Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918

Abschnitt 10: Weiteres Vorrücken in Frankreich

[14-15] Um 5 Uhr stand das Bataillon am 31. August marschbereit. Aber es wurde 7 Uhr, ehe der Befehl zum Marsch nach Rethel1 zur Verfügung des Generalkommandos eintraf. Bei Menil2, etwa 10 km südöstlich Rethel war stärkere feindliche Infanterie und Artillerie gemeldet. Das Bataillon wurde vorgezogen und entwickelt. In schwachem feindlichen Infanteriefeuer und heftigem Granatfeuer der ekligen französischn 75 mm-Geschütze arbeiteten sich die Kompagnien vor. Um 7 Uhr abends war der Ort unser. Die Verluste waren nicht unbeträchtlich: Hauptmann Claaßen, Leutnant v. Seebach und Leutnant d.R. Manger verwundet, letzterer tödlich; 1 Jäger tot, 1 Oberjäger, 7 Jäger verwundet. Die Führung der 4. Kompagnie übernahm Leutnant Prinz zur Lippe. Lange wartete man auf Befehl zum weiteren Vormarsch. Statt seiner kam um 9 Uhr 30 Befehl, Ortsbiwak in Ménil zu beziehen.

Am 1. September wurde die Division schon 4 Uhr 30 bereitgestellt. Doch auch jetzt unterblieb zunächst der Weitermarsch, vielmehr erhielt das Bataillon den Befehl, die Höhe 164 nordwestlich Ménil besetzt zu halten, bis das 8. Korps rechts und das 19. Korps links heran sein würden. Die Kompagnien gruben sich ein. Die Radfahrkompagnie legte vor der Stellung des Bataillons eine Scheinstellung an. Aber schon um 1 Uhr mittags wurde der Vormarsch fortgesetzt. Das Bataillon entwickelte sich zum Angriff auf Pauvres3: 1. und 4. Kompagnie in vorderer Linie, dahinter 2. und 3., sowie mit 300 Meter Abstand die Maschinengewehr-Kompagnie. In die vorgehenden Schützenlinien fegten sogleich feindliche Schrapnells aus Front und Flanke. Beschleunigt wird in Sprüngen dem Feind zu Leibe gerückt. Aber schon baut er ab. Um 8 Uhr abends ist der Ort in der Hand der Jäger – doch wie sahen die Quartiere aus! Alles beschmutzt und besudelt von den französischen Truppen, so daß erst einmal gründlich sauber gemacht werden muß, bevor zur Ruhe übergegangen werden kann. Gefallene hatte das Bataillon nicht zu beklagen, wohl aber waren 1 Oberjäger und 11 Jäger verwundet worden.

Die Radfahrkompagnie trat zu einer fliegenden Kolonne unter dem Befehl des Majors v. Arnim, die aus 4 Husarenschwadronen und [S. 15] 1 Batterie bestand. In ihrem Verband marschierte sie noch am Abend über Bignicourt4 nach Juniville5, wo sie Ortsbiwak bezog.

Am Sedanstag6hatte das Bataillon wieder die Ehre, den Vortrupp der Vorhut zu bilden mit der 1. Kompagnie als Spitzenkompagnie. Gleich nach dem Antreten um 7 Uhr 30 morgens schickte die feindliche Artillerie ihre Grüße, verstummte dann aber bald. Allen Meldungen zufolge hatte der Feind es mit dem Rückzug sehr eilig und flutete in das Lager von Chalons7 zurück. Gleichwohl platzten, als die Vorhut unter Führung des Bataillonskommandeurs Graf v. Soden über Machault marschierend, der Gegend von Betheniville8 und damit dem Flüßchen Suippes sich näherte, wieder Schrapnells über der Marschkolonne und zwangen zum Verlassen der Straße und zum Auseinanderziehen des Bataillons. Gegen Mittag konnte auf der Straße gesammelt und der Vormarsch in der Glut des Spätsommertages fortgesetzt werden. Aber schon nach einer Stunde bannte ein Divisionsbefehl die Jäger wieder von der Straße, die für das westlich verschobene 19. Armeekorps freigemacht werden mußte. Durch Waldstücke ging's immer weiter und, nachdem um 8 Uhr aus den Feldküchen der allmählich deutlicher sich meldende Hunger befriedigt war, als rechte Seitenkolonne der Division zusammen mit Infanterie-Regiment 182, 1. Abteilung Feldartillerie-Regiments 12 und einer Schwadron Husaren-Regiments 20 über St. Martin l 'Heureux–Dontrien nach Aubérive, wo um 1 Uhr nachts Biwak bezogen wurde. Sofort lag alles in tiefstem Schlaf und nicht einmal die Ankunft eines der requirierten Autos mit dem heißersehnten Brot machte Eindruck.

Die Radfahrkompagnie hatte ihr Weg im Verbände des Detachements v. Arnim auf dem rechten Flügel des Armeekorps zunächst über Aussonce nach Heutrégiville geführt, wo sie 2 französische Infanteristen und 1 Zuaven „schnappte". Beim weiteren Vorgehen schlug den Husaren aus Epoye Feuer entgegen und das Detachement bog nun nach Osten ab, um über Selles Pont-Faverger zu erreichen und dort zu biwakieren, während die Artillere das Feuer auf Epoye eröffnete.


  1. Rethel, französische Stadt an der Aisne, nordöstlich Reims.
  2. Heute Ménil-Annelles, Ort südöstlich Rethel.
  3. Ort etwa 4 km südöstlich Ménil.
  4. Bignicourt, Ort östlich Juniville.
  5. Juniville, Ort im Département Ardennes, südlich Rethel.
  6. Sedanstag. Im Kaiserreich am 2. September gefeierter Gedenktag an die entscheidende Schlacht im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71.
  7. Châlons-en-Champagne, Hauptstadt des Départements Marne.
  8. Bethéniville, Ort an der Suippes, östlich Reims.

Personen: Henn, Willi
Orte: Westrozebeke · Roeselare · Herborn
Sachbegriffe: Feldpost · Feldpostbriefe · Lazarette · Schützengräben · Verwundete · Krankenpfleger · Lazarettzüge
Empfohlene Zitierweise: „Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918, Abschnitt 135: Weiteres Vorrücken in Frankreich“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/10-10> (aufgerufen am 27.04.2024)