Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Groß-Gerau Karten-Symbol

Gemeinde Groß-Gerau, Landkreis Groß-Gerau — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1286

Location

64521 Groß-Gerau, Adolf-Göbel-Straße 5 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt I

religiöse Ausrichtung

liberal

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1938

Art des Verlusts

Zerstörung

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Schon seit dem ausgehenden Mittelalter wohnten Juden in Groß-Gerau. 1286 schenkte Rudolf von Habsburg dem Grafen von Katzenelnbogen einige Juden, von denen manche wohl auch in Groß-Gerau wohnten. Ein örtlicher Friedhof wurde erstmals 1360 erwähnt.1 1401 wurden vier Juden namentlich genannt, die Abgaben zu leisten hatten: Josef, Simon, dessen Tochter Jutta und Nathan. Zwischen 1524 und 1526 nahm Landgraf Philipp der Großmütige vorübergehend keine Juden in Hessen auf. Rechnungsauszüge der landgräflichen Kammer führen wie in anderen Orten des Kreises auch für Groß-Gerau 1619 und 1621 jeweils einen jüdischen Bewohner, der abgabepflichtig war, 1623 waren es bereits vier.2 Diese Zahl lässt aufhorchen: Etwa zur gleichen Zeit, um 1620 ist von einer Synagoge im Ort zu lesen. Diese Einrichtung ist aber erst möglich, wenn Minjan erreicht ist, das heißt, wenn zehn oder mehr im religiösen Sinne mündige Männer zusammenkommen. Diese zehn Männer können kaum aus nur einer abgabenpflichtigen Familie stammen. Dies wiederum bedeutet, dass die Zahl der in den Rechnungen angeführten Abgabenpflichtigen nicht zwangsläufig mit der Zahl der jüdischen Familien im Ort gleichzusetzen ist. Dies kann aber auch bedeuten, dass Juden aus umliegenden Ortschaften den Gottesdienst in Groß-Gerau besuchten und Mitglied der dortigen Gemeinde waren.

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde auch die Synagoge zerstört.3 1660 wollte die örtliche Judenschaft eine neue bauen, erhielt zunächst dafür auch den landesherrlichen Konsens. Dieser wurde allerdings wenig später zurückgezogen. Die abermalige Bestätigung der Stadtrechte 1663 hatte zur Folge, dass die Juden, wie in Gießen und Darmstadt auch, die Stadt zu verlassen hatten, weil man ihre Konkurrenz fürchtete. Drei Familien ließen sich in Pfungstadt nieder. Die in der Stadt verbliebenen mussten, wenn sie die Synagoge besuchen wollte, nach Bensheim oder Gernsheim, vielleicht sogar nach Mainz gehen. Innerhalb Groß-Geraus setzte ein heftiger Verdrängungskampf zwischen den Händlern ein. Zwar durften Juden nur Vieh-, Leinwand- und Spitzenhandel betreiben, aber auch dagegen versuchten christliche Händler vorzugehen. Die Stadt verlangte sogar von der Landesherrschaft, die Juden aus Stadt und Land zu vertreiben. 1706 ging der Landgraf scheinbar darauf ein, stellte aber gleichzeitig weitere Schutzbriefe aus, die ihm finanzielle Einnahmen brachten. 1738 lebten 60 und 1740 schon wieder 70 Juden in der Stadt.4 Die Reibereien zwischen der Stadt und ihren Bürgern und den Juden bestanden fast über das gesamte 18. Jahrhundert. Erst 1787 urteilte die Landesregierung schließlich, „So wird die Stadt Groß-Gerau mit ihren bodenlosen und sehr unbefugten Beschwerden schlechterdings zur Ruhe verwiesen.”5

Zu dieser Zeit war Marcus Meyer, gebürtig aus Halberstadt, Rabbiner und Kantor der Gemeinde.6

Trotz dieser Auseinandersetzungen fanden zwischen 1722 und 1766 insgesamt zehn Judenlandtage in Groß-Gerau statt. Die Familien verdienten ihren Lebensunterhalt überwiegend mit Vieh- und Tuchhandel. Es wird davon ausgegangen, dass sich während dieser Zeit jüdische Kaufleute in stadtnahen Gemeinden niederließen.

