Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Briefwechsel des Roßdorfer Musketiers Joseph Preis mit seiner Mutter, 1914-1915

Abschnitt 17: 18.4.1915: Brief des Joseph Preis an seine Mutter

Liebe Mutter I

Habe gestern Abend Euren Brief und das Päckchen mit Wurst erhalten. Auch habe ich vorgestern die Zigarren, Spitze, Honig und die par Mark gekriegt, was mich sehr freute. Liebe Mutter, ich kriege jetzt alles; auch danke ich Euch, daß Ihr für mich noch allein ein Schwein schlachten wollt. Nur das Paket, daß Ihr mit den ersten fortgeschickt habt, wo die Bilder drin lagen und das, wo Ihr mir schreibt, hättet mir Kongnack (Cognac) geschickt, habe ich noch nicht kriegt.

Liebes Mütterchen, dürft mir auch mal Weihwasser schicken, auch mal was zu trinken. Wie ich aus Ihrem Briefe ersehen habe, gedenkt Ihr nicht im Stande zu sein, mich zu besuchen. Ich wills Euch auch nicht verdenken, denn es war mir selbst nicht einerlei, wenn Ihr die Reise unternommen hättet.

Liebes Mütterchen, wir müssen auf den lieben Gott vertrauen; er kann ja, wenn Ihr mich vieleicht in drei Wochen besuchen wollt, auch schon abberufen haben, denn ich bin ja keinen Augenblick sicher. Also fast Vertrauen auf den allgütigen Vater im Himmel, denn nur er allein kann uns wieder zusammenführen und des(i)o länger es dauert, umso größer ist unsere Freude. Liebes Mütterchen, und dann wollen wir aber ein Freudenfest zusammen feiern, wie Ihr noch keins gehabt habt. Ich glaube sicher, daß Euch der liebe Gott noch das Glück bereitet, wo Ihr immer nur Kreuz getragen habt. Laßts auch mit dem Gesuch um Urlaub; wenn ich wirklich vierzehn Tage kriege, bin ich 10 Tage kaum zu Hause und dann, liebes Mütterchen, wie wird der Abschied werden. Ich kann Euch nicht beschreiben, wie mir mein Herz wurde, wie ich Euch in Gimbsheim zurücklassen musste, und überhaupt in der ersten Zeit, und Euch wird's gerade so gewesen sein. Kriegte ich vielleicht 5-6 Wochen, so wüßt Ihr, wies hier geht; ich bin fast mit den Letzten in die Kompagnie gekommen, und dies rechne ich mir auch nicht als richtig, denn es ist Gewissenspflicht von mir, auszuhalten, wie jeder andere, denn die Fälle hat man jetzt häufig. Ihr glaubt gar nicht, wie nötig, daß jeder einzelne Mann hier ist. Wir liegen wieder im Graben. Heute hatten wir wieder schweres Feuer. Hier hört Ihr nichts als Kanonendonner und Gewehrfeuer. Über uns sausen unsere Granaten und unter uns schlagen die feindlichen ein. Und dann noch der Luftkrieg. Heute wars ganz drüber hin. Zu unserm Bedauern wurde auch ein deutscher von einem französischen runter geschossen; er konnte aber noch bis über unseren Graben kommen, um zu landen. Der Gegner ist furchtbar hartnäckig; jetzt hat er auch wieder frischen Ersatz kriegt, nämlich Schottländer Elitetruppen. Liebe Mutter, mit der Zeit wird man aber alles gewohnt. Jetzt dürfen mir schon mal die Kugeln um die Ohren fliegen, da bleibe ich kalt bei. Hoffentlich habe Ihr auch wieder die Gräber meines lieben Vaters und ... wieder schön in die [S. 12] Reih gemacht. Ist denn dem Franz sein Kranz auch schön? Heißt denn die Inschrift auch wie bei Richard Sch......oder wie bei jedem gewöhnlichen. Wollt Ihr denn dies Jahr noch ein

Denkmal errichten lassen; ich glaube machts nächstes Jahr. Laßt aber ein schönes machen; es darf mal tausend Mark kosten und nur eins für die beide und.... Liebes Mütterchen, wolltet Ihr nicht auch meinem lieben Bruder Georg noch ein Andenken stiften? Wenns auch mein Wille ist, so könnt Ihrs doch tun, wenn ers gewollt hätte. So könnt Ihr dem Jünglingsverein in Roßdorf eine Fahne stiften. Ach, würde mir das eine Freude machen, und ihm noch viel mehr. Hat er doch stets eine große Rolle im Verein gespielt, so wird ihm dies noch ein unvergeßliches Andenken wahren. Der hat ja genug hinterlassen, und die par hundert Mark und auch keinen Abtrag; Ihr habt ja sonst kein Geld mehr nötig für uns. Laßt aber seinen Namen reinmachen. Laßt sie gerade machen wie die Schröcker, daß sie zu Hause nicht zurückstehen.

Wenn sie eine neue Fahne kriegen, so wird auch wieder neues Leben erwachen im Verein. Liebe Mutter, ich denke nur an meinen armen Bruder. Seht mal; besprecht Euch mit dem Herrn Kaplan, obs nicht gleich geht, daß sie schon Pfingsten, weil er vergangene Pfingsten gestorben ist, nicht schon eingeweiht werden kann.

Liebes Mütterchen, die eine Bitte gewährt Ihr mir. Für mich braucht Ihr ja nichts zu machen, wenn blos ein Andenken in Eurem Herzen bewahrt bleibt. Ich habe ja die feste Zuversicht, daß ich wieder in Eure Mutterarme zurückkomme. In der Hoffnung, daß Ihr meinen Wunsch gewährt, verbleibe ich Euer unvergeßlicher Sohn Joseph.


Personen: Preis, Joseph · Preis, Anna
Sachbegriffe: Feldpost · Feldpostbriefe
Empfohlene Zitierweise: „Briefwechsel des Roßdorfer Musketiers Joseph Preis mit seiner Mutter, 1914-1915, Abschnitt 24: 18.4.1915: Brief des Joseph Preis an seine Mutter“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/74-17> (aufgerufen am 27.04.2024)