Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Heinrich Carl Zölzer, Schulchronik von Buchenau, 1914-1919

Abschnitt 11: Holz- und Kartoffelmangel, Kältewinter 1916/17

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Die Kriegsereignisse gingen indessen immer weiter. Immer mehr Leute wurden eingezogen (17- und 18-Jährige). Im Winter 1916/17 fehlte es sehr an Holzarbeitern, und so litt das Holzfällen im Walde sehr. Die Gemeinde mußte Arbeiter reklamieren, damit das sehr nötige Brenn- und Grubenholz gemacht werden konnte. Die Holzpreise stiegen außerordentlich, pro Raummeter Brennholz 15 bis 20 Mark.

Wie schon früher angedeutet, waren die Kartoffeln 1916 nicht gut geraten. Durch Mißwirtschaft und Frost sind noch viele verdorben und ungenießbar geworden, und es machte sich ein empfindlicher Kartoffelmangel geltend. In den Großstädten wurden [S. 39] statt Kartoffeln Kohlrabi verabreicht, an manchen Orten wurden auch Dickwurzeln gegessen. Das Land mußte immer Kartoffeln liefern. Hier wurde die Kartoffelration auf 1/4 Pfund pro Person und Tag erniedrigt. Auch die Saatkartoffeln mußten reduziert werden, für den Morgen Saatgut durften statt 10 Zentner nur noch 8 Zentner zurückbehalten werden. Es sind wohl manche Äcker, die für Kartoffeln bestimmt waren, aus Mangel an Kartoffeln nicht besetzt worden. Der Kartoffelbettel1 war sehr groß. Aus dem Siegerlande und aus den Industriegebieten kamen Kartoffelhamsterer und bettelten sie bei den Bauern pfundweise. Buchenau hat über 1300 Ztr. Kartoffeln geliefert.

Der Winter 1916/17 war leider ein sehr strenger Herr. Im Januar 1917 setzte eine fürchterliche Kälte ein. Tiefer Schnee bedeckte die Erde. Fast drei Monate hat diese große Kälte angehalten. 20 bis 23° C. Bei dieser anhaltenden Kälte stellte sich Holz- und Kohlenmangel ein. In Stadt und Land mußten die Schulen geschlossen werden, weil es an Holz und Kohlen mangelte. Vielen Leuten waren die Kartoffeln erfroren. Die Wasserleitungen waren fast alle zu. Der tiefe Schnee und das dicke Eis gingen ohne Hochwasser und Eisgang fort. Teilweise hatten auch die Wintersaaten gelitten, namentlich an solchen Stellen, wo der Wind den Schnee fortgefegt hatte. Leider war es im Frühjahr fortwährend kalt. Immer wehte der kalte Nord- und Ostwind, und so blieb die Vegetation sehr zurück. Mit dem 1. Mai trat ein vollständiger Umschwung ein. In wenigen Tagen wurde die Natur grün. Die Bäume blühten, und das Gras sproßte rasch aus der Erde hervor, so daß schon anfangs Juni mit der Heuernte begonnen werden konnte. Bei prächtigem Wetter ging diese Ernte rasch voran. Am 17. Juni wurde das letzte Heu hereingebracht. Wir machten dementsprechend Heuferien (vom 4. bis 17. Juni inkl.). Die Heuernte war eine gute Mittelernte. Die Qualität war vorzüglich. Das wundervolle Wetter hielt den ganzen Monat Mai an. Die bösen Nachtfröste blieben ganz aus. Seit Menschengedenken hatte man solches Maiwetter nicht erlebt. Die Nahrungsmittel wurden außerordentlich knapp. Die Kartoffelnot [S. 41] wurde immer größer. Nicht minder fehlte es an Mehl. Von den Schulkindern wurden Buchen- und Lindenknospen gesammelt, woraus man ein Mehl machen wollte. Die Tee- und Wildgemüse wurden gesammelt und teilweise in die Stadt geschickt. Unsere Schule hat an zwei Tagen Buchenknospen gesammelt. Letztere wurden getrocknet und an die Zentralstelle in Biedenkopf gesandt.


  1. D.h. die Bettelei um Kartoffeln.

Personen: Zölzer, Heinrich Carl
Orte: Buchenau · Biedenkopf
Sachbegriffe: Arbeitskräftemangel · Holzarbeiter · Brennholz · Grubenholz · Holzpreise · Kartoffeln · Kartoffelmangel · Saatgut · Hamsterfahrten · Winterkälte 1916-1917 · Kohlenmangel · Schulen · Landwirtschaft · Witterung · Sammelaktionen
Empfohlene Zitierweise: „Heinrich Carl Zölzer, Schulchronik von Buchenau, 1914-1919, Abschnitt 11: Holz- und Kartoffelmangel, Kältewinter 1916/17“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/20-11> (aufgerufen am 26.04.2024)