Anfang des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der Gemeindemitglieder zurück, das Feld der Erwerbstätigkeit erweiterte sich 1813 auf den Handel mit Mehl, 1815 auf den mit Eisenwaren.

1827 wurde ein Brautausstattungsverein gegründet, der bedürftigen Bräuten eine Mitgift spendete. Zudem bestand ein Krankenunterstützungsverein.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Gemeindemitglieder vor allem durch Zuzug aus den umliegenden Landgemeinden wieder an. So meldete beispielsweise Baruch Marxsohn aus Königstädten den Betrieb einer Brauerei an, die von Anfang an als Großbetrieb geplant war. Aus ihr ging die Union-Brauerei hervor, die bis 1967 bedeutender Wirtschaftsfaktor der Stadt war.7 Etwa gleichzeitig wurden erste antisemitische Töne in der Stadt hörbar. 1881 rief der Gemeindevorstand dazu auf, das Groß-Gerauer Kreisblatt wegen antisemitischer Tendenzen zu boykottieren.

Trotzdem scheint das jüdische Leben in der Stadt um die Jahrhundertwende weitgehend normal verlaufen zu sein. Juden waren Mitglieder in Vereinen und engagierten sich. So war Heinrich Hirsch in den Jahren 1919 bis 1921 stellvertretender Bürgermeister, zeitweise auch Vorstandsmitglied der Industrie- und Handelskammer Hessen.8

1931 wurde das Denkmal zur Erinnerung an die im ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten aus dem Kreis Groß-Gerau eingeweiht. An den Feierlichkeiten nahmen auch Würdenträger und Vertreter der Stadtverwaltung, ein katholischer Priester und andere nichtjüdische Organisationen teil.

1924 erreichte die Gemeinde mit 161 Personen ihren höchsten Mitgliederstand. Wenig später sagte der protestantische Pfarrer Scriba in aller Öffentlichkeit „Wir verzichten auf die 150 Juden, nehmt sie nach Frankfurt!”9

Mit ihren 34 Familien zählte die Gemeinde in Groß-Gerau zu den größten hessischen Landgemeinden vor 1933. 1936 lebten nur noch zwölf Familien in der Stadt.

Unter den Boykottaufrufen am 1. April 1933 hatten jüdische Geschäftsleute in der Stadt sehr zu leiden. Immer wieder kam es zu Übergriffen auch auf Kinder, so dass schon Mitte 1935 die jüdischen Schüler die öffentlichen Schulen verlassen mussten. Sie besuchten fortan das Gymnasium in Mainz.

Außer dem neuen Friedhof besaß die jüdische Gemeinde das Gelände des Alten Friedhofs und ein Haus in der Darmstädter Straße 26 neben dem Alten Friedhof, unweit des Kreishauses. Es war an die Kreisbauinspektion vermietet, die dort in drei Räumen Büros unterhielt.10 Schon vor dem Ersten Weltkrieg versuchte die Kreisverwaltung vergeblich, dieses Haus zur Erweiterung des Kreishauses anzukaufen. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten erhöhte sich der Druck und endete schließlich im Juni 1936 mit dem Verkauf. Der Kaufpreis betrug 18.000 Reichsmark, wobei während der Verhandlungen für den Fall der Weigerung auch mit Enteignung gedroht worden war. Unentgeltlich überlassen wurde das Gelände des Alten Friedhofs, wobei weitere 2.000 Reichsmark für die Umbettungen zu zahlen waren.11 Diese Umbettungen fanden bis Anfang 1937 zumeist unter Aufsicht örtlicher SA-Männer statt.

