Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Heinrich Höhle, Kriegstagebuch eines Lehrers aus Landau, 1914-1919

Abschnitt 9: Revolution, Kriegsende und Gefallene aus Landau

[19-20] Im November kam die Revolution. Das Heer flutete zurück. Auch bis nach Landau kamen Truppen, die von hier in die Heimat entlassen wurden um die Jahreswende 1918/19. Vor dem Rathaus u. der Schule standen Geschütze u. viele Wagen. Die Pferde waren in Ställen u. Scheunen untergebracht u. so ausgehungert, daß sie das trockene Holz der Krippen u. Ständer fraßen.

Nun wurden auf der Wahne Wagen, Pferde, Geschirre u.s.w. aus dem Heeresbestand meistbietend verkauft, u. buchstäblich wurde deutsches Eigentum verschleudert, vergeudet. Ein gutes Pferd wurde für 30 - 40 Papiermark verkauft, was einem Goldwert von 10 - 12 M entspricht. Voll Abscheu mußte man sich abwenden von solcher Schmach.

Der nun folgende Zusammenbruch Deutschlands ist überall beschrieben worden. Ich möchte nur noch erwähnen, daß die Geldentwertung (Inflation) immer weiter fortschritt, bis endlich 1923 1 Billion Papiermark 1 Goldmark gleich im Wert gesetzt wurde. Damit war alles sauer ersparte Vermögen in den Kassen vernichtet, und alle Leute mit Vermögen in barem Geld waren bettelarm geworden. Ich war während des Krieges Rechner unserer Spar- u. Darlehenskasse; dann wurde ich auch Vorsitzender. Obwohl unsere Kasse nicht aufzuwerten brauchte, ist es uns doch möglich gewesen nach einigen Jahren 8 % des Einlagekapitals aufzuwerten. Es mußte von neuem gespart werden.

Unsern tapfern treuen Toten des Weltkrieges zum Gedächtnis habe ich die Bilder von den Helden gesammelt u. dem Photographen Ewald in Kassel1 übergeben mit dem Auftrage, die Bilder so zu gestalten, daß sie in einem großen Rahmen zu einem Bilde vereint im Schulsaal der 1. Klasse allen Kindern ein leuchtendes Vorbild sein sollen für alle Zeiten. [S. 20]

Am Totensonntag des Jahres 1919 habe ich die Angehörigen der Gefallenen zu einer würdigen Feier in die Schule eingeladen u. ihnen das fertige Bild übergeben.

Mit Absicht habe ich keine Namen unter die einzelnen Bilder geschrieben, einmal, weil der Gesamteindruck gestört würde, zum andern, weil unsere Kinder nicht die Namen gedankenlos ablesen sondern sich die Bilder tief einprägen sollen in ihr Herz. Ein Geschlecht soll dem andern die Namen mündlich weitergeben bis in ferne Zeiten.


  1. Möglicherweise meint der Chronist hier den bekannten Kasseler Fotografen Carl Eberth.

Persons: Höhle, Heinrich · Eberth, Carl
Places: Landau · Kassel
Keywords: Novemberrevolution · Geschütze · Pferde · Inflation · Sparkassen · Truppenrückmarsch · Demobilmachung
Recommended Citation: „Heinrich Höhle, Kriegstagebuch eines Lehrers aus Landau, 1914-1919, Abschnitt 9: Revolution, Kriegsende und Gefallene aus Landau“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/15-9> (aufgerufen am 20.04.2024)