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Hessische Biografie

Portrait

Friedrich Wilhelm I. Kurfürst von Hessen
(1802–1875)

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Hessen, Friedrich Wilhelm I. Kurfürst von [ID = 9790]

* 20.8.1802 Philippsruhe, † 6.1.1875 Prag, Begräbnisort: Kassel, evangelisch-reformiert
Kurfürst
Biografischer Text

Der nach dem frühen Kindstod des erstgeborenen Sohnes Wilhelm (1798–1800) in Hanau geborene Friedrich Wilhelm sollte der einzige eheliche Sohn des Kurprinzen Wilhelm (II.) bleiben. Belastet durch die von Anbeginn problematische Ehe der Eltern, die bald nach der Rückkehr aus den von Kurprinzessin Auguste mit den Kindern am väterlichen Hof in Berlin verbrachten Exiljahren der napoleonischen Zeit 1815 vollends getrennt wurde, stand der Prinz zunächst vorrangig unter dem Einfluss der Mutter. Während des im Wintersemester 1815 begonnenen Studiums in Leipzig wurde er dort noch abwechselnd von beiden Eltern besucht. Zur Offiziersausbildung zurück in Kassel, hatte er Kontakte zu dem politisch oppositionellen „Schönfelder Kreis“ der Kurfürstin. Mit dessen Auflösung 1823 schickte ihn der Vater vorerst nach Marburg. 1826 ging er, zunächst zusammen mit der Mutter und Schwester Karoline, zur Fortsetzung des Studiums nach Bonn. Die dort geknüpfte Beziehung zur Frau des Premierleutnants Lehmann, die sich scheiden ließ, um den Prinzen schon 1828, endgültig dann nach der Konversion im Juni 1831 morganatisch zu heiraten, führte zur Entfremdung auch von der Mutter. Die Ehe mit einer nicht standesgemäßen und überdies geschiedenen Frau erschwerte die Situation in Kassel, wohin man die Kurfürstin und den Thronerben zur Beilegung des von der Juli-Revolution ausgelösten Notstands zurückgerufen hatte. Zunächst mit Unterstützung des Kurprinzen war es zur Verabschiedung der Verfassung vom 5. Januar 1831 gekommen, die nicht verhindern konnte, dass der Kurfürst mit seiner verhassten Mätresse ins Exil ging und seinem Sohn Ende September als Mitregenten die Regierungsverantwortung übertrug.

Nach dem blutigen Einschreiten gegen eine Sympathie- Kundgebung für die Kurfürstin in der sogenannten „Garde du Corps-Nacht“ vom 7. Dezember 1831 setzte der Kurprinz mit der Berufung einer Reaktions-Regierung unter dem ursprünglich zum „Schönfelder Kreis“ zählenden Juristen Ludwig Hassenpflug auf eine trotz anfänglicher Fortführung des Reformgesetzgebung zunehmend repressive Politik, die nach Hassenpflugs Sturz 1837 unter den Nachfolgern von Hanstein und Scheffer fortgesetzt wurde. Als der Regent mit dem Tod des Vaters im November 1847 offiziell die Thronfolge antreten konnte, herrschte bereits eine von den vorangegangenen Notjahren angeheizte Krisenstimmung, die sich in der März-Revolution 1848 entladen sollte. Die damit eingesetzte liberale Regierung unter dem Hanauer Oberbürgermeister Bernhard Eberhard wurde nach dem zweiten Revolutionsschub im Herbst 1849 durch ein Krisenkabinett unter dem reaktivierten Hassenpflug ersetzt. Die gegenrevolutionäre Landtagsauflösung mit Ausrufung des Kriegsrechts scheiterte im Herbst 1850 am mit dem Verfassungs-Eid begründeten Widerstand des Offizierkorps, den auch der zum Oberkommandierenden berufene Karl von Haynau nicht brechen konnte. Erst die von der nach Hanau ausgewichenen Regierung erwirkte Bundes-Intervention, der Einmarsch österreichischbayerischer und preußischer Truppen, führte zur gewaltsamen Befriedung des Landes, das zunächst von Bundeskommissaren regiert wurde, dann 1852 eine neue restriktive Verfassung erhielt, in der fortgesetzte Konflikte angelegt waren. Auch die nach einem weiteren Jahrzehnt von der liberalen Opposition mit Unterstützung des Bundes durchgesetzte Wiederherstellung der alten Verfassung konnte nicht verhindern, dass Kurhessen nach dem Sieg Preußens im Krieg von 1866 unter dem Beifall der Liberalen liquidiert und Kurfürst Friedrich Wilhelm, der jegliche Autorität verloren hatte, nach mehrmonatiger Gefangenschaft in Stettin mit der Verzicht-Vereinbarung vom 17. September 1866 auf die zur Sicherung seiner morganatischen Nachkommenschaft erworbenen böhmischen Güter entlassen wurde.

Andrea Pühringer/Eckhart G. Franz

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 166 f.)


Literatur