Betsaal / Synagoge

1401 besaß einer der vier steuerpflichigen Juden Groß-Geraus ein Haus, in dem vermutlich Gottesdienst gehalten wurde. Im ausgehenden 16. Jahrhundert wurde eine Synagoge erbaut, die im Laufe des Dreißigjährigen Krieges – wie Groß-Gerau auch – zerstört wurde. Ein Bericht des Zentgrafen fasste 1660 mehrere Zeugenaussagen zusammen, denen zufolge „vor ungefehr 40 Jahren, und vor dem Krieg, ein Bawgen alhier zwischen Meister Georgen des Barbierers und Philips Wolffen des jetzigen Glöckners Haus gestanden, darin hetten, nicht allein alle hiesige eingesessene, sondern auch alle frembdte Juden, sowohl inner-, als auch außer Landes hierherumb, ihre Synagog gehalten”12. Neben dieser Ruine standen noch 34 mehr oder weniger beschädigte Häuser, in denen die verbliebenen 50 Einwohner lebten. 1660 wohnten bereits wieder 15 Juden in der Stadt. Dem Antrag auf Bau einer neuen Synagoge wurde zunächst stattgegeben, die Zusage aber wenig später, vermutlich auf Veranlassung örtlicher Kaufleute zurückgezogen. Zu hohen Feiertagen mussten die Synagogen in den zu Mainz gehörenden Ortschaften Bensheim oder Gernsheim, vielleicht sogar die in Mainz selbst besucht werden. 1665 wurde dieses Verbot insofern gelockert, als dass gestattet wurde, in einem Privathaus Gottesdienst zu halten. Bis zum Bau einer neuen Synagoge sollten aber noch mehr als 70 Jahre vergehen.

1738, in diesem Jahr lebten wieder 60 Juden in der Stadt, beauftragten Moses Ahron, Aron Mortge und Sussmann Salomon den Baumeister Johann Adam Lautenschläger mit dem Bau der neuen Synagoge auf dem Grundstück des Schutzjuden Aron am Burggraben (vermutlich im Bereich der heutigen Adresse Am Burggraben 3). Bis zu diesem Zeitpunkt nutzte die Gemeinde ein Versammlungslokal im Hinterhaus von Jekoff Götschel in der Kirchgasse. Dieses war nicht nur baufällig geworden, sondern lag auch zu nahe an der Kirche. Die neue Synagoge nahm gleichzeitig eine Wohnung für den Vorsänger auf. Der landesherrliche Konsens wurde im Dezember 1740 erteilt.13 Als Auflage für die Genehmigung mussten allerdings 30 Gulden an den evangelischen Kirchenkasten gezahlt werden. Zudem durfte das Gebäude nur im hinteren Bereich der Hofreite errichtet werden.14 Rund 150 Jahre lang diente es den Gemeindemitgliedern aus der Stadt und den umliegenden Ortschaften als Synagoge.

1845 bezeichnete das städtische Bauamt den Zustand der Synagoge als schlecht. Das Dach war schadhaft, Fenster und Vortreppen bedurften ebenso einer Reparatur wie der Innen- und der Außenanstrich. Viel wichtiger war aber, dass die innere Einrichtung als unzweckmäßig und vor allem als zu klein dargestellt wurde. Sie bot Platz für maximal 60 bis 64 Männer. Eine deutliche Verbesserung und Reparatur der Schäden sollte knapp 200 Gulden kosten. Gegen diese Auflage protestierte der Gemeindevorstand mit dem Argument, er habe keine Mittel. Gleichwohl wurden Arbeiten durchgeführt, ebenso wie im Jahr 1864.15

