Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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5021 Ziegenhain
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 52. Ziegenhain

Frielendorf Karten-Symbol

Gemeinde Frielendorf, Schwalm-Eder-Kreis — Von Bernd Lindenthal
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1587

Location

34621 Frielendorf, Hauptstraße 34 | → Lage anzeigen

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Frielendorf ist seit der Hessischen Gebietsreform von 1971/74 eine aus vormals 15 Einzelgemeinden bestehende Großgemeinde in Nordhessen. In vorliegenden Beitrag geht es um die namengebende Kerngemeinde Frielendorf.

Ein vom hessischen Landgrafen ausgestellter Schutzbrief belegt für das Jahr 1587 die Ansässigkeit des Juden Jacob.1 Im 17. Jahrhundert sind drei Juden in Frielendorf nachweisbar; in der Hessischen Judenstättigkeit von 1744 werden drei Familien genannt.2 In dem Marktflecken zwischen Homberg und Ziegenhain nahm die Gemeinde einen raschen Aufschwung von 18 Personen im Jahr 1749 auf 103 im Jahre 1836.3 1858 lebten 112 Juden in 20 Familien in Frielendorf, womit sie einen Anteil von über 14 Prozent an der Gesamtbevölkerung hatten. Den Höhepunkt erreichte die Jüdische Gemeinde zwischen 1895 und 1905 mit 129 Personen. In dem durch die Braunkohlenzeche mit Brikettfabrik aufstrebenden Industriedorf hatten 1930 noch 21 jüdische Gewerbetreibende ihr Auskommen: zehn Viehhändler, vier Textil- und Modeläden, drei Schuhgeschäfte, zwei Kolonialwarenläden, ein Metzger und ein Eisenwarenhändler. Juden waren auch Mitglieder in der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr, im Kriegerverein und im Turn- und Sportverein.

Um der schon vor 1933 massiv einsetzenden antisemitischen Diskriminierung und Verfolgung zu entkommen, verließen in der Folgezeit 84 Personen den Ort. Am 1. Oktober 1938 waren noch 14 Juden ansässig, von denen sechs im Begriff waren auszuwandern. 1939 verließen die letzten Juden Frielendorf. Mindestens 22 wurden Opfer des Holocaust. Nach 1945 gab die politische Gemeinde Frielendorf ein beschämendes Beispiel von verweigerter Wiedergutmachung, indem sie die Erben von sogenannten „arisierten“ Grundstücken nicht nur systematisch belog, sondern ein Grundstück sogar widerrechtlich bebaute. Nach jahrelangem Prozess vor dem Landgericht Kassel verlor die Gemeinde den Rechtsstreit und musste die Grundstücke herausgeben, was sie ohne Einsicht ihrer Schuld „nur unter dem Druck der Verhältnisse“ tat.4

Jüdische Personenstandsregister zu Frielendorf in Form von Geburts-, Trau- und Sterberegister liegen für die Zeit von 1790 bis 1837 (mit Lücken) vor.5 Die Register sind über Arcinsys digital einsehbar.

