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Die Kaserne des 1. Großherzoglich Hessischen Garde-Dragoner-Regiments Nr. 23 am Marienplatz in Darmstadt, um 1914

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Das Garde-Dragoner-Regiment Nr. 23 auf den Schießständen bei Darmstadt

↑ Otto Frhr. von Brandenstein, Der Ausmarsch des Garde-Dragoner-Regiments Nr. 23 aus Darmstadt, 1914

Abschnitt 1: Das Regiment vor der Mobilmachung

[10] Wie für das ganze deutsche Volk und das gesamte Heer, so kam auch für unser Regiment der Ausbruch des Krieges im August 1914 trotz der schon länger drohenden Wetter am politischen Horizont unerwartet. Für den 19. Juli war eine größere Übung des Regiments gegen die Aschaffenburger Jäger angesetzt. Die Entscheidung über Krieg und Frieden stand vor der Tür. Sollte wirklich noch der Main, die angenommene Grenze, unser Marschziel sein ? Oder sollten wir in der Garnison abwarten, ob unser nächster Ausmarsch über den Rhein und über die wirkliche Grenze ging ? – Die Übung fand statt. Nachdem wir in Ortschaften jenseits Messel angelangt waren, nahm sie ihren Lauf. Die Lage war jedem bekanntgegeben. Patrouillen waren abgeschickt, Sicherungen ausgestellt. Der Regimentskommandeur, Oberstleutnant Freiherr v. Brandenstein, kontrollierte die Unterkünfte sowie ihre Sicherungen und fragte die Führer nach ihren Entschlüssen und Anordnungen. Die Sache war also wirklich ernst.

Doch bald forderte der wahre Ernst seine Rechte. Die Übung wurde abgebrochen. Rückmarsch nach Darmstadt. Das Generalkommando des XVIII. AK hatte telefonisch bekanntgegeben: Da Russland im geheimen mobilisiere, bestehe die Möglichkeit, dass unser Heer binnen kürzester Frist mobilisiert werden müsse. Viel erfuhren wir zunächst nicht bei unserer letzten „kriegsmäßigen“ Friedensübung. Satteln, Aufmarschieren. Hurra Kaiser und Großherzog, hurra Deutsches Reich und Hessenland! Beim Heimritt zeigte sich bei glänzender Marschdisziplin glühendste Begeisterung. Das war kein Singen wie sonst auf dem Marsch. Im Trabe wie im Schritt brauste es wirklich wie Donnerhall, und jedem von uns war es ein ernster Schwur:

„Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein,
Wir wollen Deutschlands Hüter sein !“

Wie herrlich war es dann, zu sehen, wie in Darmstadt auch überall diese hohe Stimmung herrschte: Macht Russland nicht seine Mobilmachung sofort rückgängig, so bleibt uns keine Wahl, und „Krieg“ ist der einheitliche Wille des gesamten deutschen Volkes. Unser aller erwartungsvollste Spannung löste sich in einem Jubel sondergleichen auf, als am 31. Juli 1914 S.M. der Kaiser den „Zustand drohender Kriegsgefahr“ anordnete. Der 2. August war dann erster Mobilmachungstag.


Persons: Brandenstein, Otto Freiherr von · Wilhelm II., Deutsches Reich, Kaiser
Places: Aschaffenburg · Messel · Darmstadt · Russland
Keywords: Garde-Dragoner-Regiment Nr. 23 · Manöver · Armeekorps XVIII · Wacht am Rhein · Mobilmachung · Aschaffenburger Jäger
Recommended Citation: „Otto Frhr. von Brandenstein, Der Ausmarsch des Garde-Dragoner-Regiments Nr. 23 aus Darmstadt, 1914, Abschnitt 1: Das Regiment vor der Mobilmachung“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/16-1> (aufgerufen am 26.04.2024)