Gerade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs aber die Zahl der Gemeindemitglieder und Besucher in der Synagoge. Aus dem Jahr 1888 wird berichtet, dass 140 bis 170 Personen zu dem hohen Fest im September in der Synagoge erwartet wurden. Nicht zuletzt diese Schätzung führte zu Überlegungen, eine neue Synagoge bauen zu lassen. Die Finanzierung sollte zumindest teilweise durch eine Lotterie aufgebracht werden, allerdings verkauften sich die Lose nur sehr schlecht. Trotzdem konnte der Gemeindevorstand im März 1890 genehmigungsfähige Pläne des Kreistechnikers Johannes Lohr und einen Kostenvoranschlag für den Bau der neuen Synagoge vorlegen.16 Im Juni des gleichen Jahres erwarb die Gemeinde zwei Grundstücke vor dem Hospitaltor17, dem sogenannten Schwenk, und führte sie zu einem zusammen, auf dem die neue Synagoge erbaut wurde. Ende 1892 ließ sie die Thorarollen für 292 Mark bei dem Thoraschreiber O. Levy in Frankfurt ausbessern und 1894 verkaufte sie die alte Synagoge samt Grundstück für 2.000 Mark an die Witwe von Joseph Oppenheimer.18

Die neue Synagoge wurde am 9. und 10. September 1892 unter Mitwirkung der beiden Rabbiner Selver aus Darmstadt und Saalfeld aus Mainz festlich eingeweiht. Das neue Gebäude stand nördlich des Mühlgrabens, südwestlich des Bahnhofs, in einem Bereich der Stadt, der zu dieser Zeit gerade erst bebaut wurde (im Bereich der heutigen Nummer 3/5). Eigentlich zweigeschossig, überragte die dreigeteilte Westfassade die Dachfläche und die umgebende Bebauung. Allein damit fiel sie innerhalb des überwiegend mit zweigeschossigen Wohnhäusern bebauten Quartiers besonders auf. Die Dreigliederung der Fassade entsprach der inneren Aufteilung. Der zentrale Turm wurde von einer Kuppel bekrönt. Die horizontale Gliederung erfolgte mittels dreier Gesimse, deren oberstes die beiden Gesetzestafeln trug. Alle drei Fassadenteile wurden jeweils von polygonalen Pfeilern eingerahmt, „die kleine Laternen mit Kuppelbedachung krönen und wesentlich über das Abschlussgesims hinaus gezogen sind. Die Rundbogenfenster durchlaufen nicht beide Geschosse, sondern geben die innere Doppelgeschossigkeit wieder. Die Westfassade der Groß-Gerauer Synagoge erweckt den Eindruck einer Basilika mit niedrigen Seitenschiffen dadurch, daß die beiden Eckrisalite niedriger sind als der mittlere Teil. Im Gegensatz zu diesen christlichen Merkmalen erinnern die überkuppelten Pfeiler an den Ecken an arabische Minarette. Die Bauform und das Material (rote Klinkersteine) trugen dazu bei, daß die Synagoge sich aus der Reihe der anderen Gebäude im Stadtbild hervorhob. Die optische Unterscheidung durch den etwas orientalisierenden Baustil ist wahrscheinlich der Ausdruck dafür, daß die Groß-Gerauer Juden in einem schon hohen Grad integriert waren.”19 Die Glasfenster schuf der Glasmaler Friedrich Endner, Darmstadt.20

Bereits im August 1934 drangen unbekannte Täter in die Synagoge ein, verwüsteten die Thorarollen und zerstörten religiöse Gebrauchsgegenstände. Gleichwohl, vielleicht auch gerade wegen der aufkommenden Anfeindungen, verwandelte sich die Synagoge in ein religiöses Gemeindezentrum unter der Leitung des jungen energischen Karl Hartogsohn. Die Gottesdienste fanden regelmäßig montags und donnerstags sowie freitags und samstags statt. Diese und andere Gemeindeaktivitäten mussten ab Sommer 1936 eingeschränkt werden.

