Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Gräfenhausen Karten-Symbol

Gemeinde Weiterstadt, Landkreis Darmstadt-Dieburg — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1. Hälfte 18. Jahrhundert

Location

64331 Weiterstadt, Ortsteil Gräfenhausen, Hauptstraße 5/Postplatz | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1938

Art des Verlusts

Zerstörung

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Wann sich die ersten Juden in Gräfenhausen niederließen, ist nicht bekannt. Eine jüdische Gemeinde ist seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachweisbar. Seit dem 19. Jahrhundert waren auch die in Wixhausen, Erzhausen und Weiterstadt lebenden Juden Mitglieder dieser Gemeinde.1

Ende der 1820er Jahre betrug die Zahl der in Gräfenhausen lebenden Juden 34, weitere 39 lebten in den zu der Gemeinde gehörenden Nachbarorten. Im Verlauf des Jahrhunderts stieg sie an, um mit 63 im Jahre 1867 ihren höchsten Stand zu erreichen. Gleichzeitig lebten weitere 17 Juden in Erzhausen und Wixhausen. Danach sank die Zahl wieder und lag 1933 bei insgesamt 42 Personen. Zunehmender Druck und Repressalien während der nationalsozialistischen Herrschaft veranlassten 15 von ihnen aus Gräfenhausen zu fliehen. 27 jüdische Einwohner wurden deportiert und ermordet.2

Zuletzt am 16. Oktober 2015 verlegte der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine zur Erinnerung an die Familien Mai, Volz und Mannheimer. Bereits zwei Jahre zuvor, am 6. November 2013 wurden Stolpersteine verlegt, in der darauf folgenden Nacht zum größten Teil aber gestohlen wurden.

Betsaal / Synagoge

Im 18. und vermutlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts fand Gottesdienst in einem Betsaal in einem privaten Wohnhaus statt, dessen Lage heute unbekannt ist. 1846 beantragte die Gemeinde den Ankauf eines Seitenflügels auf der Hofreite des Fabrikanten Schwarz, um darin eine Synagoge einzurichten. Der Gemeindebaumeister hielt das Gebäude für untauglich, weshalb dieser Antrag zunächst abgelehnt wurde. Der Kreisbaumeister folgte zwar der Argumentation des Gemeindebaumeisters, schlug aber vor, den Ankauf zu genehmigen, da nur ein Teil des Gebäudes als Synagoge, der übrige Teil als Mikwe genutzt werden sollte. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass dieses Vorhaben nicht realisiert wurde.

Ab 1855 nutzte die Gemeinde ein Haus in der späteren Hauptstraße, dessen Hofreite seit 1699 in jüdischem Besitz stand. Das Gebäude selbst war wohl um 1800 neu errichtet worden.3 Im teilweise aus Backsteinmauerwerk bestehenden Erdgeschoss befand sich neben der Lehrerwohnung die Mikwe, im Obergeschoss lag der Betraum mit Empore. Er enthielt 36 Plätze mit Pulten für Männer, 20 Plätze für Frauen, eine Garderobe mit 60 Einheiten, einen Thoraschrein mit künstlerischem Altaraufbau, ein Vorlesepult mit Wickelbank und zwei Leuchtern, eine Gedenktafel aus Marmor, einen Kronleuchter, zwei altertümliche Hängelampen, vier Seitenleuchter, eine Laubhütte, 25 Meter guten Läufer, einen Schrank für Kultgeräte und einen Ofen.4

Die Synagoge wurde in der Pogromnacht nicht zerstört. Am darauf folgenden Tag kam eine SA-Abteilung aus Darmstadt und forderte den Bürgermeister auf, die Zerstörung durchzuführen. Die im unteren Stockwerk wohnende Familie Strauss wurde zuvor bei einer anderen Familie untergebracht. Noch während des Zweiten Weltkrieges trug die politische Gemeinde die stehen gebliebenen Außenwände ab, der freie Platz wurde nicht mehr bebaut und ist heute der Postplatz.5

1983 weihte die Gemeinde einen Gedenkstein zur Erinnerung an die jüdischen Bewohner und deren Synagoge ein.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

In einem Anbau der Synagoge befand sich die Mikwe, die sich aber 1938 bereits „seit vielen Jahren nicht mehr in brauchbarem Zustand“6 befand. Sie enthielt als Einrichtung Wäsche und Zubehör, Frisier- und Wartevorrichtung, elektrische Apparate und anderen Utensilien.7

Schule

In der Zeit um 1900 wurde in der Synagoge Unterricht gehalten.

Cemetery

Die in Gräfenhausen lebenden Juden bestatteten ihre Verstorbenen auf dem Verbandsfriedhof in Groß-Gerau.

Groß-Gerau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

Demnig, Gunter · Mai, Familie · Volz, Familie · Mannheimer, Familie · Schwarz · Strauss, Familie

Places

Wixhausen · Erzhausen · Weiterstadt · Groß-Gerau

Sachbegriffe Geschichte

Pogromnacht

Sachbegriffe Ausstattung

Pulte · Garderoben · Thoraschreine · Altaraufbauten · Vorlesepulte · Wickelbänke · Leuchter · Gedenktafeln · Kronleuchter · Hängelampen · Seitenleuchter · Laubhütten · Läufer · Schränke · Öfen

Sachbegriffe Architektur

Backstein · Emporen · Gedenksteine

Fußnoten
  1. Hoch, 1984, S. 3.
  2. Hoch, 1984, S. 38.
  3. HHStAW 503, 7340.
  4. HHStAW 518, 1469.
  5. Sellemols, 2003, 93.
  6. HHStAW 503, 7340.
  7. HHStAW 518, 1469.
Recommended Citation
„Gräfenhausen (Landkreis Darmstadt-Dieburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/95> (Stand: 27.9.2023)