Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Heinrich Carl Zölzer, Schulchronik von Buchenau, 1914-1919

Abschnitt 1: Erstes Kriegsjahr in Buchenau, Versorgungslage

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Der Ausbruch des Weltkrieges bedeutete auch für unser Dorf Stillstand und Trauer an allen Enden.

Von der Mobilmachung im ausgebrochenen Weltkrieg ist bereits von meinem Vorgänger Schmidt Erwähnung getan worden (Schulchronik Band 1). Wie sie sich im allgemeinen in unserem Dorf vollzogen hat, darüber sind ausführliche Aufzeichnungen in unserem "Heimatblättchen" zu finden. Ich will mich daher auf die weiteren wichtigsten Kriegsereignisse beschränken und insbesondere die Folgen in Betracht ziehen, die der Krieg für unser Dorf nach sich zog.

Im Jahre 1914 war die Ernte überaus gut. Die Frucht war besonders gediehen, und die Kartoffelernte reichlich ausgefallen. Keller und Speicher waren gefüllt. Fürs "Rote Kreuz" konnten daher viel Naturalien gespendet werden. Wagen um Wagen fuhren unsere Bauern auf die Wilhelmshütte, wo ein Lazarett für [S. 25] verwundete Krieger eingerichtet war. Der Winter 1914/15 war sehr gelinde. Auch der russische Winter unterschied sich nach Aussagen der Krieger nicht merklich von dem unseren, so daß es unseren Truppen nicht allzu schwer wurde, sich gegen die russische Kälte zu schützen.

Inzwischen hatten unsere Truppen schon in Ost und West ihren Siegeslauf begonnen. Schon mehrere Male durften die Glocken deutschen Sieg verkünden (z. B. bei Lüttich, Antwerpen, Tannenberg, Masuren). Auch in unserem Dorfe wurden die Siege festlich eingeläutet. So geschah es auch, daß eine Glocke - unsere größte Glocke, die sogenannte "Elfglocke" - bei einem solchen Siegesläuten sprang und ihren schönen Ton einbüßte. Der Schaden wurde im Laufe des Jahres wieder repariert. Die alte Glocke wurde fortgebracht und in Apolda eine neue gegossen, welche mit großen Schwierigkeiten wieder in unserem Glockenturme aufgehängt wurde. Sonntag, den 7. März 1915, wurde die neue Glocke eingeweiht.

Bei Beginn des Krieges wurde wöchentlich eine Kriegsgebetsstunde festgesetzt. Ferner kamen Frauen und Mädchen in der Schule an bestimmten Abenden zusammen, um für die Soldaten zu stricken und zu nähen. Es handelte sich besonders um Strümpfe, Hemden, Leibbinden, Kopfschützer usw. Es wurde eifrig gearbeitet, so daß immer ein stattlicher Ballen für unsere Krieger im Felde abgeliefert werden konnte. Das Garn wurde meistens aus eigenen Mitteln geliefert, oder die Gemeinde kaufte die Wolle an, und Frau Pfarrer Jüngst übernahm die Verteilung der Sachen und nachher wieder das Verpacken derselben. Vor Weihnachten bewilligte hiesige Gemeinde einen gewissen Kredit, um den Kriegern Weihnachtspakete senden zu können. Jeder Buchenauer, der im Felde weilte, erhielt aus seinem Heimatdorfe ein Paket gleichen Inhalts, vor allem handelte es sich um Zigarren, Tabak, Schokolade, und der Frauenverein fügte jedem Paketchen ein Paar Strümpfe hinzu.


Personen: Zölzer, Heinrich Carl · Jüngst, Pfarrer
Orte: Buchenau · Wilhelmshütte · Lüttich · Antwerpen · Tannenberg · Masuren · Apolda
Sachbegriffe: Kriegsbetstunden · Kirchenglocken · Liebesgaben · Mobilmachung · Ernteergebnisse · Kartoffeln · Rotes Kreuz · Lazarette · Witterung · Glockenläuten · Siegesmeldungen · Strickwaren · Liebesgaben · Weihnachten · Weihnachtspakete · Frauenvereine
Empfohlene Zitierweise: „Heinrich Carl Zölzer, Schulchronik von Buchenau, 1914-1919, Abschnitt 1: Erstes Kriegsjahr in Buchenau, Versorgungslage“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/20-1> (aufgerufen am 29.03.2024)