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Geheimer Bericht über die seelsorgerische Betreuung der Zwangsarbeiter aus Osteuropa, 15. Juli 1943

Der Bericht des Sicherheitsdienstes der SS zu Inlandsfragen vom 15. Juli 1943 fasst die Meldungen über Fragen der seelsorgerischen Betreuung der Ostarbeiter, das heißt der Zwangsarbeiter aus Osteuropa, zusammen. Nach Berichten aus allen Teilen des Reiches, unter anderem aus Frankfurt am Main, sei bei den im Reich eingesetzten Ostarbeitern und Ostarbeiterinnen vielleicht der Wunsch nach seelsorgerischer Betreuung vorhanden. Dabei sei das religiöse Interesse nicht einheitlich, da bei älteren Frauen der Bedarf sehr hoch sei, während jüngere Arbeiterinnen und Arbeiter dem eher gleichgültig gegenüberstünden. Mehrfach werde aber darauf hingewiesen, dass sich durch eine seelsorgerische Betreuung nicht nur die allgemeine Stimmung gebessert habe, sondern auch die Arbeitsfreudigkeit und Arbeitsleistung gesteigert worden sei.

Dazu wird ein Bericht aus Hessen zitiert: Von Betriebsführern wird darauf hingewiesen, daß gerade die anständigsten und fleißigsten Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen sehr religiös und Bolschewistengegner sind. Eine religiöse Betreuung der Ostarbeiter wirke sich sehr günstig auf die Arbeitsfreudigkeit und Leistung aus. Die durchgeführten religiösen Veranstaltungen während des Osterfestes haben sich auf die nachfolgenden Arbeitstage sehr günstig ausgewirkt. Man habe offensichtlich bemerkt, daß die Ostarbeiter nach der religiösen Betreuung an ihrem Arbeitsplatz viel aufgeschlossener und arbeitsfreudiger gewesen sind. Auch eine Meldung aus Frankfurt am Main komme zum gleichen Ergebnis: Die in dem Betrieb der Firma Buderus von einem Laienpriester durchgeführte kirchliche Feier hat sich nach den gemachten Erfahrungen auf die Ostarbeiter bezüglich ihrer Arbeitsfreudigkeit und Arbeitswilligkeit sehr gut ausgewirkt.

Von den Ostarbeitern komme der Wunsch, von einem richtigen Priester betreut zu werden. Dabei würden sie auf die religiösen Zeremonien besonderen Wert legen [...] Es käme ihnen weniger auf eine konfessionelle Belehrung und auf die Predigten an, als vielmehr auf eine stimmungsmäßige Beeinflussung durch Gesang, Liturgie und religiösem Brauchtum. Dies sei vor allem die Ursache weshalb die Ostkräfte immer wieder versuchen, an deutschen Gottesdiensten teilzunehmen. Einzelnen Berichten zufolge bringen jedoch Betriebsführer bisweilen der seelsorgerischen Betreuung der Ostarbeiter keinerlei Verständnis entgegen. So werde zum Beispiel aus Frankfurt am Main gemeldet, daß ein Betriebsführer, der mit der Teilnahme der bei ihm eingesetzten Ostarbeiterinnen an der Osterfeier in Wiesbaden nicht einverstanden war, sie nach ihrer Rückkehr geschlagen habe.
(OV)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Geheimer Bericht über die seelsorgerische Betreuung der Zwangsarbeiter aus Osteuropa, 15. Juli 1943“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4685> (Stand: 15.7.2020)
Ereignisse im Juni 1943 | Juli 1943 | August 1943
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