Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Fritz Sames, Das Landwehr-Infanterie-Regiment 81 in den Vogesen, 1914

Abschnitt 9: Veränderung der Stimmungslage

[9-10] Wie zur Bestätigung solcher Erörterungen, die eifrig von Quartier zu Quartier gepflogen wurden, erging am 12. August der Befehl an die Bataillone, eine Verteidigungslinie einzunehmen, die von Straßburg das Breuschtal entlang nach Westen zog. Das I. Bataillon bekam den Abschnitt [S. 10] Wolxheim bis Kolbsheim zugewiesen. Das III. Bataillon schob sich mit einer Kompagnie nach Hangenbieten hinüber. Rückwärts der Linie Fort Sachsen—Wolxheim blieb das II. Bataillon bei Oberschäffolsheim und im Fort „Bismarck" liegen. Sofort wurde mit Schanzarbeit auf der ganzen Linie begonnen.

Mittlerweile erfuhr man aus dem amtlichen Kriegsbericht Näheres über das Treffen bei Mülhausen. Der gemeldete Sieg sei demjenigen von Weißenburg und Wörth gleichwertig . 53000 Franzosen hätten den Deutschen gegenüber gestanden. So hatte es noch gute Weile mit der Verteidigung Straßburgs, und die Frankfurter Landwehr durfte wohl vorerst noch nicht den Spaten mit der Büchse vertauschen.

Die Nachrichten von diesen Kampfhandlungen, deren Fernwirkung man unmittelbar aus den im eigenen Besatzungs-Abschnitt der Festung getroffenen Verteidigungsmaßnahmen zu erkennen glaubte, und durch die man sich zu diesen Ereignissen in Beziehung gesetzt fühlte, verfehlten ihren Eindruck aus unsere Wehrleute nicht und trugen dazu bei, unter ihnen eine erhöhte kriegerische Stimmung hervorzurufen.

Da eine solche am ausdruckvollsten im soldatischen Liede zur Entladung kommt, so ertönten bald in allen Quartieren alte und neue Heldenweisen. Damals kam die Umwandlung unseres schönen Volksliedes auf:

„Ich hatt' einen Kameraden"

mit dem

„Gloria Viktoria"

und dem wehmütigen Einschlag:

„Die Vöglein im Walde,

Die sangen alle so wunder-wunderschön,

In der Heimat, in der Heimat,

Da gibts ein Wiedersehen."

Auf entliehener Geige spielte in einem Quartier ein Kundiger die Begleitung. Sein Arm war unermüdlicher als die Kraft der Stimmbänder, und so reihte er Lied an Lied, ganze Abende hindurch, ohne Rücksicht auf die zunehmende Heiserkeit der Sänger. Das gesittete Betragen unserer Wehrmänner hatte bei den Einwohnern der Quartierdörfer den Einfluß, daß sie von ihrer anfänglichen Zurückhaltung abließen. Man besann sich mehr und mehr des gemeinsamen Deutschtums. Des Weiteren trugen die Berichte über das rücksichtslose Auftreten der Franzosen gegenüber der Bevölkerung, die Fortführung angesehener Bürger als Geiseln, ihre unwürdige Behandlung und anderes mehr, dazu bei, die Sympathie des Elsässers für den Franzosen abzukühlen.


Personen: Sames, Fritz
Orte: Frankfurt · Hangenbieten · Mülhausen · Oberschäffolsheim · Straßburg · Weißenburg · Wörth · Wolxheim
Sachbegriffe: Festungen · Geisel · Landwehr-Infanterie-Regiment 81 · Lieder · Siege · Stimmungsbilder · Violine
Empfohlene Zitierweise: „Fritz Sames, Das Landwehr-Infanterie-Regiment 81 in den Vogesen, 1914, Abschnitt 9: Veränderung der Stimmungslage“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/47-9> (aufgerufen am 30.04.2024)