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Kriegsverherrlichende Rede des Publizisten Maximilian Harden in Frankfurt, 12. Januar 1915

Der deutsch-jüdische Publizist und Herausgeber der politischen Wochenzeitschrift „Die Zukunft“, Maximilian Harden (1861–1927), hält im Saalbau in Frankfurt am Main eine kriegsverherrlichende Rede. Dabei führt Harden aus, dass die Deutschen
das Ungeheure des mit dem gegenwärtigen Kriege im Werden begriffenen Mythos noch gar nicht voll empfinden. Später, wenn die Einzelheiten verwischt sind, die großen Umrisse bleiben, wird man fühlen, dass hier ein Hohes Lied angestimmt wurde, neben dem das Schönste, das je gesungen ward, wie ein kleines friedliches Ammenliedchen klingen wird. Ein Volk, das auf der Landkarte einen verhältnismäßig kleinen Raum sein Eigen nennt, umgeben von einer ungeheuren Welt von Haß und Feindschaft – das ist ein so wundervolles, großes Erlebnis, wie es noch keiner Nation in der Geschichte beschert war. Ein unnützes Beginnen ist der Versuch, nachzuweisen, wir seien im Recht. Vor dem Forum der Geschichte kommt es nicht darauf an, wer einen Krieg angefangen, sondern wer ihn gewonnen hat. Wir alle wollen lieber unter den Flüchen der Nachbarschaft siegen als unter ihren lebenden Attesten geschlagen werden. […]
Harden tritt seit Kriegsbeginn für die Erzielung eines Siegfriedens Deutschlands ein1, allerdings relativiert er diese Haltung unter dem Eindruck des Kriegsverlaufs bereits im Frühling 1915 deutlich und tritt fortan als Befürworter eines Verständigungsfriedens ein. Sein Umschwung hin zu einem verständigungspolitischen Kurs führt im Verlauf der kommenden Kriegsjahre mehrfach zum Verbot der Zeitschrift „Die Zukunft“.

Im Dezember 1915 erklärt die Oberste Heeresleitung, dass die Fortdauer die öffentliche Sicherheit in Deutschland gefährde. Zugleich erhält Harden ein Redeverbot für den Fall, dass er die zur Veröffentlichung darin gedachten Manuskripte nicht einer Vorzensur unterziehe. Hardens Vorschlag, man möge ihm das Weitererscheinen von „Die Zukunft“ unter Verzicht auf die politischen Kommentare gestatten, lehnt das Heeres-Oberkommando ab.2

Harden, in früheren Jahren ein glühender Anhänger Bismarcks, zu dem er auch persönlichen Kontakt unterhielt,3 zählt bei Kriegsende zu den wenigen, die von der Kriegsschuld Deutschlands überzeugt sind und befürwortet den durch den Versailler Vertrag geschlossenen „Schmach- und Schandfrieden“, der von deutscher Seite unter Protest unterzeichnet wird und das Land zu Gebietsabtretungen, Abrüstung und Reparationszahlungen verpflichtet. 1918 wurde ihm für seine Essay-Sammlung „Krieg und Frieden“ der von dem deutschen Schriftsteller und Übersetzer Emil Schering (1873–1951) gestiftete Strindberg-Preis verliehen.
(KU)


  1. In der Zeitschrift „Die Zukunft“ veröffentlichte Maximilian Harden am 1. August 1914 einen kriegsbefürwortenden Artikel unter der Überschrift „Der Krieg“. In der Ausgabe der folgenden Woche erschien ein weiterer, propagandistischer Aufsatz mit dem Titel „Wir müssen siegen“. Vgl. Neumann/Neumann, Maximilian Harden (1861–1927). Ein unerschrockener deutsch-jüdischer Kritiker und Publizist, Würzburg 2003, S. 73.
  2. Das Verbot für die Zeitschrift „Die Zukunft“ wird am 21. Dezember 1915 ausgesprochen. Insgesamt wird das Blatt während der Dauer des Krieges dreimal für mehre Monate verboten. „Die Zukunft“ erschien erstmals am 1. Oktober 1892. Ihr Erscheinen endet mit der letzten Ausgabe Ende September 1922. Vgl. Klaus Kanzog, Zensur, literarische, in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, 2. Aufl., Bd. 4, Berlin 1984, S. 998-1049, hier S. 1013.
  3. Zugleich kritisierte Harden jedoch die Form der Ausübung des Kaiseramtes durch Wilhelm II. und war maßgeblich an einer Aufdeckungskampagne beteiligt, die zu einer Reihe von Skandalprozessen um angeblich homosexuelle Berater des Kaisers führte. Die 1906 von Harden nur andeutungsweise vorgebrachten Anschuldigungen richteten sich gegen einen Kreis von Personen rund um den preußischen Diplomat und engen Vertrauten des Kaisers Philipp Fürst zu Eulenburg-Hertefeld (1847–1921) und wurden als sogenannte Harden-Eulenburg-Affäre zu einem der größten Skandale der Regierungszeit Wilhelm II. Die Auseinandersetzungen führten zu mehreren Gerichtsverfahren wegen homosexuellen Verhaltens und die zu gegen diese Vorwürfe geführten Verleumdungsklagen der Beschuldigten.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Kriegsverherrlichende Rede des Publizisten Maximilian Harden in Frankfurt, 12. Januar 1915“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/3875> (Stand: 12.1.2023)
Ereignisse im Dezember 1914 | Januar 1915 | Februar 1915
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