Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Briefwechsel des Roßdorfer Musketiers Joseph Preis mit seiner Mutter, 1914-1915

Abschnitt 15: 15.4.1915: Brief des Joseph Preis an seine Mutter

Liebe Mutter !

Will Euch wieder kurz par Zeilen mitteilen. Es geht mir noch gut, was ich auch von Euch, liebes Mütterchen, hoffe. Liebe Mutter, wir sind jetzt wieder in Rombeken(6), können aber jeden Tag wegkommen, denn wir liegen hier stets in Alarmbereitschaft. Wir wurden heute Nacht schon mal alarmiert; um 12 Uhr rückten wir ab. Da sind wir marschiert bis 5 Uhr nüchtern, dann gabs erst Kaffee; dann gings wieder kehrt und um 10 Uhr kamen wir wieder nach Rombeken. Liebe Mutter, das war aber nur Probealarm, denn damit es, wenns los geht, auch alles klappt. Die Strapazen werden immer schwerer, liebes Mütterchen, und was drückt der Tornister, besonders wenns so warm ist. Ich habe alles raus gemacht, was mir übrig ist. Ich habe Euch die wasserdichte Hose und Weste und auch die andere Weste geschickt. Ich habe Eure Pakete alle erhalten und auch die par Mark. Ach was bin ich jedes Mal so froh, wenn ich was von Euch erhalte; ich meine gerade, Ihr kämt selbst zu mir. Liebes Mütterchen, was habe ich eine Sehnsucht nach Euch. Es ist kein Mensch auf der Welt, wo ich Trost suchen kann; ach wie glücklich fühlte ich mich doch so glücklich an Eurer Seite; wenn wir doch das Glück wieder haben könnten. Liebes Mütterchen, es mag ja noch so schlecht gehen, wenn ich doch blos Euch wieder kriegte, dann wäre ich wieder zufrieden. Wenn es aber anders kommen sollte, liebes Mütterchen, dann fügt Euch auch; verzagt nicht, dann wollen wir auch für Euch beten, daß Ihr auch bald bei uns kommt. Liebes Mütterchen, vergeßt mich aber auch nicht, wenn ich vieleich (vielleicht) fallen sollte und werde dann in Feindesland, wer weiß wo und wie begraben, so ist das anders, als wenn ich zu Hause am Friedhof liege, wo man jeden Tag hin und her geht.

Auch dann, wenn Ihr nicht wüßt, wo mein armer Leichnam liegt; dann darf ich auch nicht eher vergessen werden, das tut Ihr ja auch nicht, denn dafür bin in Euch ja viel zu lieb. Liebes Mütterchen, bittet doch den lieben Gott, daß ich Euch noch mal sehe. Ich habe ja auch noch keinen andern Glauben gehabt, als daß ich Euch wieder kriege.

[S. 10] Liebes Mütterchen, ich muß nun schließen; ihr glaubt gar nicht, wie wenig Zeit uns zum Schreiben übrig bleibt. Seid herzlich gegrüßt, im Geiste geküßt von Eurem lieben Sohn Joseph.


Personen: Preis, Joseph · Preis, Anna
Empfohlene Zitierweise: „Briefwechsel des Roßdorfer Musketiers Joseph Preis mit seiner Mutter, 1914-1915, Abschnitt 15: 15.4.1915: Brief des Joseph Preis an seine Mutter“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/74-15> (aufgerufen am 02.05.2024)