Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Feldpostbriefe und -karten des Jägers Karl Ulmer aus Marburg an seine Familie, 1918

Abschnitt 1: 2.2.1918: Brief von Anton an Karl Ulmer


Orchies, d. 2. Febr. 1918 (Brief: Feld. Leutnant u. Leiter der Minenwerferabteilung Ulmer [..] an Jäger Karl Ulmer […])

Mein lieber Karl!

Deinen lieben Brief vom 23.I. der erst ans Regiment gegangen ist habe ich erhalten. Auch habe ich in der Zwischenzeit auch einen Brief von Kurt und Else erhalten. Den nächsten Brief erhält nun Kurt und dann Else. Wie sie einlaufen so werden sie von mir beantwortet. Jetzt müßt ihr nun meine neue Adresse schreiben, wie sie hinten auf dem Brief steht, sonst gehen die Briefe immer erst ans Regiment und dadurch verzögert sich die Sendung um 2 Tage. Wie ich nun mein lieber Karl aus Deinem Brief erfahre, so bist Du noch in Marburg. Versäumen wirst Du nichts, denn es ist immer noch besser zu Hause als an der Front. Aus den Briefen an Mutter ./. wirst Du mein lieber Karl erfahren haben, daß ich wieder gut aufgehoben bin. Ich habe wieder eine selbstständige Stellung und zwar ist bei den Gardefeld[…] eine besondere Abteilung die unter meiner Leitung zum Minenwerfen ausgebildet werden. Habe noch einen Offiziersstellvertreter bei mir, davon 4 Utfz und 4 Gefreite als Ausbildungs[…]. Auch haben wir eine eigene Musikkappelle beim Depot, nochmal so stark als wie dort beim Jägerbataillon. Es ist die Kapelle von der Kadettenanstalt in Großlichterfelde1, welche dem Depot überwiesen ist. Jeden Abend muß dieselbe von 5-6 auf dem Marktplatz Konzert machen. Mittwoch und Sonnabend Abend haben wir sie im Kasino. Außerdem steht sie bei Übungen zum Abholen zur Verfügung. Sonst ist das Städtchen ganz verwüstet. Ich hatte Mutter ./. geschrieben, daß ein Drittel niedergebrannt sei, habe mich aber gerade überzeugt und festgestellt, daß zwischen […] 1 stehengeblieben ist und zwar von uns beim Vormarsch verwüstet, da ein Krankentransport vermisst wurde und […] die Verwundeten mit dem Personal tot in den Kellern gefunden wurde. Zivilpersonen sind ganz wenige hier. Unsere Division liegt bei Lenz2 Lieber Karl ich hatte an Mutter geschrieben daß ich das Geld monatlich 200 M an die Waffenverwaltung dort überwiesen habe, hat Mutter mal nachgefragt? Wie ich nun aus Mutter ihrem Brief gesehen habe, so hast Du Lust [Jeganier] zu machen. Schreibe mir mal [nä]heres darüber und wo die Sch[…]slbildung sein wird. Für heut will ich mein lieber Karl schließen in der Hoffnung, daß Du noch lange in Marburg bleiben kannst und mir bald mal wieder schreibst. Will mal sehen, ob ich April Urlaub erhalten kann. Viele Grüße an Mutter Kurt Else und Dich Dein lieber Vater.


  1. Heute eingemeindeter Ort zwischen Berlin und Potsdam.
  2. Lens, etwa 40 km von Lille im Norden Frankreichs gelegen.

Personen: Ulmer, Anton · Ulmer, Else · Ulmer, Karl Heinrich Christian · Ulmer, Kurt · Ulmer, Wilhelmine
Orte: Groß-Lichterfelde · Marburg
Sachbegriffe: Feldpost · Feldpostbriefe · Fronturlaub · Kasino · Minenwerfer · Regiment · Leichen · Zerstörung
Empfohlene Zitierweise: „Feldpostbriefe und -karten des Jägers Karl Ulmer aus Marburg an seine Familie, 1918, Abschnitt 4: 2.2.1918: Brief von Anton an Karl Ulmer“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/98-1> (aufgerufen am 01.05.2024)