Die Synagoge bot Platz für 116 Männer und 68 Frauen. Dementsprechend verfügte die Garderobe über 185 Einheiten. Zudem gab es den Thoraschrein mit Altaraufbau, eine ebenso kunstvolle Holzarbeit wie das Almemor mit Vorlesepult und Wickelbank. Eine bronzene Gedenktafel erinnerte an die jüdischen Gefallenen der vorangegangenen Kriege, eine weiße Marmorplatte führte die zehn Gebote. Von der Decke hingen vier bronzene Hängeleuchter, an den Wänden waren zwölf Seitenleuchten angebracht. Zwei weitere Leuchter warfen Licht auf den Thoraschrein. Zwei Schränke bewahrten die Kultgegenstände auf, zu denen auch solche aus anderen Gemeinden gehörten, die diese bei deren Auflösung abgegeben hatten.21

Diese Gebäude wurden auf Befehl des Führers der SA-Gruppe Kurpfalz Mannheim vom 10. November 1938 angezündet.22 Die Aktion selbst führte der SA-Gruppenleiter der Standarte 221 Rüsselsheim mit Akteuren sowohl aus Rüsselsheim, als auch aus Groß-Gerau durch. Dabei wurde auch die Einrichtung, beispielsweise das Gestühl, die Empore, die fünf Thorarollen - zwei davon waren sehr alt und hatten einen Wert von 20.000 Mark -, zehn Thoramäntel, Kronen, Gehänge, Lesefinger, Teller, Kannen, Decken, Goldkronen und vieles mehr zerstört.23

Anschließend wurden auch Privathäuser überfallen, Menschen verprügelt, verhaftet und deportiert.

Noch 1938 wurden die Ruinen der Synagoge abgetragen, der Platz gesäubert und leer liegen gelassen. Am 11. November 1988 errichtete die Stadt eine Gedenktafel. „Hier stand das 1892 erbaute Gotteshaus der jüdischen Gemeinde, die über 600 lang existierte. Heute lebt ein einziger Jude in der Stadt. Er war nach dem Krieg aus dem Konzentrationslager zurückgekommen: Ludwig Goldberger.” Auch er wurde nach seinem Tod auf dem Friedhof in der Theodor-Heuss-Straße bestattet. Im November 2005 wurde der ehemalige Platz der Synagoge neu gestaltet und ein neues Denkmal eingeweiht.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Es ist davon auszugehen, dass spätestens mit der Benutzung eines gemeinsamen Gebetsraumes im späten Mittelalter in Groß-Gerau auch mindestens eine Mikwe bestand. Sie ist zwar nicht zwangsläufig Bestandteil einer Synagoge, gehört aber zur unverzichtbaren Ausstattung jeder Gemeinde, gelegentlich auch eines Privathaushaltes.

Wenige Jahre nach dem Bau der neuen Synagoge 1892 wurde 1894 auf dem gleichen Grundstück auch eine Mikwe errichtet. Es handelte sich um einen leicht erhöht gelegenen, einstöckigen, kleinen Nebenbau unter Satteldach. Eine Treppe mit fünf Stufen führte in den Eingang der Giebelwand, durch den zunächst das Vorzimmer betreten wurde. Daran schlossen sich das eigentliche Badezimmer mit einer Badewanne für die Körperreinigung, ein Ofen und das eigentliche Bad an. Gespeist wurde dieses aus dem Wasser des Schwenks.

Auch dieser Gebäudeteil wurde in der Pogromnacht überfallen und zerstört, der Platz anschließend geräumt und leer liegengelassen.

Cemetery

Schon früh zählten umliegende Gemeinden zum Friedhofsverband Groß-Gerau und ließen ihre Verstorbenen dort bestatten. Aufgrund fehlender Unterlagen und Grabsteine lässt sich heute nicht mehr detailliert nachweisen, welche Gemeinde zu welchem Zeitpunkt dazu gehörte.

Der älteste jüdische Friedhof Groß-Geraus stammt aus dem 13./14. Jahrhundert. Er lag in der Hermann-Löns-Straße, etwa im Bereich der heutigen Nr. 14, respektive unter dem benachbarten Parkplatz.

