Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Der amerikanische Komponist John Cage unterrichtet bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt, 3.-9. September 1958

Der US-amerikanische Komponist John Cage (1912–1992) unterrichtet bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt und bestreitet mehrere öffentliche Auftritte, bei denen er gemeinsam mit dem Pianisten David Tudor (1926–1996) musiziert und vorträgt.

Uraufführungen, Vorträge und Zigaretten

Am 3. September führen Cage und Tudor auf Schloß Heiligenberg in einem Konzert für zwei Klaviere deutsche Erstaufführungen von Stücken von Cage (Music for 2 Pianos/1953, Variations I/1958 und Winter Music/1957), Earle Brown (Four Systems. Version for Two/1954), Morton Feldman (Duo for Pianists I/1957) und Christian Wolff (Duo I/1957, Duo II/1958) auf. Am selben Ort veranstalten die beiden am 6., 8. und 9. September sogenannte Studios, bei denen Cage parallel zu einer Anzahl von Tudor intonierter Musikstücke am 6. zu Changes (simultan zu der eigenen Komposition Music of Changes/1951), am 8. zu Indeterminacy (mit Musik von Karlheinz Stockhausen und dem eigenen Variations) und am 9. zu Communication (mit Bo Nilssons Quantitäten/1958 und Christian Wolffs Music for prepared Piano/1951) referiert. Während der Vorführung von Communication konsumiert Cage eine ganze Schachtel Zigaretten, die er nach dem Zufallsprinzip länger oder kürzer brennen läßt und so zur Strukturierung und Manipulation seines Vortrags benutzt.1

Cages Besuch bei den Ferienkursen und seine Aufführungen werden stark beachtet und finden lebhaften Nachhall in der Presseberichterstattung. So schreibt beispielsweise ein Autor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über das am 9. September aufgeführte Studio Communication (Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13. September 1958):

Was ist das: in der akustisch hergerichteten Turnhalle eines süddeutschen Schlosses sitzen etwa zweihundert meist junge Menschen. Vor ihnen auf dem Podium stehen Harfe, Vibraphon, Flügel und Tisch. Ein schlanker, asketisch aussehender Mann setzt sich an den Tisch, ein kleiner brillentragender Mann an den Flügel, Der am Tisch liest einen englischen Text vor, in dem von Neuer Musik, chinesischer Philosophie, Meister Eckardt, Zahlen, Konservatorien, Lastkraftwagen . und anderem die Rede ist. Während des Vortrages entstehen Pausen, in denen sich der Redner – mitten im Satz – umständlich Zigaretten anzündet (insgesamt zwölf), um sie sofort wieder zu löschen. Der am Flügel schlägt Töne und Akkorde an. Manchmal gibt ihm der Redner zu einem längeren Stück das Wort, und man hört eine Musik von räumlich und zeitlich auseinandergezogenen Tönen. Was ist das?2

Cage selbst bewertet rückblickend seine Teilnahme an den Kursen als Wendepunkt in der Rezeption seines kompositorischen und künstlerischen Schaffens in Europa: „As late as [1954] David Tudor and I were thought to be idiots, [but] in 1958 there was a marked change [since that year] we were taken quite seriously – for the most part“.3


  1. Vgl. Grassl, Markus / Kapp, Reinhard (Hrsg.): Darmstadt-Gespräche – die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Wien, Wien [u. a.] 1996, S. 51.
  2. Der Mitschnitt des Studios Communication vom 9. September 1958 erscheint im November 2012 im Musikverlag NEOS Music GmbH unter dem Titel „Darmstadt Aural Documents • Box 2 • John Cage – Communication“, Katalog-Nr. 11213, EAN: 4260063112133 (Stand: 22.08.2012).
  3. Zitiert nach Beal, Amy C.: David Tudor in Darmstadt, in: Contemporary Music Review Vol. 26 (2007), No. 1, pp. 77-88, p. 81.
Belege
Empfohlene Zitierweise
„Der amerikanische Komponist John Cage unterrichtet bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt, 3.-9. September 1958“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4761> (Stand: 27.11.2022)
Ereignisse im August 1958 | September 1958 | Oktober 1958
Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30