Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Feldpostbriefe und -karten des Jägers Karl Ulmer aus Marburg an seine Familie, 1918

Abschnitt 6: 8.3.1918: Brief von Karl Ulmer an Wilhelmine Ulmer


Im Felde d. 8. III.1918.

Liebe Mutter!

Habe gerade Nachtschicht und somit die schönste Zeit Dir ein paar Zeilen zu schreiben. Hier ist es in letzter Zeit etwas lebhafter geworden. Ich glaube, daß die Offensive diesen Monat noch losgeht. Du brauchst Dir aber nun keine Sorgen zu machen, denn ich brauche ja nicht mit zu stürmen. Bin auch nicht im ersten Graben, sondern hinten beim Bataillonsstab. Ich sitze in einem tiefen Stollen und bekomme die Meldungen von unserer Kompanie am ersten Graben und muß sie ans Bataillon abgeben. Ich brauche also gar nicht aus meinem Stollen raus. Auf den Stollen können sie schießen, so lange es ihnen Spaß macht, den bringen sie nicht kaput. Auch kann der Tommy1 uns den Zugang so leicht nicht zuschießen denn unser Stollen hat 11 Ausgänge. Unser Stollen ist nämlich durch einen unterirdischen Gang mit den anderen Stollen verbunden. Heute hat der Engländer von uns einen Fesselballon runtergeholt. Das war die Rache dafür, daß wir ihm einen Flieger abgeschossen hatten. Sonst gibt’s nichts neues hier. Was gibt es bei Euch neues? Habe bis jetzt noch keine Nachricht von dort. Es ist zu dumm, wir kriegen nur alle drei Tage Post nach vorn. Wenn es nun hier losgehen sollte, was Du ja aus der Zeitung erfährst, so werde ich Dir längere Zeit nicht schreiben können. Brauchst Dir dann keine Gedanken zu machen. Ich liege hier bei Mercieres. Hast Du mir die Oberhessische Zeitung2 bestellt? Du mußt Dir nun nicht denken, daß der Engländer nun Tag und Nacht unsere Stellung beschießt. Es fällt manchmal stundenlang kein Schuß dann schießt er mal wieder ein paar Salven ab und bestreut das Gelände und die Sache ist wieder erledigt. Es ist z. B. bis jetzt noch keine Granate in unseren Graben eingeschlagen. Man hört die Granaten immer schon von weitem ankommen. Wenn man dann gerade mal im Graben ist, um frische Luft zu schnappen und hört die Werfer ankommen, läuft man schnell in den Stollen. Interessant ist es zu beobachten, wenn unsere Batterien feindl. Flieger beschießen. So nun hätte ich mal wieder meinen ./. Vorrat erschöpft. Hoffe jeden Tag von Vater Nachricht zu bekommen. Vielleicht besucht er mich in Ossigny, wenn ich wieder in Ruhe komme.

Sei nun für heute herzl. gegrüßt und geküßt von Deinem Karl

Viele Grüße u. Küsse an [Karlen] und Kurt. Was macht Elschens Näschen? Kann es immer noch singen der Mai ist gekommen die Bäume schlagen aus? Braucht mir auch nichts zu schicken, ich habe noch genug zu essen. Ich habe sogar nicht mehr so viel Hunger weil ich den ganzen Tag im Stollen [peke] und wenig an die frische Luft komme.


  1. Bezeichnung für die britischen Soldaten.
  2. Regionale Tageszeitung u.a. für den Kreis Marburg.

Persons: Ulmer, Karl Heinrich Christian · Ulmer, Kurt · Ulmer, Wilhelmine
Places: Marburg · Mercieres · Ossigny
Keywords: Feind · Feldpost · Feldpostbriefe · Fesselballone · Flugzeugabschuss · Granaten · Nachtschicht · Schützengraben · Stellung · Zeitungen
Recommended Citation: „Feldpostbriefe und -karten des Jägers Karl Ulmer aus Marburg an seine Familie, 1918, Abschnitt 6: 8.3.1918: Brief von Karl Ulmer an Wilhelmine Ulmer“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/98-6> (aufgerufen am 25.04.2024)