Ab etwa 1600 wurde der Friedhof an der Jakob-Urban-Straße belegt, ein rund 10 mal 200 Meter langer Streifen, der die Helwigstraße etwa im Bereich der heutigen Hausnummern 13/15/17 gekreuzt haben muss. Bestrebungen des Kreisamtes Groß-Gerau, diesen Friedhof anderen Nutzungen zugänglich zu machen, begannen bereits vor dem ersten Weltkrieg.24 In den 1930er Jahren nahmen sie dann allerdings konkrete Formen an. Im Laufe der Verhandlungen hatte das Amt auch damit gedroht, den Friedhof und das angrenzende, der Gemeinde gehörende Haus zu enteignen, sollte es nicht zu einem Verkauf kommen. Nach einer Schändung des Friedhofs 1936 wurde das benachbarte Haus verkauft und das Gelände offen gelassen. Unter Aufsicht des Rabbiners hatten Gemeindemitglieder die Gräber zu öffnen und die Gebeine zu entnehmen. Dabei entdeckte man ein Kindergemeinschaftsgrab vermutlich aus dem Dreißigjährigen Krieg. Unter dem Gejohle des zuschauenden Pöbels und unter Aufsicht von SA-Leuten wurden die Leichenreste auf den neuen Friedhof verbracht und dort in einem Gemeinschaftsgrab erneut bestattet.25

Der Neue Friedhof wurde 1841 auf einem Gelände weit außerhalb, südöstlich des damaligen Siedlungsbereiches angelegt. Heute verläuft an ihm die Theodor-Heuss-Straße, südwestlich grenzt das städtische Freibad an. Hier lassen sich noch heute Gräber Verstorbener aus Arheiligen, Astheim, Biebesheim, Bischofsheim, Büttelborn, Crumstadt, Dornheim, Egelsbach, Erfelden, Geinsheim, Ginsheim, Goddelau, Gräfenhausen, Griesheim, Groß-Gerau, Kelsterbach, Klein-Gerau, Königstädten, Langen, Leeheim, Mörfelden, Nauheim, Rüsselsheim, Stockstadt, Trebur, Walldorf, Wallerstädten, Weiterstadt, Wolfskehlen und Worfelden finden. Er wurde 1909, 1918, 1938 und 1963 geschändet. Am 5. Juni 1938 wurde ein Bestattungsverbot verhängt. Bestattungen hatten nun in Mainz stattzufinden.

Zwei Mitglieder der Familie Goldberger, deren Vater als letzter für den Friedhofsverband angestellt war, kamen im Mai 1945 als Soldaten alliierter Truppen nach Groß-Gerau zurück. Ludwig Goldberger blieb in der Stadt. Er und seine Frau wurden ebenfalls auf dem Friedhof bestattet.

Heute lassen sich auf dem 5.668 m² großen Gelände ca. 1.200 Grabstätten finden.

Groß-Gerau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Schneider: Juden von Groß-Gerau, S. 7
  2. HStAD O 61 Müller, 5
  3. Schneider: Juden von Groß-Gerau, S. 7
  4. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 112
  5. Zitiert nach Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 114
  6. HHStAW 365, 379
  7. Schneider: Juden von Groß-Gerau, S. 3
  8. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 121
  9. Zitiert nach Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 121
  10. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 36
  11. HStAD G 17, 175
  12. Zitiert nach Diehl: Groß-Gerauer Synagogen
  13. Diehl: Groß-Gerauer Synagogen
  14. Schneider: Juden von Groß-Gerau, S. 14
  15. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 24
  16. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 24
  17. HStAD R 4, 11671
  18. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 24
  19. Bardon: Synagogen in Hessen, S. 354
  20. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 35
  21. Eine dezidierte Auflistung befindet sich in HHStAW 518, 1476.
  22. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 125
  23. HHStAW 518, 1476
  24. Schleindl/Salomon: Der jüdische Friedhof Groß-Gerau, S. 31
  25. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 124
Recommended Citation
„Groß-Gerau (Landkreis Groß-Gerau)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/38> (Stand: 22.7.2022)