Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 94. Birstein
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Fischborn Karten-Symbol

Gemeinde Birstein, Main-Kinzig-Kreis — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

Mitte 18. Jahrhundert

Location

63633 Birstein, Ortsteil Fischborn, In der Aue 2 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Hanau

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Fischborn liegt etwa vier Kilometer nördlich von Birstein und wurde 1314 erstmals urkundlich erwähnt. Der Ort in der vormaligen Herrschaft Isenburg gehörte 1939 zum Landkreis Gelnhausen und seit dem 1. Februar 1971 zu der Großgemeinde Birstein.

Zur Geschichte der frühen jüdischen Gemeinde Fischborn konnten bislang keine Archivalien gefunden werden. Während in Birstein und anderen Orten der Herrschaft Isenburg bereits seit der Mitte des 17. Jahrhunderts Juden lebten, treten sie für Fischborn erst etwa seit Mitte des 18. Jahrhunderts in Erscheinung. Formal gehörten sie zur israelitischen Gemeinde Birstein, ließen sich aber 1772 eine eigene Thora schreiben und hielten Gottesdienst in einem Privathaus.1 Zwei in Fischborn lebende Juden, Jessel Gabriel und Simon, wurden in der Mitte der 1780er Jahre zum Baumeister und Kassenmeister der Gemeinde Birstein gewählt. Der Baumeisters sollte, „auf Ordnung in der Judenschule sehen und halten und über Einnahme und Ausgabe mit Aufsicht führe[n], übrigens aber von allem was bei der Judenschaft im Amt vorgehe, besonders wenn Juden sich verheirathen oder ein Kind außer Landes verheirathen auch wenn Sterbefälle vorgehen und alles dergleichen die gehörige Anzeige zu thun“.2 Der Kassenmeister war der Rechner der Gemeinde.

Die Zahl der jüdischen Einwohner muss rasch angestiegen sein, denn nur wenige Jahre später, 1794, beantragten sie zum ersten Mal die Ablösung von der Muttergemeinde. Wurde dieser Antrag noch abgelehnt, so erhielten sie dennoch die Erlaubnis, im Winter Privatgottesdienst abhalten zu dürfen.3

In den 1820er Jahren begannen abermals Abtrennungsbestrebungen, die etwa zehn Jahre lang anhielten. Dies war gleichzeitig die Zeit politischer und verwaltungstechnischer Neuorganisationen, die aufgrund der territorialen Zersplitterung des Landes gelegentlich auch zu Konfusionen führten. So beschwerte sich 1832 Wolfgang Ernst zu Isenburg-Birstein über Eingriffe der hessischen Polizeikommission aus Gelnhausen in seine Zuständigkeit. Die Polizeikommission hatte im Oktober 1831 mehrere in Fischborn, Kirchbracht und Mauswinkel lebende Juden wegen Haltung von Privatgottesdienst angezeigt und vor den Amtmann zur Untersuchung und Bestrafung vorgeladen. Dies empfand der Fürst als Übergriff in seine Hoheitsrechte.

1829 wollten sich die Fischborner Juden abermals von der etwa eine Stunde Fußweg entfernt gelegenen Muttergemeinde in Birstein ebenso absondern, wie die aus Kirchbracht von Lichenroth. Als Betraum fungierte zu dieser Zeit ein Zimmer im Haus von Liebmann Klein, in dem mit Ausnahme von Neujahr und dem Versöhnungstag Gottesdienst gehalten wurde. Dies war aber durch besagte Polizeikommission verboten worden. In diesem Jahr lebten acht jüdische Familien im Ort.4

Trotz des andauernden Verbots des Privatgottesdienstes fanden zwei Gendarmen am 4. Juli 1835 morgens zwischen sieben und acht Uhr Salomon Simon, Leib Klein, Lazarus David, Isaac Strauss und Moses Strauß in der Synagoge beim Beten im Haus der Familie Klein vor.

