Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Gehe zu Treffer
 

Detailansicht

Bilddokumentation der Initiativgruppe Marburger Stadtbild, 1972

Erstes Treffen der Bürgerinitiative „Marburger Stadtbild“, 18. Juni 1970

In Marburg findet die erste Versammlung der Bürgerinitiative „Marburger Stadtbild“ statt, die sich öffentlich gegen die Zerstörung des historisch gewachsenen Stadtbildes und der historischen Bausubstanz vor allem in der Marburger Oberstadt wehrt. Angesichts des Abrisses des Wirtshauses an der Lahn (zugunsten eines Hochhauses) oder der alten Siechen im Osten der Vorstadt Weidenhausen zugunsten der Stadtautobahn sowie der bekannten „Bopps Terrassen“ an der Reitgasse entwickelt sich in der interessierten Marburger Öffentlichkeit eine Bürgerbewegung für die Erhaltung des Stadtbildes. In der ersten Versammlung wird die „Zerstörung Marburgs 1900 bis 1970“ thematisiert.

1972 schreibt Dr. Karl Heinrich Rexroth für die Initiativgruppe in der Einleitung zur Bilddokumentation Marburg im Abbruch 1945–1970:

Erst in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten 1945–1970 mit ihrem wirtschaftlichen Aufstieg, der damit verbundenen Entwicklung der Technik und des Verkehrs, vor allem aber mit ihrer immer stärker werdenden materiellen Ausrichtung, begann die systematische Vernichtung alter Bau- und Kulturdenkmäler in unserer Stadt! Zunächst vereinzelt, dann immer häufiger und schließlich reihenweise fielen unersetzliche Steinhäuser und Fachwerkbauten der Spitzhacke und der Planierraupe zum Opfer. Es fielen ganze Häusergruppen im innersten Bereich der Oberstadt, die wegen ihrer Schönheit weit über unsere Grenzen hinaus berühmt waren und es fielen einzelne Baudenkmäler, wie die beiden Siechen und die alte Schäferei am Glaskopf, die ursprünglich weit außerhalb der Stadtgrenzen lagen. Es fielen Bauwerke, die in sich selbst einen unersetzlichen kunstgeschichtlichen Wert darstellten und es fielen Häuser, die an sich weniger bedeutend waren, deren Wert aber auf ihrer Übereinstimmung mit den Nachbarbauten beruhte und deren Verlust eine ganze geschlossene Straßenfront aufriß und zerstörte.

Die Bevölkerung, soweit sie sich Marburg wirklich verbunden fühlte, stand zunächst ratlos vor dieser immer mehr zunehmenden Welle von Abbrüchen. Sie antwortete zuerst voller Empörung mit Leserbriefen, dann mit Protesten, schließlich mit vereinzelten größeren Aktionen zur Rettung der bedrohten Baudenkmäler. Das geschah zum Beispiel 1960 vor dem Abbruch der „Alten Schäferei“ am Glaskopf und in größerem Rahmen 1965, als „Bopps Terrassen“ von der Vernichtung bedroht wurden. Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte dieser Bemühungen im einzelnen zu verfolgen, so lehrreich dies auch sein würde. Es zeigte sich jedenfalls, daß alle diese Bemühungen scheitern mußten, weil den verantwortlichen Eigentümern, den Privatleuten wie den großen Kapitalgesellschaften, aber auch der damaligen Stadtverwaltung das Verständnis für den wahren Wert der bedrohten Denkmäler fehlte.
(OV)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Erstes Treffen der Bürgerinitiative „Marburger Stadtbild“, 18. Juni 1970“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/2880> (Stand: 27.11.2022)
Ereignisse im Mai 1970 | Juni 1970 | Juli 1970
Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30