vom Papst einigen Prälaten in der Diözese Mainz unter der Bedingung übertragen wurde, daß sie, wenn sich die Erzählungen als wahr herausstellen, die Konventualen entfernen und die Observanten an ihre Stelle setzen sollten. Diese Kommissare haben mit Zuziehung von Zeugen den Auftrag um den (Zahl nich eingesetzt) Tag des Oktobers 1496 ausgeführt, nachdem sie festgestellt hatten, daß das Gesagte der Wahrheit entsprach. Also haben die von den Kommissaren in die gen. Häuser eingesetzten Observanten, nach ihrer Gewohnheit und der Regel des hl. Franz fromm und geistlich lebend, Tag und Nacht Gott gedient und durch ihr beispielhaftes Leben, ihre Predigten und ständigen Ermahnungen überreiche Früchte in die Kirche Gottes eingebracht und davon außer dem zu erwartenden Lohn Gottes die höchste Gunst des ganzen Volkes erlangt.
Aber die Konventualen weigerten sich, das Joch der durch päpstliche Autorität auf Betreiben der königlichen Majestät und des Landgrafen durchgeführten Reformation zu tragen. Von den gen. Häusern entfernt, beklagten sie sich beim Papst in Florenz, sie seien durch Laienhand gewaltsam und schimpflich aus den Häusern geworfen worden. Durch beständige Intrigen und Beschwerden und durch ihre und ihrer Vermittler rücksichtslosen Mahnungen sollen sie den Papst dazu gebracht haben, die gen. Schreiben wegen der Kommission und den durch die Kommissare durchgeführten Prozeß der Reformation und alles daraus Erfolgte zu widerrufen. Dabei seien die Observanten überhaupt nicht zugezogen worden, sondern der Papst solle ihnen gewisse Kommissare gegeben haben, die das Widerrufdekret durchführen, die Observanten aus den genannten Häusern entfernen und die Konventualen wieder zurückführen sollten. Einer von ihnen, der Propst zu Kerpen, der in der Stadt Köln residiere, leitete den Exekutionsprozeß gegen die Observanten ein und befahl ihnen schriftlich, vor ihm zu erscheinen, um das Papstdekret zu sehen. Da aber dieses Dekret nicht ohne Beleidigung der königlichen Majestät und Schmach für den Landgrafen, dessen Frömmigkeit diese Reformation vorangetrieben hat, ohne Ungerechtigkeit gegenüber den Observanten und, was schrecklicher und furchtbarer ist, ohne Gefahr für die Seelen und Ärgernis für die meisten Christgläubigen ausgeführt werden kann - die Meinung der ganzen Menschheit über Observanten und Konventualen ist nämlich nicht gleich: während die Observanten für heilige und gottgeliebte Männer gehalten werden, ist es bei den Konventualen das Gegenteil, so daß man allgemein sage, wenn die Observanten vertrieben und die Konventualen wieder aufgenommen würden, sei kein Platz für die Tugend und diese unterliege den Fehlern und Verbrechen -, wird der Papst zu bitten sein, daß er das Dekret über die Rückführung der Konventualen und die Einsetzung einer Ausführungskommission aufhebe und den durch die gen. Kommissare vorgenommenen Prozeß der Reformation bestätige, alle Mängel an Recht und Handlung, sofern welche bei demselben Prozeß aufgetreten sind, aus päpstlicher Güte ausgleiche und den Konventualen hierüber ewiges Schweigen auferlege.
So datiert vom Bearbeiter nach dem kurz darauf folgenden Schreiben Erzbischof Bertholds von 1498 Mai 14. Bisher wurde das Stück nach dem in ihm erwähnten Dokument auf Oktober 1496 datiert.
Nachweise

Weitere Personen

Maximilian I., Kaiser · Hessen, Landgrafen, Wilhelm III.

Weitere Orte

Marburg · Grünberg · Mainz, Diözese · Florenz

Sachbegriffe

Minderbrüder · Mönche, Minderbrüder · Observanten · Konventuale · Mönche, Franziskaner · Franziskaner · Könige, römische · Ordensregeln, Mißachten von · Guardiane · Päpste · Sitten, verwerfliche · Klöster, Reform von · Prälate · Diözesen · Reformationen, Protest gegen · Reformationen, Rücknahme von · Streitigkeiten, unter Geistlichen

Textgrundlage

Stückangaben, Regest

Eckhardt, Klosterarchive 7

Zitierweise
Landgrafen-Regesten online Nr. 10443 <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/10443> (Stand: 05.05.2024)