Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Briefwechsel des Roßdorfer Musketiers Joseph Preis mit seiner Mutter, 1914-1915

Abschnitt 21: 1.5.1915: Brief der Mutter anJoseph Preis

Roßdorf, den 1ten Mai 1915

Mein innigstgeliebter Josef!

Ich habe heute Deine Karte erhalten, welche Du am 26ten geschrieben hast, und daran gesehen, daß Du nach nach den schrecklichen Tagen von Ypern noch gesund bist. Ach wie bete ich so insbrünstig zum lieben Gott und allen Seinen Heiligen, daß er Dich mir erhalte. [S. 15]

Heute morgen war eine hl. Messe zur schmerzhaften Mutter Gottes für Dich; morgen ist ein Amt zu Ehren des hlst. (heiligsten) Herzens Jesu für alle Krieger im Feld, die habe ich auch gegeben, und dann sind in der kommenden Woche noch 3 Ämter für Dich, zu Ehren der immer währenden Hilfe, des hl. Josef und des hl. Antonius; das hl. Meßopfer ist das Er-habendste und Wertvollste, was wir dem lieben Gott darbringen können; dieses Opfer muß er doch gnädig ansehen und unsere Bitte anhören.

Ach mein geliebtes Kind ! Opfere dem lieben Gott alle Strapazen, allen Kummer und alle Leiden und Ängsten auf, die Du durchmachen musst, dann wird uns der liebe Gott sicher erhören, denn er ist ja doch der Allgütige Vater.

Ach, mein geliebtes Kind ! Wer hätte des voriges Jahr gedacht, wo - auf morgen wird's ein Jahr - wo Dein lieber Bruder Georg sagte, Mutter, aufs Jahr im Mai habt Ihr keine 3 Jungen mehr, wo wir alle drei so weinten; wer hätte gedacht, daß Dein lieber Bruder Franz so schnell sterben könnte; wie der so kräftig und so lebenslustig war; wenn ich das alles bedenke, mein ich, ich müßte vergehen, bis ich zu dem Gedanken komme an Ihren schönen Tod, dann bin ich wieder getrost, denn schöner und erbauender konnten sie doch nicht sterben; und was habe ich zwei gute Fürsprecher im Himmel, die lassen mich gewiß nicht verloren gehen, die bitten auch für Dich und stehen Dir bei, Ihrem einzig geliebten Bruder, auf den sie im Leben schon stolz waren.

Mein lieber Josef: Alles Kreuz, was uns der liebe Gott aufgelegt hat, wollen wir geduldig tragen, wenn Du nur wieder heimkommst; und dann wollen wir erst sehen, was wir All Gutes stiften wollen; um dieses einzige Glück wollen wir den lieben Gott inständig bitten, damit er uns dieses gewährt.

Heut Abend ist die erste Maiandacht, jetzt beginnt der schöne Maimonat, da wollen wir jeden Tag noch 3 Gegrüßet seist du Maria extra betet (beten), ich und Du, damit die himmlische Mutter für uns bittet bei Ihrem lieben Sohn, daß er Dich beschützen möge, mein geliebtes Kind, an Leib und Seele, und Dich wieder glücklich heimführe zu Deinem lieben Mütterchen; das wollen wir fest hoffen; jetzt in dem schönen Maimonat wird viel gebetet.

Mein lieber Josef! Ich habe heute Butter geschickt und Leberwurst. Schreib, ob Du die Leberwurst auch gern issest, sonst brauche ich Dir gar keine zu schicken. Dem Johannes habe ich heute auch wieder eins geschickt; dem schicke ich jede Woche eins. Ich lege Dir 2 Mark in den Brief; schreib, ob ich immer noch Geld so fortschicken soll, alle Woche paar Mark.

Ich will nun schließen in der festen Zuversicht auf ein frohes Wiedersehen. Sei herzlich gegrüßt, im Geiste umarmt und geküßt von Deinem Dich ewig liebenden Mütterchen.


Personen: Preis, Joseph · Preis, Anna
Sachbegriffe: Feldpost · Feldpostbriefe
Empfohlene Zitierweise: „Briefwechsel des Roßdorfer Musketiers Joseph Preis mit seiner Mutter, 1914-1915, Abschnitt 27: 1.5.1915: Brief der Mutter anJoseph Preis“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/74-21> (aufgerufen am 27.04.2024)