Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Louis Betschart, Evakuierte Elsässer in Hünfeld, Fulda und der Rhön, 1916-1918

Abschnitt 1: Das Dorf Illfurth unter französischem Beschuss

[114-115]
[...] Unterdessen war neue Einquartierung ins Dorf gekommen. Hilfsdienstler nannten wir sie. Zuerst wurde die Umgehungsbahn der zerschossenen Illbrücke vom oberen Barrier her erbaut, die uns wieder gelegentliche Schüsse aus dem Forst einbrachte. Dann marschierten diese Hilfsdienstler Tag für Tag in den Hinteren Wald. Man munkelte und munkelte. Die Alten hörten das Gras wachsen. Spottvögel meinten: « 's Järgebrünnele» werde modernisiert, «nachdem die Bomben und Granaten den Storch vertrieben haben». Auch die Soldaten wussten nicht, was gespielt wurde. Nur war es verdächtig, als die neu erbaute Normalspurbahn, die von Flachslanden aus in den Hinteren Wald gebaut war, immer mehr Nachtbetrieb aufwies. Es kamen auch immer mehr Beobachtungsflugzeuge, die sich um die Burg und den Hinteren Wald interessierten, so dass Realisten sagten: Das endet nicht gut für uns. Auch der runde Fesselballon im Forst wurde näher an die Front gebracht und war fast dauernd in der Höhe.

Auf einmal fiel ein unheimliches Wort im Dorfgespräch : Illfurth wird evakuiert! Und zwar wegen der Beschiessung. In Wirklichkeit waren die Vorbereitungen im Hinteren Wald ziemlich fertig. Vom «Hüsherr sim Barrir» war auch noch eine Schmalspurbahn dorthin gebaut worden durch den Hohlen-Graben. [S. 115]

Ab Mitte Dezember heulten die Granaten ziemlich regelmässig zwischen sechs und sieben Uhr Richtung Bahnhof. Dabei bekamen die Anwesen von H. Oberst und H. Wolf Ernest (Mürer Nest) und Ganser Camille schwere Einschläge. Erst recht wurde es ungemütlich, als sich die Beschiessungen ab Mitte Januar verdoppelten. Damit war das Signal für den Auszug gegeben. Man legte den Leuten, die in nördlicher Richtung (also nicht dem Sundgau zu) Verwandte hatten, nahe, sich dort in Sicherheit zu bringen. Damit begann die grosse Abwanderung. Leiterwagen, Dielenwagen, Mistwagen, alte Breack und Kutschen, alles musste aus den Remisen heraus und die alten Möbel wegtransportieren helfen. Immer mehr Fensterläden wurden geschlossen.

Am 25. Januar — ich stand gerade im « Gassle », die Milchkanne in der Hand — ertönten auf einmal wieder die bekannten drei Abschüsse, gefolgt von dem unheimlichen Pfeifen. Instinktmässig duckte ich mich auf den Boden. Und schon schlug eine der Granaten in das Haus von Blechschmied Antoine (Kraft). Eine Feuerflamme fuhr gegen Himmel, weil auch die elektrische Leitung getroffen war. Die stille, gute Frau Kraft ist dabei schwer getroffen worden und starb auf dem Weg zum Spital. Eine Granate war in Nico's Hof geplatzt und hatte die Südseite schwer mitgenommen. Und so ging es weiter.


Persons: Betschart, Louis
Places: Illfurth · Sundgau
Keywords: Einquartierungen · Granaten · Evakuierung
Recommended Citation: „Louis Betschart, Evakuierte Elsässer in Hünfeld, Fulda und der Rhön, 1916-1918, Abschnitt 1: Das Dorf Illfurth unter französischem Beschuss“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/115-1> (aufgerufen am 24.04.2024)