Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Fränkisch-Crumbach Karten-Symbol

Gemeinde Fränkisch-Crumbach, Odenwaldkreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1697

Location

64407 Fränkisch-Crumbach, Erbacher Straße 9 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Der erste namentlich bekannte Jude in Fränkisch-Crumbach war Löw, der 1697 ein Haus erwarb. Wenig später sind zwei jüdische Familien nachweisbar, 1730 waren es schon sechs. Nachdem die Anzahl jüdischer Familien bis 1761 auf sieben angestiegen war, verhängte die Gesamtherrschaft der Herren von Gemmingen und von Pretlack ein Niederlassungsverbot. Sechs der sieben ansässigen Juden mit ihren Familien waren sogenannte Schutzjuden, sie hießen Isaac Löw, Isaac Zadoch, Moses Zadoch, Isaac Mordechai, Moses Simon und Löw Mordochai. Ihre Zahl blieb bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts annähernd konstant.1 Die Zahl jüdischer Einwohner erreichte 1871 mit 105 Personen ihren sowohl absolut, als auch relativ höchsten Stand, was etwa 6,3 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte. Das Einkommen der Familien wurde überwiegend aus Händlertätigkeiten erwirtschaftet.

Nach der Annahme fester Familiennamen im Jahr 1808 erscheinen vielfach die Namen Oppenheimer, Karlsberg, Neu, Dornberg, Jonas, Jakob, Haas und Freitag.

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts kam es vereinzelt zu Ausschreitungen gegen jüdische Einwohner. Im März 1848 warfen Einwohner aus Fränkisch-Crumbach bei von Juden bewohnten Häusern die Fensterscheiben ein. Bevor allerdings die angeforderte Gendarmerie eintraf, hatten bereits andere Bewohner des Ortes wieder für Ruhe gesorgt.2

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründeten einige jüdische Bewohner Fabriken. Die für Fränkisch-Crumbach wohl bedeutendste war die um 1870 von Isaak Oppenheimer gegründete Zigarrenfabrik. Hier fanden zeitweise 100 bis 120 Arbeiterinnen und Arbeiter Beschäftigung. Ihr späterer Inhaber, Moritz Oppenheimer, wurde 1912 zum Geschäftsführer des als Genossenschaft gegründeten Elektrizitätswerks bestellt und 1913 in den Gemeinderat gewählt. Von 1930 bis 1931 war er stellvertretendes Mitglied im Oberrat des Landesverbands der israelitischen Religionsgemeinden in Hessen.3

Mit der Machtübergabe begannen in Fränkisch-Crumbach Ausschreitungen und Repressalien gegen Juden. Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wurden Wohnungen überfallen und deren Einrichtungen zerstört. Mehrere Männer wurden verhaftet und nach Buchenwald deportiert. Dies und der nachfolgende Wirtschaftsboykott hatten zur Folge, dass immer mehr jüdische Familien den Ort verließen. Seit Januar 1940 lebten keine jüdischen Menschen mehr in Fränkisch-Crumbach.

Betsaal / Synagoge

1739 bestand im Ort eine Gemeinde, die im Hause Zadoch ben Baruch Gottesdienst feierte. Zuvor hatten ihre Mitglieder die Synagoge in Reichelsheim besucht. Die Winkelsynagoge in Fränkisch-Crumbach wurde, weil sie als illegal galt, zunächst verboten, später aber wieder zugelassen.4 Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt wechselte die Versammlungsstätte in ein anderes privates Wohnhaus, bis 1874 die Synagoge in der Erbacher Straße eingeweiht wurde.

Der Komplex bestand ursprünglich aus drei unterschiedlich großen Baukörpern, die in Firstrichtung hintereinander gereiht waren. Zur Straße stand das mit einem Satteldach gedeckte Hauptgebäude. Es umfasste den Synagogensaal mit zweiseitiger Empore. Daran schloss sich das ehemalige Schulgebäude mit Schulstube im Erdgeschoss und Wohnung im Obergeschoss an. Die sich abermals daran anschließende Mikwe verfügte über einen eigenen Eingang, der über den Hof zugänglich war.

Die straßenseitige Giebelwand der Synagoge besaß zwei hohe Rundbogenfenster, die einen kleinen übergiebelten Erker flankierten. Hierin befand sich die Nische für den Thoraschrein. Einige hochliegende Rundbogenfenster in der Südwand haben sich erhalten.5

Durch den Rückgang der Gemeindemitglieder sank auch die Zahl der Gottesdienstbesucher, so dass die Synagoge 1936 geschlossen wurde. Im Frühjahr 1938 ging sie in den Besitz des benachbarten Kinobesitzers über, nachdem die Kultgegenstände aus der Synagoge nach Darmstadt ausgelagert worden waren. Wenig später wurde das Gebäude zu einem Kino umgebaut, weshalb es in der Pogromnacht nicht zerstört wurde.

Auf dem gegenüberliegenden Grundstück wurde am 10. November 1991 ein Gedenkstein aufgestellt. Er trägt die Inschrift: „Schalom. Friede. Das Haus gegenüber diente der jüdischen Gemeinde Fränkisch-Crumbach bis 1936 als Synagoge. Zum Gedenken der verfolgten und ermordeten Juden, zur Mahnung für die Lebenden.“

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Bis 1845 bestand im Haus von Löb Karlsberg eine private Mikwe, die in diesem Jahr auf Veranlassung des Kreisrates geschlossen werden musste. Daraufhin wurde diese Einrichtung in die damalige Synagoge verlegt.6

Cemetery

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts bestatten die Familien aus Fränkisch-Crumbach ihre Verstorbenen in Michelstadt. 1856 richtete die jüdische Gemeinde Reichelsheim einen eigenen Friedhof ein, der ab 1857 auch von Fränkisch-Crumbach genutzt wurde.7

Michelstadt, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Reichelsheim (Odenwald), Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Michelstadt, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Fußnoten
  1. Katzenmeier, 2007, S. 7
  2. Katzenmeier, 2007, S. 26
  3. Katzenmeier, 2007, 95
  4. Katzenmeier, 2007, S. 7
  5. Altaras, 2007, S. 356
  6. Katzenmeier, 2007, S. 22
  7. Katzenmeier, 2007, S. 82
Recommended Citation
„Fränkisch-Crumbach (Odenwaldkreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/196> (Stand: 22.7.2022)