Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Entdeckung eines Waffendepots in der Frankfurter Wöhlerschule, 16. Juli 1921

Im Heizungskeller der in der Lessingstraße im Frankfurter Stadtteil Westend gelegenen Wöhlerschule werden 500 als Gesteinsproben für das Senckenberg-Museum getarnte einsatzfähige Gewehre entdeckt.

Es handelt sich dabei um eines der zahlreichen Waffenverstecke, die von angehörigen der Reichswehr oder Mitgliedern sogenannter Bürgerwehren nach der Besetzung des Rheinlandes durch französische und belgische Truppen am Rand der entmilitarisierten gezielt angelegt werden.

Der Fund des „reaktionären Waffenlagers“ erregt reichsweit großes Aufsehen. Zugleich wird bekannt, dass weitere Waffenfunde bei der Gastwirtschaft „Bonnie“ in der Eschersheimer Landstraße (versteckt an den Tennisplätzen auf der so genannten Hundswiese) gemacht worden sind. Nachforschungen von Journalisten der sozialdemokratischen Tageszeitung „Volksstimme“ fördern zu Tage, dass sich hinter den angelegten Depots offenbar der hessische Zweig einer „Organisation Escherich“ verbirgt, einem reichsweiten Zusammenschluss konterrevolutionärer Einwohnerwehren. Ein früherer Reichswehrangehöriger und ein Studienrat der Wöhlerschule werden beschuldigt, die Waffen im bayerischen Aschaffenburg besorgt und in Frankfurt verteilt zu haben. Beide sind flüchtig. Der Direktor der Schule, Otto Liermann (1867–1943), stellt sich sofort nach Bekanntwerden des Fundes der Polizei zur Verfügung, um die Ermittlungen zu unterstützen.

Die Wöhlerschule, 1870 von der Frankfurter Bürgerstiftung „Polytechnische Gesellschaft“ gegründet und nach einem ihrer früheren Präsidenten, dem Agrarwissenschaftler und Pädagogen August Anton Wöhler (1771–1850) benannt, zählt zu den renommierten Gymnasien der Stadt Frankfurt und erfreut sich eines guten Rufs (prominente Schüler waren zum Beispiel Walther Rathenau (1867–1922) und die Dirigenten Hermann Abendroth (1883–1956) und Walther Davisson (1885–1973), allerdings fallen zu Anfang der 1920er Jahre einzelne Lehrer und Schüler der Anstalt wiederholt durch ihre Beteiligung an deutschvölkischen Propagandaveranstaltungen auf.
(KU)