Betsaal / Synagoge

Ab 1829 wurden Teile des Wohnhauses von Elias Blum zu gottesdienstlichen Zwecken genutzt. 1834 kaufte die jüdische Gemeinde die Hälfte einer großen Scheune (heute Hauptstraße 34) und errichtete darin eine Synagoge.6 Der Zugang erfolgte von der Straße durch einen umzäunten Vorgarten. Die Frauenempore war einseitig. Das im Grundriss 7,25 Meter x 9,80 Meter große Gebäude wurde bereits 1857 in schlechtem baulichem Zustand begutachtet und zumindest eine Vergrößerung oder ein Neubau empfohlen, da kein Platz für eine Schule und ein Bad vorhanden sei. Beides unterblieb bis 1937, dem Ende des jüdischen Gemeindelebens. Im Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge demoliert und am 22. November 1938 an den Nachbarn Karl Lucas verkauft. Von dem Kaufpreis von 1.000 Reichsmark durfte der neue Besitzer für die ordnungsgemäße Ausbesserung der von außen sichtbaren Schäden 150 Reichsmark abziehen. Auch die Evangelische Kirchengemeinde hatte ein Kaufinteresse angemeldet. Die Kultgeräte und das Zubehör waren in die Kasseler Hauptsynagoge in der Unteren Königstrasse ausgelagert und sind dort in der Pogromnacht vernichtet worden. Darunter befanden sich sehr alte Thorarollen, Thorakronen, Thoraaufsätze und Thoraschilde, deren Wert in den Wiedergutmachungsakten mit 79 500 DM angesetzt wurde.7 Lediglich die drei Thorarollen, die Konrad Lucas nach dem Pogrom aus dem Schutt der Synagoge in Frielendorf geborgen und bei sich aufbewahrt hatte, überstanden die Zerstörung und wurden am 17. Oktober 1947 dem Jewish Committee Ziegenhain übergeben.8 Am 9.11.1988 wurde an der ehemaligen Synagoge eine Gedenktafel enthüllt.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Neben dem Schulgebäude stand ein Nebengebäude mit Mikwe.

Schule

Eine israelitische Volksschule existierte seit 1843, Unterricht wahrscheinlich schon seit 1834. Von 1847 bis 1926 unterrichteten Marcus Lion und dessen Sohn Hugo. Im Durchschnitt der Jahre 1858 bis 1910 hatte die Schule 32 Schüler. Ein eigenes Schulhaus mit Lehrerwohnung hatte die jüdische Gemeinde 1858 an der Hauptstraße 6 erworben. Im Mai 1933 wurden alle jüdischen Schulen im Kreis Ziegenhain aufgelöst, das Schulgrundstück wurde 1937 von der politischen Gemeinde gekauft.

Cemetery

Ihren ursprünglichen Friedhof musste die Jüdische Gemeinde an die expandierende Braunkohlenzeche abtreten. Ihr Wunsch, den christlichen Friedhof mitbenutzen zu dürfen, da die Juden zu einem Viertel am Steueraufkommen beteiligt seien, wurde abgewiesen. Daraufhin wurde im Sommer 1923 ein Grundstück an der Straße nach Großropperhausen (Bornbergsfeld) als Friedhof erworben und die Toten des alten Friedhofs im Winter 1923/24 umgebettet. Ein Gedenkstein, zugleich Kriegerdenkmal für den 1. Weltkrieg, erinnert daran. Im Novemberpogrom 1938 wurden auf dem Friedhof Grabsteine beschädigt und zerstört. Fehlende Inschriftenplatten weisen darauf hin. Das Friedhofsgelände einschließlich der Steine kaufte 1944 die Zivilgemeinde für 230 Reichsmark.9 Im Dezember 1950 erfolgte die Rückerstattung an die JRSO, wobei Instandsetzungskosten von 500 DM in Rechnung gestellt wurden.10

Der Friedhof hat eine Größe von 1.900 Quadratmetern. An Grabsteinen sind noch 114 Steine vorhanden. Davon stammen 98 vom alten Friedhof, beginnend mit dem Jahr 1850. 16 Steine der Zeit nach der Neuanlage kommen hinzu. Die letzte Beerdigung fand 1937 statt.

Frielendorf, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Löwenstein, Quellen 2, S. 595 f. Nr. 3173
  2. Demandt, Judenstättigkeit, S. 300
  3. HStAM 19 h, 913
  4. Bambey, Wiedergutmachung, S. 223 ff.
  5. HHStAW 365, 166, 189-195
  6. HStAM 180 Ziegenhain, 2429 und 2899. – Altaras, Synagogen, S. 151
  7. HHStAW 518, 1768
  8. Eine entsprechende Bescheinigung wird in der Familie Lucas aufbewahrt.
  9. HHStAW 519/2, 1767
  10. HHStAW 518, 1416
Recommended Citation
„Frielendorf (Schwalm-Eder-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/201> (Stand: 22.7.2022)