Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Otto Merkel, Geschichte der Familie Merkel 1912-1919

Abschnitt 44: Das Große Hauptquartier in Konskie, Hindenburg

[129-130] Als wir 2 Tage in Konskie lagen, kam das große Hauptquartier hier an und wurde in einem alten Schloß untergebracht. Unser Bataillon bekam die Wache. Hindenburg unterhielt sich gern und leutselig mit den Posten/ „Na, Jungens, bis Weihnachten haben wir´s geschmissen-“ meinte er eines Tages. O, wie hat sich der Mann verrechnet. Am Sonntag, d.25.Okt. war wieder Feldgottesdienst angesagt. Er fand statt vor dem Städtchen in einem lichten Birkenwäldchen. Das Bataillon war im Bereich aufgestellt. 3 Posten nahmen die 3 Kompagnien ein, an der 4. offenen Seite stand der junge Reich und wollte soeben beginnen, da wurde am Waldrand ein Schwarm Offiziere sichtbar, und als sie näher kamen, war es Hindenburg mit seinem ganzen Stab, auch der Prinz Joachim, Sohn des Kaisers, darunter.

Nachdem der Major gemeldet, stellte sich das große Hauptquartier innerhalb des (?) auf und Reich begann den Gottesdienst. Er machte seine Sache recht gut, sprach einfach, schlicht, aber wirkungsvoll und wurde nach Beendigung durch Hindenburg mit einen Händedruck geehrt und zum Gefreiten befördert. Ich habe Hindenburg, der nur wenige Meter vor mir stand, genau betrachten können. Er stand wie aus Erz gegossen und verzog keine Miene, die verkörperte Ruhe. So muß der Feldherr sein.

An diesem Sonntag machte ich mit mehreren Kameraden einen Rundgang um Konskie, betrachtete den von den Russen gesprengte Wasserturm u. die zerstörte Bahnlinie, wo alle 100 m. ein Stück herausgesprengt war, namentlich an jeder Weiche. Dann ging ich in ein Wirtslokal, trank ein Glas Bier und aß ein Brot mit Quark, was hier in großen Kästen auf dem Tisch liegt. Am folgenden Tag ging ich in einen Papierladen und kaufte mir Briefbögen. Mit dem Deutschen konnte ich nicht fertig werden, weil ich nicht verstanden wurde. Als ich aber ganz zufällig ein französisches Wort gebrauchte, hellte sich das Gesicht des Verkäufers auf: O, vous parlez francais? C est tres bien! Und nun halfen wir uns über diese Brücke aus.

Der gebildete Pole spricht sehr häufig französisch, sehr selten deutsch. Deutsch kann nur der Jude und zwar ein besonderes Idiom, das sogenannte jiddisch.

Prinz Joachim sah ich noch öfters. Er macht keinen guten Eindruck, scheint bisweilen ein bißchen getrunken zu haben und hat stets einen jungen Offizier am Arm. Er war durch einen Schenkelschuß verwundet gewesen und eben auf dem Weg der Heilung. Hier in Konskie war es auch, wo ich meine Beförderung [S. 130] zum Gefreiten fast erreicht hätte. Doch kam der Abmarsch dazwischen.


Empfohlene Zitierweise: „Otto Merkel, Geschichte der Familie Merkel 1912-1919, Abschnitt 44: Das Große Hauptquartier in Konskie, Hindenburg“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/5-44> (aufgerufen am 06.05.2024)