Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Johannes Ledroit, Mobilisierung des Hessischen Landwehr-Infanterie-Regiments 118, 1914

Abschnitt 4: Regimentsappell und Manöver

[S. 11-12] Am 10. August fand in der Alicenkaserne in Mainz Regimentsappell für das 1. und 2. Bataillon statt. Fast alle Mannschaften erschienen dabei in gut sitzendem Anzuge, nur wenige mußten noch zurückbleiben. Oberstleutnant Gros hielt dabei eine begeisterte Rede.

An den Appell schloß sich die Verteilung der Zugpferde. Die angeblichen Reitpferde waren schon zwei Tage vorher verteilt worden. Gar mancher derbe rheinhessische Ackergaul avancierte dabei zum Reitpferde, wobei man manchmal sagen konnte:

Dem Reiter ging es an den Kragen,

Nicht wollte ihn der Schinder tragen.

Darnach ging es wieder wie in einem Ameisenhaufen in den Höfen der Alicekaserne her. Hier wurden Griffe gekloppt, dort exerziert oder gezielt, an anderen Stellen Instruktion oder Appell in Kleidern, Stiefeln, Tornistern usw. abgehalten. Am Nachmittag spät wurden auf den Kompagniekarren die Pakete mit den Zivilkleidern weggeschafft usw. Die Kompagniechefs waren unermüdlich vom frühen Morgen bis zum späten Abend tätig. Auf den Büros der Feldwebel aber ging die Schreibarbeit bis spät in die Nacht.

Am 11. August findet in Mainz auf dem großen Sand und in Worms im Rosengarten Exerzieren in Bataillonen statt. Weiter war an diesem Tage die erste Probefahrt der Bagage. Hohe Anforderungen wurden in diesen Tagen auch an die Verpflegungsoffiziere gestellt, welche die Lebensmittelwagen zu füllen hatten, da sich in Mainz bereits ein gewisser Mangel geltend machte. An Brot z. B. fehlte es in diesen Tagen bei uns auch, so daß wir aus eigener Tasche kaufen mußten.

Am 12. August morgens früh marschieren 1. und 2. Bataillon in Mainz mit Gefechts- und großer Bagage nach der sogenannten Pariser Straße und von da über Bretzenheim und Gonsenheim nach dem großen Sand. In den genannten Orten werden wir überall freudig begrüßt und uns Erfrischungen, namentlich Obst, angeboten. Die Hitze ist groß, trotzdem gibts nur wenig Schlappe. Auf dem großen Sand entwickelt sich nach kurzer Rast ein Scheingefecht in der Richtung Mombacher Plantage und Bruchspitze. Die Entwicklung vollzieht sich ganz vorzüglich. Der Scheinangriff gelingt fast wie bei der aktiven Truppe.

Das, was unsere Gegner preußischen Drill nannten, wir aber militärische Erziehung heißen, bewährte sich glänzend auch bei der Landwehr. Trotzdem Offiziere, Offizierstellvertreter und Mannschaften vielfach mehrere Jahre nicht mehr eine militärische Uebung abgeleistet hatten, sah man hier eine Prachtleistung. Der [S. 12] patriotische Schwung jener Tage hatte eben auch unsere Mannschaften ergriffen. In Worms fand eine ähnliche Uebung im Rosengarten statt, an die sich dann ein Marsch nach Bürstadt schloß.


Persons: Gros, Oberstleutnant
Places: Bretzenheim · Bürstadt · Gonsenheim · Mainz · Mombach · Worms
Keywords: Manöver · Patriotismus · Landwehr-Infanterieregiment 118
Recommended Citation: „Johannes Ledroit, Mobilisierung des Hessischen Landwehr-Infanterie-Regiments 118, 1914, Abschnitt 4: Regimentsappell und Manöver“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/43-4> (aufgerufen am 19.04.2024)