Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Frankenberg Karten-Symbol

Gemeinde Frankenberg (Eder), Landkreis Waldeck-Frankenberg — Von Horst Hecker
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

Ende 13. Jahrhundert

Location

35066 Frankenberg, Scharwinkel 4 | → Lage anzeigen

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Seit wann Juden in Frankenberg ansässig waren, ist ungewiss. Urkundlich belegt ist die Existenz eines Frankenberger Juden namens David erstmals 1364. Jedoch berichtet Wigand Gerstenberg in seiner Stadtchronik von Judenverfolgungen in Frankenberg schon am Ende des 13. Jahrhunderts. Danach sollen um das Jahr 1298 die Juden aus Frankenberg nach Geismar getrieben und dort in einer Scheune auf freiem Feld verbrannt worden sein. Auslöser der damals in vielen Teilen Deutschlands stattfindenden Progrome waren Beschuldigungen, in Thüringen hätten Juden einen Ritualmord an einem christlichen Kind begangen und in Frankreich Hostien geschändet. Mitte des 14. Jahrhunderts, im Zuge der großen Pest, für die man vielerorts wiederum die Juden verantwortlich machte, kam es erneut zu Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung Frankenbergs. Nach dem Bericht Gerstenbergs erlitt sie das gleiche Schicksal wie 50 Jahre zuvor. Nur wer sich zum Christentum bekannte und taufen ließ, sei verschont geblieben.

Über die Stärke der jüdischen Gemeinde Frankenbergs im Mittelalter und in der frühen Neuzeit lassen sich keine genauen Angaben machen. Die Quellen sind in dieser Hinsicht äußerst spärlich. Nach dem 1364 und 1366 in Urkunden genannten David, welcher damals allerdings nicht in Frankenberg, sondern in Marburg lebte, wohin er möglicherweise vor dem Progrom von 1349 geflüchtet war, wird erst wieder 1531 mit Benedictus von Frankenberg ein weiterer Frankenberger Jude erwähnt. Im Jahr 1751 lebten sieben Schutzjuden in Frankenberg, 1788 waren es nur noch vier. Für 1785 gibt Arnsberg die Zahl der jüdischen Einwohner Frankenberg mit insgesamt 30 Seelen an. 1824 waren 11 jüdische Familien in Frankenberg ansässig. Sie ernährten sich hauptsächlich vom Handel und vom Ackerbau.

Betsaal / Synagoge

Die vermutlich erste jüdische Synagoge in Frankenberg befand sich in einem Haus in der Steingasse. Über sie heißt es in der Stadtchronik von Wigand Gerstenberg: „Dieselben judden hatten ire schule (wilchs wir eyne kirche heißin) in der Steyngassen, enwenig ob dem borne. Dieselbe stedde heißet nach hudebytage dy Juddenschule“. Judenschule und Synagoge waren in früheren Jahrhunderten die gleichen Gebäude. Von dem Haus ist nach dem großen Stadtbrand von 1476 nichts übrig geblieben. Im 18. Jahrhundert diente ein jüdisches (Privat-) Haus am Pferdemarkt der Gemeinde als Bethaus und wiederum zugleich als Schule. Nach der Vorbeschreibung zum Lager-, Stück- und Steuerbuch der Stadt Frankenberg von 1788 handelte es sich um eine sehr kleine Synagoge.

In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Frankenberg stetig an. Das war wohl auch der Grund, warum man sich spätestens seit Mitte der 1820er Jahre nach einem neuen Domizil umsah.

