Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Heinrich Carl Zölzer, Schulchronik von Buchenau, 1914-1919

Abschnitt 3: Sommerzeit, Benzinmangel, Sammelaktionen

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Im Frühling 1916 wurde von dem Bundesrat die "Sommerzeit" vom 1. Mai bis zum 1. Oktober eingeführt, d. h. am 30. April abends 11 Uhr wurden die Uhren um eine Stunde vorgestellt, so daß vom 1. Mai alle Uhren eine Stunde früher gingen, und alle Eisenbahnzüge eine Stunde früher fuhren. Diese Bestimmung war auch für unsere Schüler sehr einschneidend, indem es vielen Schülern schwerfiel, pünktlich zur Schule zu erscheinen. Beschwerden der Eltern gegen den frühen Schulbeginn sind keine gekommen, denn die Kinder der Oberstufe waren an den meisten Tagen um 10 Uhr morgens fertig und konnten somit zu landschaftlichen Arbeiten benutzt werden. Durch die Einführung der "Sommerzeit" wollte man Lichtersparnis machen. In den Städten mag wohl dieses Ziel erreicht worden sein.

Mit der Petroleumknappheit trat auch der Mangel an Benzin ein. Alles Benzin und Benzol wurde zu militärischen Zwecken beschlagnahmt. Mit einemmale hörte das Autofahren auf. Gewerbetreibende, die Benzinmotoren hatten, konnten nur durch behördliche Bescheinigung Benzin oder Benzol bekommen. Ferner fehlte es an Gummi. Durch die Blockierung konnten keine ausländischen Waren nach Deutschland gelangen. Unsere Schulkinder mußten nun das alte Gummi im Dorfe sammeln. Gleichzeitig wurden die Altmetalle Blei, Zinn, Messing etc. zusammengebracht. Bald hatten wir einige Zentner von diesen Sachen, welche Herr Pfarrer Jüngst an die Sammelzentrale fortsandte. Im Juni 1916 wurde das Fahrradfahren verboten. Nur Personen, die es im Berufe brauchten, und Arbeitern, die zur Werkstätte fuhren, war es gestattet, das Fahrrad zu benutzen.

Im November 1914, am Buß- und Bettage, bekam unser Dorf Einquartierung. Wegen Russengefahr wurden die kriegsverwendbaren jungen Leute (von 17 bis 20 Jahren) aus Schlesien weggezogen und in unseren Gegenden untergebracht. Unser Kreis Biedenkopf war [S. 28] auch an der Aufnahme der Schlesier beteiligt. Buchenau bekam ca. 40 junge Leute zugeteilt, die sich auch an landwirtschaftlichen Arbeiten beteiligen sollten. Da es sich aber meistens um Industriearbeiter handelte, machte man damit, was landwirtschaftliche Betätigung anlangte, keine guten Erfahrungen. Auch ihr Betragen ließ zu wünschen übrig, unmäßig im Essen usw. So atmeten allgemein unsere Bauern auf, als sie die Einquartierung nach einem Monat loswurden.


Personen: Zölzer, Heinrich Carl · Jüngst, Pfarrer
Orte: Buchenau · Schlesien · Biedenkopf
Sachbegriffe: Bundesrat · Sommerzeit · Schüler · Petroleummangel · Benzin · Autofahren · Sammelaktionen · Gummisammlung · Metallsammlung · Fahrradfahren · Arbeiter · Schlesier
Empfohlene Zitierweise: „Heinrich Carl Zölzer, Schulchronik von Buchenau, 1914-1919, Abschnitt 3: Sommerzeit, Benzinmangel, Sammelaktionen“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/20-3> (aufgerufen am 25.04.2024)