1835 lebten neun jüdische Familien im Ort, die am 28. Juli erneut den Antrag auf Loslösung von der Gemeinde Birstein stellten. Zunächst wurde am 29. Oktober 1835, wenn auch nur „einstweilen“, gestattet, weiterhin Privatgottesdienst zu halten. Mit gleichem Datum konnte sich Kirchbracht von der Gemeinde Lichenroth ablösen. Am 18. Mai 1837 erfolgte die zunächst versuchsweise Zusammenführung der Gemeinden Fischborn, Kirchbracht und Mauswinkel zu der Synagogengemeinde Fischborn. Noch im Laufe des gleichen Jahres muss sich diese Interimslösung manifestiert haben, denn im September 1837 wurde weiterhin gestattet, dass es in der neuen Synagogengemeinde zwei Synagogen gebe: eine in Fischborn und eine zweite in Kirchbracht. Letztere durfte an Samstagen und Festtagen genutzt werden. Die in Kirchbracht lebenden Juden hatten für ihre Kosten alleine aufzukommen und sich darüber hinaus an den Kosten ihrer Muttergemeinde Fischborn zu beteiligen. Bereits zwei Jahre später plante die Fischborner Gemeinde, eine Synagoge mit Mikwe zu errichten und sammelte dafür auch Geld bei den Gemeindemitgliedern ein. Mit dem Bau wurde aber zunächst nicht begonnen. Erst wenig nach 1850 erwarb sie das Haus von Michael Baum und richtete es zu einem Gemeindehaus mit Synagoge, Mikwe und Schule ein.5

In Fischborn lebten 1816 sechs jüdische Männer, sechs Frauen und 23 Kinder, also 35 Personen. 1842 waren es acht Männer, elf Frauen und 22 Kinder, also insgesamt 41 Personen. Sie betrieben Kleinhandel, zudem gab es einen Schumacher. Alle acht Männer besaßen ein Haus, während es 1816 nur fünf waren.6 Bis 1853 stieg die Zahl der in Fischborn lebenden Juden auf 99 an. Gleichzeitig wohnten in Mauswinkel acht und in Kirchbracht 56 jüdische Personen.7 Sie arbeiteten überwiegend als Viehhändler und Landwirte, betrieben Textilhandel und andere kleinere Handelsgeschäfte. In Mauswinkel gab es bis 1930 eine jüdisch geführte Gastwirtschaft. Bereits seit Ende der 1920er Jahre kam es vor allem durch die schlechte wirtschaftliche Lage zu Abwanderungen. Schließlich lebten 1933 noch 20 jüdische Personen im Ort, 1939 waren es noch 16. Viele von ihnen wurden im Holocaust ermordet.

Betsaal / Synagoge

Auch wenn die in Fischborn lebenden Juden zur Gemeinde Birstein zählten, hielten sie bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Gottesdienst in einem Privathaus. Dies wurde ihnen 1794 offiziell für die Winterzeit und bei schlechtem Wetter gestattet. Genutzt wurde das Haus von Liebmann Klein. Im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es deswegen immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit, vor allem, weil die Muttergemeinde Birstein gegen eine Loslösung intervenierte. Erst wenig nach 1850, vermutlich 1856, erwarben die Fischborner Juden ein Haus von Michael Baum und richteten es zu einem Gemeindezentrum mit Synagoge, Mikwe und Schule ein.8

Nicht zuletzt der Rückgang der Mitgliederzahlen und die schlechte wirtschaftliche Situation hinderten die Gemeinde, Geld in den Unterhalt des Synagogengebäudes zu investieren. Da es sich in schlechtem Zustand befand, wurde seit 1933 im Haus Rosenthal Gottesdienst gehalten.9

Im Oktober 1937, die Gemeinde war bereits mehr oder weniger aufgelöst, verkaufte Max Meyer, ursprünglich Gastwirt in Mauswinkel, das Synagogengebäude nebst Garten an das Ehepaar Johannes Schleich. Der Kaufpreis in Höhe von ursprünglich 2.000 Reichsmark wurde reduziert und schließlich Ende 1939 noch 662 Reichsmark an die Reichsvereinigung der Juden ausgezahlt. Der Verkauf hatte sich verzögert, weil formal keine jüdische Gemeinde mehr bestand und als Rechtsnachfolge zunächst ein Verein zu gründen war.10 Wie an anderen Stellen auch kam es zu einem Kompetenzgerangel der beteiligten Verwaltungsstellen. Das Grundbuchamt verlangte nach einer juristischen Person, die den Verkauf tätigen konnte, andere Stellen, wie das Landratsamt, sahen dafür aber keine Veranlassung, weil mit der gesetzlichen Auflösung der Gemeinden als Körperschaft des öffentlichen Rechtes automatisch Vereinsstatus eingetreten sei.

