Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Briefwechsel des Roßdorfer Musketiers Joseph Preis mit seiner Mutter, 1914-1915

Abschnitt 19: 28.4.1915: Brief der Mutter an Joseph Preis

Roßdorf, den 28. 4. 1915

Mein lieber guter Sohn Josef!

Am Montag habe ich einen Brief bekommen vom vorigen Montag und dann eine Karte vom Mitwoch, sonst habe ich noch nichts wieder bekommen. Ach, da habe ich gar keine Ruhe, weil in der Gegend viel gekämpft wird. Ach mein liebes Kind, wir wollen nicht verzagen, der liebe Gott, er wird Dich schon beschützen. Ich lasse doch immer hl. Messen für Dich halten und bete unablässig für Dich, mein geliebtes Kind, da muß uns ja der liebe Gott doch erhören, denn er hat doch selbst gesagt: "Bittet, und Ihr werdet empfangen", so wird er auch uns geben, um was wir Ihn bitten. Ach, wenn er uns noch einmal zusammenführte, kein größeres Glück könnte ich mir auf der Welt nicht denken, dann wollte ich alles Kreuz und alles Leid vergessen, und dem lieben Gott wollte ich danken, wie, das weiß ich jetzt noch nicht all. Wir wollen ein festes Vertrauen auf den lieben Gott setzen und mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Ein festes Gottvertrauen belohnt der liebe Gott.

Heute will ich dem Herrn Pfarrer wieder 3 Ämter bringen, zu Ehren des hl. Herzens Jesu, der immerwährenden Hilfe und des hl. Josef. Dem Herrn Pfarrer in Gau-Odernheim will ich auch wieder 20 Mark schicken zu hl. Messen. Was können wir sonst thun, hier auf der armen Welt; für mich hat sie ja gar keinen Werth mehr ohne Dich mein geliebtes Kind. Mein lieber Josef! Ich lege dir 2 Mark bei; eine Mark habe ich bei die Fußlappen gelegt, die schicke ich Dir heute; ich wußte nicht, wie sie sein sollten, da habe ich 2 paar große und 3 paar kleine geschnitten; Du hast ja eine Schere, kannst je abschneiden, wenn sie zu groß sind. Gestern hab ich Dir ein Paketchen mit Butter geschickt und eins mit Bratwurst; heute morgen ist ein Paketchen von Kirchhain fortgegangen mit Fleischwurst, die hatte ich bestellt; und heute schicke ich Dir noch einen Kuchen.

Mein lieber Josef! Ist denn der Karl Seibert wieder bei Euch? Der war doch mal weg von Euch; die Seiberts fragten mich, ob er wieder bei Dir wäre, er hätte an seine Schwester geschrieben aus Flandern aus dem Schützengraben.

Schreib mir noch mal paar Namen, die bei Dir sind. Gestern war ich auf der Amöneburg bei den Schwestern, die hatten auch eine Karte von Dir erhalten, worüber sie sich freuten. Sie wollten Dir auch wieder mal schreiben.

[S. 14] Mein lieber Josef! Ich hab Dir ja schon mal auf Deinen Brief geschrieben, was Du da wolltest mit der Fahne; das wollen wir erst mal lassen, bis Du wiederkommst, dann kann man die Sache besprechen; so eine Fahne die kostet 500 Mark und ist dann doch grad kein religiös guter Zweck, es ist mehr ein weltlicher. Nun, darüber wollen wir weiter nicht sprechen, bis Du wiederkommst.

Mein lieber Josef! Gelt Du wirst keine Zeit haben, jeden Tag zu schreiben, aber eine Karte hast Du da schnell geschrieben; oder gehen jetzt die Briefe länger, weil Ihr Eure Stellung gewechselt habt. Ich will nun schließen. Sei herzlich gegrüßt, im Geiste umarmt und geküßt von Deinem Dich liebenden Mütterchen. Leb wohl auf ein frohes Wiedersehn.


Empfohlene Zitierweise: „Briefwechsel des Roßdorfer Musketiers Joseph Preis mit seiner Mutter, 1914-1915, Abschnitt 19: 28.4.1915: Brief der Mutter an Joseph Preis“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/74-19> (aufgerufen am 08.05.2024)