1821 vermachte eine Frankenberger Jüdin namens Jedel Windmüller der israelitischen Gemeinde ihr Haus zu einer neuen Synagoge. Da dasselbe jedoch zu klein, baufällig und ohne jede Erweiterungsmöglichkeit war, verkaufte es die Gemeinde für 100 Taler an George Trost und kaufte stattdessen für 344 Taler von dem Büchsenmacher Adam Wölfel dessen Wohnhaus Nr. 35 nebst Scheune auf der Heide. Sie beabsichtigte, die Scheune für 150 Taler weiterzuverkaufen, während das Wohnhaus den Bauplatz für eine neue größere Synagoge abgeben sollte. Am 8. Oktober 1833 bat der Kreisvorsteher Marcus Willon, in dessen Wohnhaus Nr. 238 am Pferdemarkt (heute Pferdemarkt 8) sich die jüdische Gemeinde Frankenbergs damals zum Gottesdienst versammelte, das Kreisamt in Frankenberg um Genehmigung der vorstehend geschilderten Transaktionen. Als nach mehr als zwei Monaten noch keine Antwort eingegangen war, wandte er sich am 24. Dezember 1833 mit der gleichen Bitte an die Regierung in Marburg. „Die hiesige Gemeinde hat keine eigene Synagoge, sondern ist eine Stube in mein Haus, wo mir den Gottes Dienst in verrichten, deswegen thut uns sehr nöthig eine Synagoge“, schrieb Willon. Auch nach Ansicht des damaligen Provinzalrabbiners war dieser Zustand nicht länger haltbar. Es stehe sehr zu wünschen, so schrieb dieser in einem Bericht an das kurfürstliche Vorsteheramt vom 12. Januar 1834, „daß der Gemeinde kein weiteres Hinderniß in der beabsichtigten Einrichtung einer neuen Synagoge in den Weg gelegt werde, indem das Lokal, worinnen jetzt der öffentliche Gottesdienst verrichtet worden ist, nicht nur keiner Synagoge, sondern nicht einmal einer Betstube ähnlich war. Weshalb ich mich auch verpflichtet fühlte, derselben bei jeder Gelegenheit die Erbauung oder Einrichtung einer Synagoge ans Herz zu legen.“

Nur wenig später änderte die Gemeinde jedoch ihre Pläne. Sie entschloss sich nunmehr, das Wohnhaus Wölfel, das ursprünglich als Bauplatz für die neue Synagoge gedacht war, wieder zu veräußern, und zwar für 315 Taler, zu der Scheune eine weitere unmittelbar daneben stehende Scheuer aus dem Besitz von Johannes Hein für 54 Taler anzukaufen, die beiden Gebäude abzubrechen und auf diesem Platz an der Ecke Scharwinkel/Auf der Heide (heute Scharwinkel 4) eines neues Gotteshaus zu errichten. Dieser Plan hatte vor allem den Vorteil, dass dadurch ein größerer Fonds zur Bestreitung der Baukosten gewonnen wurde. Deshalb fand er auch sogleich die Zustimmung des Kreisamts und der Regierung.

Im Spätherbst 1835 waren die Vorarbeiten zu der neuen Frankenberger Synagoge so weit gediehen, dass die Pläne zur Genehmigung bei den Behörden eingereicht werden konnten. Nach dem Kostenvoranschlag beliefen sich die Baukosten auf 1.300 Taler. Da dieser Betrag ihre Mittel bei weitem überstieg, bat die Gemeinde um die Bewilligung eines Zuschusses aus der Staatskasse, fand damit jedoch kein Gehör. Stattdessen wurde ihr gestattet, zur Aufbringung der Synagogenbaukosten das eigentlich schon abgeschaffte sogenannte Einkaufsgeld von neu zuziehenden Gemeindegliedern weiter zu erheben. Dieses bestand bei einer fremden „Mannsperson“ in zehn Talern, bei einer „Weibsperson“ in fünf Talern. Der größte Teil der Baukosten wurde aber wohl durch ein Darlehn der Landeskreditkasse finanziert. Um die Kosten zu drücken, schloss die jüdische Gemeinde, nachdem die Arbeiten vom Kreisamt bereits vergeben waren, mit dem Kreiszimmermeister Bonacker einen Privatvertrag ab, wonach dieser sich verpflichtete, den ganzen Bau für 1.100 Taler und damit um 200 Taler billiger zu erstellen.

Dies war im späten Frühjahr 1837. Unmittelbar danach begannen die Bauarbeiten für die neue Synagoge. Ende Oktober des folgenden Jahres war sie weitgehend fertiggestellt. Die Einweihung fand am 18. November 1838 statt.

Bei der neuen Synagoge, die nach ihrer Fertigstellung die Hausnummer 155 ½ erhielt, handelte es sich um einen zweigeschossigen Fachwerkbau aus Eichenholz mit Walmdach und Zwerchgiebel. In der Länge maß sie 14 Meter, in der Tiefe 8,4 Meter. Das Haus hatte eine dreiteilige Eingangstür und hohe Fenster, die im Ober- und Dachgeschoss mit Rundbögen versehen waren. Der zweigeschossige Synagogenraum mit 68 Männer- und 36 Frauenplätzen befand sich an der Ostseite, dort lagen die Fenster weit auseinander, um dem Thora-Schrein im Inneren genügend Platz zu geben; im Westteil des Gebäudes lagen das Schullokal, welches eine Fläche von 24 Quadratmetern hatte, und die Lehrerwohnung, bestehend aus einer großen Wohnstube, einem Vorzimmer und zwei Schlafzimmern.