Mit dem Verkauf wurde das Gebäude leergeräumt. Der Verbleib der Einrichtung ist ungeklärt, die Kultgegenstände gelangten wohl über Gelnhausen nach Frankfurt, wo sie in der Pogromnacht zerstört wurden.11 Dazu gehörten zehn Thorarollen, eine silberne Thorakrone, sechs Paar silberne Thoraaufsätze mit Schellen, vier silberne Thoraschilder, drei silberne Lesefinger, 40 gold- und silberbestickte Thoramäntel, 20 bestickte Wimpel, sechs goldbestickte Thoraschreinvorhänge aus Plüsch, Samt und Seide, sechs goldbestickte Decken für das Vorbeterpult, sechs goldbestickte Decken für das Vorlesepult, eine Ewige Lampe aus Bronze, zwei siebenarmige Leuchter aus Messing, ein Channukahleuchter aus Messing, ein silberner Weinbecher, eine silberne Hawdallahgarnitur, ein auf Pergament geschriebenes Megillah mit Mantel, vier Schofarhörner, zehn Gebetmäntel, fünf Paar Gebetriemen, 30 Gebetbücher, 20 Sätze Festgebetbücher sowie 20 Bände Pentateuch im Gesamtwert von 96.400 DM.12

Gleich nach dem Verkauf wurde das Gebäude zu einem Wohnhaus umgebaut. Anders als in den Archivalien angegeben13 , hatten sich aber einige Ausstattungen erhalten. So fand Thea Altaras an der ehemaligen nordöstlichen Außenwand Reste von Bogenfenstern, die durch einen hellblauen Wandfries miteinander verbunden waren. Auch Fragmente der Deckenbemalung mit einem grell gelben Band zwischen feinen blauen Linien entlang der vier Umfassungswände und eine einfache, durch Striche dargestellte Sonne auf der Decke waren erhalten.14

Heute erweckt das ehemalige Synagogengebäude den Eindruck eines Streckhofes. Dem zweigeschossigen Wohnhaus schließt sich nach Nordosten ein Zwischenteil an, der im Zuge der Umbauten erhöht wurde und heute ebenfalls Wohnzwecken dient. Abermals nach Nordosten schließt sich seit den 1930er Jahren eine Scheune, heute Garage, an. Unter dem Putz der beiden älteren Gebäudeteile befindet sich eine Fachwerkkonstruktion wohl des frühen 19. Jahrhunderts. Alle Gebäudeteile tragen ein Satteldach.

Der heute erhöhte mittlere Gebäudeteil umfasste einst die Synagoge mit einseitiger Empore und eigenem, zur Straße weisenden Eingang. Der Zugang zur Empore befand sich in dem rechten Gebäudeteil. Hier hat sich im Erdgeschoss die Schulstube und im Keller die Mikwe befunden, im Obergeschoss eine Wohnung.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

In dem um 1856 zum Gemeindehaus eingerichteten Gebäude bestand auch eine Mikwe.

Schule

Seit 1827 beschäftigten die Fischborner Juden zeitweise einen eigenen Lehrer, der in seiner Privatwohnung Unterricht erteilte.

Mit Einrichtung des Gemeindehauses nach 1850 wurde dort auch eine Schule eingerichtet.

Zum Schulverband zählten auch die in Kirchpracht und Mauswinkel lebenden Personen, die im Mai 1870 um Genehmigung baten, eine eigene Schule einzurichten. Dieses Gesuch wurde aber am 20. Juni 1870 abgelehnt.

Cemetery

Die in Fischborn Verstorbenen wurden auf dem Friedhof Birstein beigesetzt.

Birstein, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Birstein, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Fußnoten
  1. Ackermann, 1988, S. 107
  2. HStAM 108 d Birstein, 177
  3. HStAM 82 c, 863
  4. HStAM 180 Gelnhausen, 3159
  5. HStAM 180 Gelnhausen, 3159
  6. HStAM 180 Gelnhausen, 26
  7. Ackermann, 1988, S. 108
  8. HStAM 180 Gelnhausen, 3159
  9. Winter 2019
  10. HHStAW 474/4, 85
  11. HHStAW 503, 7357
  12. HHStAW 518, 1218
  13. HHStAW 653, 1543 und 518, 1218
  14. Altaras 2007, 328
Recommended Citation
„Fischborn (Main-Kinzig-Kreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/191> (Stand: 22.7.2022)