Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Klaus Wiedemann, Der Erste Weltkrieg aus der Sicht eines Kasseler Oberschülers, 1914-1918

Abschnitt 18: Erstzmittel für Seife, Felle, Kupfer, Wolle und Petroleum

[43-45] [S.43] Die Seife enhält viel Fett. Das Fett zur Seife erhielten wir aus dem Ausland. Durch die Englische Blokade war es uns nicht mehr möglich, Fettstoffe aus dem Ausland zu beziehen. Die Seifensieder mußten sich nun nach anden Ersatztmittel umsehen. In der ersten Zeit des Krieges ließ sich ja auch noch so manches Fett auftreiben, doch nach und nach gab es immer weniger (mehr) Fett. Auch stieg der Preis für [S.44] Seife mit jedem Tag höher. Augenblicklich kostet das Pfund Kernseife 9,00 M. Aber der Preis ist immer noch im Steigen begriffen. Da hat man sich zu einem Ersatzmittel, das nicht aus tierischen Fetten, sondern aus mineralischen Stoffen, dem Ton. Man hat hier eine besondere Tonart dazu erwählt. Diese Tonseife eignet sich nur zum Hände waschen. Sie bietet aber trotzdem einen zufriedenstellenden Ersatz.
Die meisten Felle führten wir in Friedenszeiten aus Amerika ein, aber diese bekommen wir seid Ausbruch des Krieges nicht mehr. Aber das Militär bräuchte viel Leder. Dieses ist aus den Fellen der Pferde, die im Kriege gefallen sind. Aber trotzdem reicht das Leder lange nicht hin. Man hat sich aber zu helfen gewußt. Das gute Kernleder hat man in kleine Stücke geschnitten, das man dann auf die Schuhe nageln kann. Oder außer diesen hat man sich auch mit Eisenhufeisen und Eisenbeschlägen beholfen. So wird1 man auch über den Ledermangel hinweg (ge)kommen.
Für unsere Granaten brauchen wir viel Kupfer, das wir meistens aus Amerika bezogen, aber jetzt nicht mehr bekommen. Darum hat man in allen Städen Deutschlands sämtliche Kupfersachen beschlagnahmt, und an dessen Stelle verwandt man Zinkkessel. [S. 45] Die Baumwolle bekommen wir in Friedenszeiten aus Brasilien, Ägypten, Indien und aus unsernen Kolonien. Seit Kriegsausbruch ist aber der Handel mit Baumwolle völlig nieder gelegt. Wir müssen uns aber mit anderen Ersatzmitteln behelfen. Zuerst wäre die Wolle hervorzuheben. In Friedenszeiten ging die Schafzucht immer mehr zurück; denn die Wolle aus Indien war viel billiger, als die, welche unsere Schäfer lieferten. Durch den Krieg haben aber unsere Schafzucht wieder zugenommen; denn die Wolle und Baumwolle fehlt uns. Man hat aber auch noch einen anderen Ersatz entdeckt. Man hat gefunden, daß die Brennessel gute Fasern gibt, die ebenfalls die Wolle und Baumwolle ersetzen. Für den Zentner Fasern bezahlt man 5 M. Hoffentlich wird nach dem Krieg auch die Schafzucht und die Bereitung von Nessel bestehen bleiben.
Das Petroleum bekomen wir in Friedenszeiten aus Amerika und Rumänien. Bei Ausbruch des Krieges haben sie aber ihre Lieferungen eingestellt. Wir, von unseren Petroleumsquellen konnten nicht für ganz Deutschland das Petroleum liefern; deshalb sah man sich zu einem Ersatz gezwungen. Er unterscheidet sich von dem Petroleum, daß er beim Verbrennen mehr Rußt abgibt. Doch sie bietet immer einen Erfolg.


  1. Verbessert aus „ist“.

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Personen: Wiedemann, Klaus
Orte: Amerika · Deutschland · Ägypten · Brasilien · Indien · Rumänien
Sachbegriffe: Ersatzmittel · Seifen · Felle · Petroleum · Kupfer · Bindefäden · Fette · Ausland · Kernseifen · Tonseifen · Kriege · Leder · Pferde · Kolonien · Wolle
Empfohlene Zitierweise: „Klaus Wiedemann, Der Erste Weltkrieg aus der Sicht eines Kasseler Oberschülers, 1914-1918, Abschnitt 18: Erstzmittel für Seife, Felle, Kupfer, Wolle und Petroleum“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/13-18> (aufgerufen am 29.04.2024)