Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Der „Südwestdeutsche Rundfunkdienst“ (Radio Frankfurt) strahlt seine erste Sendung aus, 1. April 1924

Mit Beethovens Egmont-Ouvertüre eröffnet um 20:30 Uhr das Radio Frankfurt als vierter Sender des deutschen öffentlichen Rundfunks sein Rundfunkprogramm. Bereits am Vortag ist im Rahmen eines eigens zu diesem Zweck veranstalteten „Radio-Balls“ die Übergabe des Frankfurter Senders an die Öffentlichkeit mit der ersten Vorführung des Frankfurter Senders mittels Lautsprecher (so die „Radio-Umschau“, das offizielle Nachrichtenblatt der den Sender betreibenden Radiogesellschaft) erfolgt.

Für die von den Empfangsgerätebesitzern zu entrichtende (und zu zwei Fünftel an die Reichspost gehende) monatliche Nutzergebühr von zwei Mark bietet das Sendeprogramm im ersten Sendejahr um die Mittagszeit eine 15-minütige Nachrichtensendung, nachmittags zwischen 16:30 und 18 Uhr Unterhaltungsmusik und schließlich um 20:30 Uhr das „Tageskonzert“. Nach Ende des Hauptprogramms wird Tanzmusik gesendet. Einmal wöchentlich um 19:30 Uhr gibt es einen Radio-Vortrag. An die jüngsten Radiohörer richtet sich der „Märchenonkel“. Im April wird eine erste Literatursendung ausgestrahlt; am 4. Mai gibt der Sender die Ergebnisse der Reichstagswahl bekannt. Übertragungen von Aufführungen in der Frankfurter Oper stehen ab September auf dem Programm. Während des ersten Betriebsjahres überschreitet die tägliche Sendezeit von Radio Frankfurt allerdings kaum einen Rahmen von drei bis fünf Stunden.

Zum Kreis der Gründer des mit einer Kapitalbasis von hundert Billionen Papiermark unter dem offiziellen Firmennamen „Südwestdeutsche Rundfunkdienst AG“ Anfang Dezember 1923 ins Leben gerufenen Radios zählen der Chemiefabrikant Carl Adolf Schleussner (1895–1959; Hauptaktionär des Radios), der mit Schleussner befreundete Friedrich „Fritz“ von Opel (1899–1971; an einer Fabrikationsfirma für Radiogeräte in Eschersheim beteiligt), der Frankfurter Physikprofessor Richard Wachsmuth (1868–1941) und sein Assistent Peter Lertes (der sich auf die Konstruktion von Rundfunkempfängern spezialisiert hat; „Der Radio-Amateur“), der Darmstädter Ingenieur Ernst Meyer und der Kaufmann Paul Wanderey.1 Gegenstand des Unternehmens ist gemäß den Statuten des Gesellschaftsvertrags „die Veranstaltung und drahtlose Verbreitung von Vorträgen, Nachrichten und Darbietungen künstlerischen, belehrenden, unterhaltenden sowie sonst weitere Kreise der Bevölkerung interessierenden Inhalts in Frankfurt am Main und weiterem Umkreis“. Die Gesellschafter haben der Stadt Frankfurt einen eher symbolischen Anteil von 2 % des Aktienkapitals überlassen, sodass auch die Öffentlichkeit in der Person des jetzigen Stadtrates und späteren Oberbürgermeisters Ludwig Landmann (1868–1945) im Aufsichtsrat des Unternehmens vertreten ist. Ein weiteres wichtiges Bindeglied im Aufsichtsgremium ist Ernst Ludwig Voss (1880–1961), der als Legationsrat im Auswärtigen Amt maßgebliche Kraft bei der Einführung des Sprechfunks im wirtschaftlichen Nachrichtenverkehr war, als Gründer (und Hauptanteilseigner) der Rundfunkproduktionsfirma „Deutschen Stunde GmbH“ in Bayern und Mitbegründer der ersten regionalen deutschen Rundfunkgesellschaft, der Nordischen Rundfunk AG (NORAG) in Erscheinung trat und über gute Kontakte zum Reichspostministerium verfügt. Die Reichspost übt von Beginn an erheblichen Einfluss auf alle deutschen Radiosender aus, entscheidet über die Vergabe der Sendelizenzen und wird die Rundfunkbetriebe später dazu zwingen, jeweils 51 % ihres Aktienkapitals abzutreten.
Zunächst dient die Fotoartikel-Fabrik der Familie Schleussner in der Elbestraße als Verwaltungssitz des Senders. Im Februar 1924 erfolgte die Eintragung des Senders als private Aktiengesellschaft in das Frankfurter Handelsregister.

Auf dem Dach des Postscheckamtes an der Stiftstraße wurde zwischen zwei Masten die 48 Meter lange Sendeantenne montiert. Sie gewährt, dass der Sendebezirk des Südwestdeutschen Rundfunks (der auch die heutigen Länder Rheinland-Pfalz und das Saarland umfasst) mit den zum Radioempfang notwendigen Signalen versorgt wird. Der erste Studioraum von Radio Frankfurt und die Sendeanlage („Sender Frankfurt I“) findet im fünften Stock des Postscheckamtes seinen Platz. Bereits ab Mitte März wurde die Sendeanlage in einer Reihe von Probesendungen auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Die Sendeversuche wurden jeweils mit der Ansage eingeleitet: „Achtung, Achtung, hier ist der Rundfunksender der Reichstelegraphen-Verwaltung Frankfurt am Main auf Welle 460“.
(KU)


  1. Später stoßen weitere Aktionäre des Radios zu dieser Gründergruppe hinzu.
Belege
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.9.1983, S. 42: „Plötzlich riß ich das Mikrophon vom Ständer...“ Wie Radio Frankfurt die Möglichkeiten des neuen Mediums Rundfunk erkundete / Von Bernd Häußler
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.3.1984, S. 39: Studio im Postscheckamt und zwei Mark Gebühren: Seit sechzig Jahren Rundfunk in Frankfurt / „Ein Programmtag aus fünf Stunden am Anfang“
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.4.1994, S. 47: Oberbürgermeister Landmann hörte im Schlafzimmer Radio: Vor 70 Jahren begann in Frankfurt das Rundfunk-Zeitalter / Anfangs ein Medium für Großverdiener und Schwarzhörer
Weiterführende Informationen
Hebis-Klassifikation
882140 ,Rundfunk
Hebis-Schlagwort
Hessischer Rundfunk ; Geschichte 1923-1926
Empfohlene Zitierweise
„Der „Südwestdeutsche Rundfunkdienst“ (Radio Frankfurt) strahlt seine erste Sendung aus, 1. April 1924“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/584> (Stand: 22.11.2020)
Ereignisse im März 1924 | April 1924 | Mai 1924
Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30