Im Laufe des Jahres 1890 wurden auf Betreiben des damaligen jüdischen Lehrers Goldschmidt umfangreichere Änderungs- und Instandsetzungsarbeiten an der Schule durchgeführt. So wurden zwei neue Aborte hergestellt und die Fenster mit Markisen zur besseren Belüftung und zum Schutz gegen das direkte Sonnenlicht versehen. Außerdem wurde der Eingang zum Schulsaal verlegt.

Auf die Initiative von Lehrer Goldschmidt geht auch die Anlage des charakteristischen Erkers im Jahr 1892 zurück. Dahinter stand sein Wunsch nach Vergrößerung der Lehrerwohnung. Die Gemeinde wollte davon jedoch nichts wissen und sträubte sich zunächst energisch gegen das Projekt. Neben der finanziellen Belastung der armen Gemeinde machte sie geltend, der Erker könne die Stabilität des Gebäudes gefährden. Ein Gutachten des Bauaufsehers vom 10. März 1892 ergab jedoch, dass der Erker ohne Nachteil des Unterbaus, der aus gesundem Eichenholz bestand, hergestellt werden konnte. Somit stand der Ausführung des Projekts nicht mehr im Wege. Anfang September 1892 war der Erker fertig.

Am 29. November 1913 feierte die israelitische Gemeinde das 75-jährige Bestehen ihrer Synagoge. Dazu fand am Abend dieses Tages eine festliche Veranstaltung im Saal des Gasthauses zur Sonne statt.

1933 läutete der der Machtantritt der Nationalsozialisten das Ende des jüdischen Lebens auch in Frankenberg ein. Die meisten jüdischen Einwohner verließen bereits in den Jahren bis 1935 die Stadt. Im Oktober 1938 waren noch 20 Juden in Frankenberg gemeldet. In der Progromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 drang eine Gruppe politischer Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Frankenberg unter Anführung des Kreispropagandaleiters in die Synagoge ein und zerstörte in dem zweigeschossigen Gebetsraum die gesamte Inneneinrichtung, einschließlich der Kultgegenstände. Teilweise wurden diese, darunter die Thorarollen, auch in Brand gesetzt. Auf das Anzünden des Gebäudes selbst verzichtete man allerdings wegen der Gefahr für die unmittelbar angrenzenden Häuser.

Am 9. Januar 1939 erwarb die Stadt durch Kaufvertrag von der israelitischen Gemeinde die ehemalige Synagoge und die frühere jüdische Schule, die seit dem 10. November 1938 ebenfalls leer stand. Seit Sommer 1939 bestand dann die Absicht, die Synagoge zu Wohnungen für städtische Beamte und Angestellte umzubauen. Durch Einziehen einer Zwischendecke und von Zwischenwänden in den zweigeschossigen Synagogenraum, Umänderung der Fenster und Türen, Einbau neuer Aborte und einer Klärgrube, sowie Erneuerung des gesamten Fußbodens und Anstrichs sollten zwei Wohnungen geschaffen werden. Aufgrund der Schwierigkeiten bei den Genehmigungen, vor allem aber bei der Beschaffung von Material und Arbeitskräften musste der Beginn der Umbauarbeiten jedoch immer wieder hinausgeschoben werden. Am 28. März 1940 beschlossen die Ratsherren auf Vorschlag des Bürgermeisters, im rechten Teil des Hauses, also im früheren Betraum, eine Totenhalle einzurichten und im linken Teil eine Wohnung für den städtischen Totengräber auszubauen. Aber auch dieser Beschluss wurde letztlich nicht umgesetzt. Damals diente die Synagoge einer aus dem Saargebiet nach Frankenberg evakuierten Familie als Schuhlager, während in der früheren jüdischen Schule seit Kriegsbeginn polnische Kriegsgefangene untergebracht waren.

Am 20. September 1940 vermerkte der damalige Stadtbauführer in einer Aktennotiz, dass der Umbau der Synagoge vorläufig zurückgestellt sei. Im Oktober erlosch der Bauantrag. Anschließend stand das Gebäude ein weiteres Jahr lang leer.

