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Die Beute der Rattenjagd in einer Argonnennacht

↑ Heinrich Schulz, Dienst und Leben hinter der Front, 1915-1917

Abschnitt 2: Mäuse- und Rattenplage, Krankheiten

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Eine andere Sorte Plagegeister waren die Mäuse. Gar manchen Brotbeutel haben sie angenagt und darin zu Tisch gesessen. Als „Stollenbauer" haben sie sich vorzüglich bewährt, das konnte immer wieder an den in die Kommisbrote vorgetriebenen Minenstollen festgestellt werden. Noch schlimmer waren die Ratten. Für diese feisten Viecher war unser Lager- und Unterstandsleben die beste Vermehrungsgrundlage. Von Speiseresten angefangen bis zu Schnürschuhen und Stiefelschäften gingen sie an alles heran. Jagden auf sie wurden mit allen Mitteln veranstaltet.

Die zur Strecke Gebrachten konnte man hier und da reihenweise ausgehängt sehen, zahlreicher oft, als man im bestgehenden Fleischerladen die Würste hängen sieht. Daß diese ekelhaften Tiere, die manchmal so groß [287] wie eine Katze waren, immer zahlreicher wurden, war selbst höheren Orts nicht mehr verborgen geblieben. So erschien am 11.6.16 folg. Divisionsbefehl: Ich beabsichtige, aus den verfügbaren Einnahmen des Lichtspiel- und Postkartenunternehmens in großer Menge Rattenfallen, Mausefallen und Fliegenfänger zu beschaffen usw.

Nach ihrem Tode sollten die Ratten aber wieder gut machen, was sie im Leben gesündigt hatten. In einem Befehl des XVI. A. K. vom 27.2.17 hieß es nämlich: Nach den Weisungen des A.O.K. ist das Fangen von Ratten in den Ortsunterkünften, Lagern und Stellungen nach Möglichkeit zu betreiben. Die aufkommenden Kadaver sind, soweit nicht hygienische Bedenken und Beförderungsschwierigkeiten dem entgegenstehen, an die Kadaververwertungsanstalt Verpel abzugeben. Abhäutung der Ratten findet dort statt. Die ausgeworfene Prämie von 5 Pf. ist erst nach Ablieferung der Tiere in Verpel zuständig.

Zu den wenig beliebten hygienischen Maßnahmen zur Erhaltung der Kampffähigkeit der Truppe gehörten die Impfungen. Sie wurden bald in jeder Ruhezeit vorgenommen. Die Leute, die in Stellung schon nicht mehr ganz auf der Höhe waren, wurden zum Revierdienst geführt. Hier wurde alles geheilt: Hühneraugen, Zahnschmerzen, Rheumatismus, Herzklopfen, Asthma, Diarrhoe — halt, so hieß das letztere Leiden ja nur bei einem Offizier, wie es einem Landsturmmann, der sich einbildete, auch Diarrhoe zu haben, so schön gesagt wurde. Bei einem Unteroffizier hieß es allenfalls noch Durchfall, bei einem Landser war es selbstverständlich nur Sch……. Für alle diese Leiden gab es ein Universalheilmittel, und das war Aspirin, wenn es gut ging, auch einmal Rizinus. Wenn die Ruhezeit um war und wir wieder in Stellung gingen, hatten wieder alle gesund und munter das Revier verlassen.


Persons: Schulz, Heinrich
Places: Verpel
Keywords: Arzneimittel · Impfungen · Jagd · Kadaver · Kadaververwertungsanstalt · Mäuseplage · Plagen · Ratten · Tierfallen · Mäuse · Fliegenfänger · Durchfall · Aspirin · Rizinusöl · Krankheiten
Recommended Citation: „Heinrich Schulz, Dienst und Leben hinter der Front, 1915-1917, Abschnitt 2: Mäuse- und Rattenplage, Krankheiten“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/55-2> (aufgerufen am 25.04.2024)