Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Otto Merkel, Geschichte der Familie Merkel 1912-1919

Abschnitt 46: Unterkunft im Dorf Jakimowice

[130-131] Und nachher der Zwischenfall, den ich später zu erzählen haben werde, sodass aus der Sache nichts wurde.

Vom Feind hatten wir noch nichts gesehen, doch waren wir hier nicht mehr sehr weit von der Front entfernt, wenigstens hörte man hier dauernden Kanonendonner und zwar immer näher kommend. Es sickerte allmählich durch, daß wir von den Russen zurückgedrängt würden, und das große Hauptquartier wurde weiter zurück verlegt, sodaß auch wir den Rückmarsch antreten mußten.

Am Dienstag, d 27. Okt. holten wir zum letzten mal Postsachen ab, und was nun noch zurück war, war verloren. Am 28. früh traten wir den Rückmarsch an. Es ging zunächst wieder die Straße entlang, auf der wir vor 8 Tagen gekommen waren und zwar bis nach Mlynig(?) an der großen Weiche. Hier bogen wir nach rechts ab, und jetzt fingen die schlechten Wege an, da wir nicht mehr auf der Landstraße waren, sondern ständig untergeordnete Wege passierten, gegen die unsere deutschen Waldwege meist die reinsten Chausseen sind. Sand und Sumpf und Sumpf und Sand wechselten miteinander ab. In beiden blieben die Wagen bis an die Naben stecken und versauten Pferde und Mannschaften, sodass trotz 10stündigen Tagesmarsches eine durchschnittliche Wegstrecke von 20 – 25 km. Täglich zurückgelegt wurden.

Am ersten Tag kamen wir bis Jakimowice, ein kleines Dorf jenseits von Radoszcyce. Diesen letzten Flecken hatten wir nachmittags passiert und zwischen ihm und Jakimowice waren nur unsere Wagen so trostlos stecken geblieben, dass wir die Pferde ausspannen mußten und die Wagen einzeln bis Jakomowice bringen mußten. Darüber wurde es tiefe Nacht. Unterwegs hatten wir bereits einen Bauern gezwungen, ein Pferd vorzuspannen. Da der Bauer sich aber weigerte, mitzugehen bis zur 3. Station, nahmen wir das Pferd allein mit. Nach der 2. Nacht lag es von den Strapazen übermannt verendet im Stall.

Unser Quartier in Jakimowice war eines der drolligsten Art, das ich gehabt habe. In einer elenden Lausche(?) wohnte bloß ein junges Ehepaar mit seinem Erstlingssprössling. Er hieß Tuarek. Hier wurde einquartiert: der Oberleutnant Harsch , der Feldwebel u. Zipp, sowie Amend, Heßler u. ich und der Bursche von Harsch Ischof(?), also 7 Mann, für die eine Strohschütte gemacht war. Nachdem uns Heßler auf dem Herd in der Pfanne einige Fleischschnitten gebraten hatte, die wir mit Brot aßen, mußte uns die Frau in dem unvermeidlichen Allestopf einen Kaffee kochen. Während Heßler den Kaffee mit dem Gewehrkolben zerstieß und die Frau am Herd beschäftigt war, fing der kleine Pole an zu schreien, und es blieb mir, da ich gerade nichts Besseres zu tun hatte, nichts übrig, als mich an die Wiege zu setzen und den Schreier wieder einzuwiegen, was mir zum Gaudium aller auch glänzend gelang.

Doch in der Nacht schrie Tuarek ununterbrochen und auch wenn er das nicht getan hätte, wäre ein Schlaf hier doch nicht möglich gewesen, da Ratten, Mäuse, [S. 131] Katzen, Karnickel bunt durcheinander Jagd machten und über unsere Leiber krabbelten und hüpften, sodass Hertsch sich schließlich aufsetzte u. ein – aufs andermal vor sich hinmurmelte- „das ist doch zu stark/“ !ber was war zu machen/ Die Nacht ging ja schließlich auch herum. Recht früh brachen wir auf und legten an diesem Tage eine Strecke zurück F F (?).


Empfohlene Zitierweise: „Otto Merkel, Geschichte der Familie Merkel 1912-1919, Abschnitt 46: Unterkunft im Dorf Jakimowice“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/5-46> (aufgerufen am 06.05.2024)