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Der Revolutionär und bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner am 22. Nov. 1918 auf der Fahrt zur Reichskanzlei in Berlin

↑ Heinrich Köhler, Der Rückmarsch des 3. Schlesischen Dragoner-Regiments Nr. 15 nach Rotenburg an der Fulda, 1918

Abschnitt 2: Beginn der Novemberrevolution 1918

[209-210]
Ausbruch der Revolution.

Aber selbst nach den schwersten Abwehrkämpfen und nach allem, was wir gesehen und erlebt hatten, war uns das bittere Ende, das uns Ende Oktober schon so nahe bevorstand, keineswegs klar. Vielleicht kam es daher, weil wir jeden Tag um unser Leben kämpfend den Dingen, die sich in der Heimat vorbereiteten, zu fern standen. In Rufach1 angekommen, sollte es der Mülhausener Zeitung vorbehalten bleiben, uns näher aufzuklären. Diese Zeitung sprach in verhetzenden, maßlosen Worten über den Kaiser und dessen Abdankung, die gefordert werden müsse. Gleichzeitig regnete es üble feindliche Propagandazettel aus der Lust. In diesen Tagen wurde auch der neue Ersatz, den wir zur Ausfüllung dringend benötigten, herangeführt, es waren lauter 18jährige junge Burschen, aus den Ersatzeskadrons verschiedenster preußischer Kavallerieregimenter, ohne Disziplin und den ernsten Willen, zu kämpfen. Mit diesen unbotmäßigen grünen Burschen konnte man nicht weiterkämpfen. Kaum waren diese jungen, wenig Vertrauen erweckenden Mannschaften aus die Schützenbataillone verteilt, da traf unser Heer und unser Vaterland der Vernichtungsschlag: die Revolution.

Schon am 1. Nov. waren Matrosen in Kiel mit revolutionären Arbeitern in Verbindung getreten, am 4. Nov. wurden nach russischem Muster Soldatenräte gebildet und die Abdankung des Kaisers und der Hohenzollern gefordert. Am 5. Nov. traf die Nachricht endlich ein, daß die Alliierten zum Waffenstillstand bereit seien, im allerungünstigsten Augenblick, also in der Nacht vom 7./8. Nov., rief Kurt Eisner2, ein politischer Phantast, in München die Revolution aus.

Das Feldheer, das den letzten, schwersten und heroischsten Widerstand unter ganz ungleichen Bedingungen den auf allen Fronten anstürmenden um ein Vielfaches überlegenen Alliierten zu leisten bemüht war, wurde am härtesten von der Revolution getroffen. Die Waffen, die diese unter beispiellosen Opfern und Entbehrungen fechtende Armee noch führte, wurden ihr durch die Revolutionäre aus der Hand geschlagen3. Was die Entente in vier Jahren vergeblich mit allen Mitteln und unter schwersten Opfern versucht hatte, den deutschen Widerstand zu brechen, fiel dem französischen Generalissimus als willkommenstes Geschenk in den Schoß. Der deutsche Widerstand wurde durch die Revolution vollkommen gelähmt, das deutsche Schwert zerbrochen!


  1. Heute Rouffach, Ort im Ober-Elsass.
  2. Kurt Eisner (1867-1919), 1918-1919 bayerisxcher Ministerpräsident.
  3. Köhler formuliert hier die v.a. unter Militärs geprägte Dolchstoßlegende, nach der das im Felde ungeschlagene Heer durch die Revolutionäre in der Heimat geschlagen worden sei.

Persons: Köhler, Heinrich · Eisner, Kurt · Wilhelm II.. Deutsches Reich, Kaiser
Places: Rufach · Rouffach · Kiel · München
Keywords: Novemberrevolution · Mülhausener Zeitung · Propaganda · Kavallerie · Soldatenräte · Dolchstoßlegende
Recommended Citation: „Heinrich Köhler, Der Rückmarsch des 3. Schlesischen Dragoner-Regiments Nr. 15 nach Rotenburg an der Fulda, 1918, Abschnitt 2: Beginn der Novemberrevolution 1918“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/92-2> (aufgerufen am 23.04.2024)