Ab Mitte Dezember 1941 wurden die letzten verbliebenen Juden – drei ältere Ehepaare – gezwungen, ihre Wohnungen für „arische“ Familien zu räumen und in die frühere Synagoge umzuziehen. Auf engstem Raum zusammengepfercht, lebten sie hier bis zu ihrer Deportation im September 1942 unter menschenunwürdigen Umständen.

Anschließend musste die Stadt sich erneut Gedanken machen über die zukünftige Verwendung des nun wieder leerstehenden Gebäudes. Zunächst war daran gedacht, es an den örtlichen HJ-Bann zur Unterbringung seiner Diensträume zu vermieten, doch wurde daraus nichts, weil der Bann andere Räume anmietete. Außerdem „konnte einer Vermietung aus nationalsozialistischen Grundsätzen nicht zugestimmt werden“, wie es in einer Beschlussvorlage des kommissarischen Bürgermeisters Herzog für die Ratsherren vom 24. September 1942 heißt.

Im Oktober 1942 verkaufte die Stadt die ehemalige Synagoge an einen Privatmann, der sie in den folgenden Jahren grundlegend umbaute. So wurde aus dem früheren Tempelraum zwei neue Wohnungen mit je drei Räumen (Küche, große Stube und Schlafzimmer) und Flur gemacht, wobei beide Wohnungen einen separaten Zugang erhielten. In den 50er und 60er Jahren wurde das Gebäude auch außen erheblich umgestaltet. So wurden u.a. die Umfassungen im Erdgeschoss und die teilweise baufälligen Fachwerkwände durch neue Massivwände in Hohlsteinmauerwerk ersetzt und verputzt und die ursprünglich vor dem Haus liegenden Eingangsstufen nach innen verlegt, die Umfassungswände des Obergeschosses verschiefert und die Rundbogenfenster im Ober- und Dachgeschoss den übrigen (eckigen) Fenstern angepasst.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Im Verlauf des Baues kam es über den Wunsch der jüdischen Gemeinde, eine Wasserleitung von dem der Synagoge gegenüber liegenden Brunnen, dem obersten Heidekumpf, bis in den Keller zum Zwecke eines Frauenbades anzulegen, zu einer langwierigen Auseinandersetzung mit den städtischen Behörden. Erst nach einem Gutachten des Landbaumeisters, welches die Gefahr eines Wassermangels ausschloss, und auf das Angebot der jüdischen Gemeinde hin, jährlich einen besonderen Beitrag in Höhe von zwei Talern zur Unterhaltung der Wasserleitung zu leisten, lenkte die Stadt schließlich ein. Durch Stadtratsbeschluss vom 27. Oktober 1838 wurde den Bittstellern gestattet, „daß sie das Wasser aus dem obersten Heidekumpfe sich dergestalt durch verdeckte Röhren, jedoch nur einzig zum Behufe des Frauenbades, in ihren Tempel leiten können, daß sie solches mittelst eines eingesetzten und in Verschluß gehalten werdenden Steines, welches die Passage nicht hindert, schöpfen und dadurch zu ihrem Behufe benutzen“.

Schule

Nach der Volkszählung von 1885 lebten damals 106 Juden in Frankenberg, 52 männlichen und 54 weiblichen Geschlechts. Ein Jahrzehnt später waren es schon 121 und wiederum zehn Jahre später, 1905, 133.

Da der Schulraum für die zunehmende Zahl der jüdischen Schulkinder bald nicht mehr ausreichte, erwarb die Gemeinde von der Stadt Frankenberg für 750 Mark die frühere Baumschule am Linnertor und errichtete auf dem Grundstück (heute Hainstraße 31) eine neue jüdische Schule mit Lehrerwohnung. Der Umzug in das neue Gebäude erfolgte im August 1906.

Cemetery

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Zahl der jüdischen Einwohner Frankenberg stark an. 1856 bestand die israelitische Gemeinde aus neun Familien mit insgesamt 59 Personen, deren Lebensgrundlage überwiegend im Handel und Handwerk bestand. Zur Synagogengemeinde Frankenberg gehörten damals auch noch die Juden in Röddenau und Geismar. Bis zum Jahr 1868, als die Gemeinde von der Stadt Frankenberg ein Grundstück am Hainstock erwarb, um dort einen Friedhof anzulegen, beerdigten sie ihre Toten auf dem jüdischen Friedhof in Frankenau.

Frankenberg (Eder), Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Frankenau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Frankenberg (Eder), Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Recommended Citation
„Frankenberg (Landkreis Waldeck-Frankenberg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/71> (Stand: 26.4.2022)