Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Falkenstein Karten-Symbol

Gemeinde Königstein im Taunus, Hochtaunuskreis — Von Carina Schmidt
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

um 1400

Location

61462 Königstein, Ortsteil Falkenstein, Unterer Bergweg 2 | → Lage anzeigen

preserved

ja

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Die Ortsgemeinde Falkenstein, im Mittelalter und der frühen Neuzeit Nürings genannt, gehörte seit 1418 zum Besitz der Grafen von Nassau und wurde seither als Lehen an nassauische Vasallen vergeben. 1679 bis 1773 verwalteten die Freiherren von Bettendorf das reichsritterschaftliche Dorf, das etwa seit dem Ende des 17. Jahrhunderts Falkenstein hieß. Danach fiel das Lehen an das Haus Nassau zurück, ab 1806 gehörte die Gemeinde zum Herzogtum Nassau und wurde 1866 Preußen einverleibt. Heute ist der Luftkurort Falkenstein hessisch und bildet einen Stadtteil von Königstein.

Nachweislich lebten seit dem späten Mittelalter Juden in Falkenstein. So wird um 1400 der Judenarzt Jacob von Straßburg als Einwohner Falkensteins genannt. Auch in der zweiten Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren Juden dort ansässig. Eine jüdische Gemeinde entwickelte sich in Falkenstein jedoch erst im 18. Jahrhundert.1

Da es seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert eine Synagoge im nahe gelegenen Kronberg gab, gingen die wenigen in Falkenstein wohnhaften Juden dort zum Gottesdienst. Unter der Herrschaft der Herren von Bettendorf siedelten sich in Falkenstein aufgrund günstiger Schutzgeldbestimmungen vermehrt Juden an. In den 1770er Jahren scheint die Zahl der jüdischen Einwohner Falkensteins so groß geworden zu sein, dass ein eigener Begräbnisplatz und eine Synagoge vor Ort gewünscht wurden. Zunächst legte die jüdische Gemeinde 1775 einen Friedhof an, 1777 bat sie dann um die Erlaubnis zur Einrichtung einer Synagoge. Von da an bildeten die Falkensteiner Juden eine selbstständige Gemeinde, die aber schon wenige Jahre später aufgrund der geringen Mitgliederzahl Schwierigkeiten hatte, einen Minjan zusammenzustellen, so dass zeitweise kein Gottesdienst abgehalten werden konnte.2

1807 lösten sich die Juden aus Königstein aus dem bis dahin bestehenden Kultusverband mit Kronberg und schlossen sich der Gemeinde Falkenstein an. Mit acht jüdischen Einwohnern in Falkenstein und drei in Königstein, die 1815 gezählt wurden, war die Kultusgemeinde wohl eine der kleinsten im Herzogtum Nassau. Zwar nahm die Zahl der Gemeindemitglieder in den folgenden Jahrzehnten insgesamt zu, der Schwerpunkt verschob sich jedoch zugunsten Königsteins: 1843 lebten in Falkenstein 23 Juden, während es in Königstein 53 waren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Königsteiner schon früh versuchten, wenn auch vergeblich, eine eigene Gemeinde zu gründen. 1905 gab es in Falkenstein nur 20 Juden, in Königstein dagegen 65, so dass die Königsteiner 1906 schließlich doch ihre eigene Synagoge bauen durften, die dann auch von den Juden aus Falkenstein und Kronberg besucht wurde. 1908 gingen Falkenstein und Kronberg endgültig als Filialorte in der Kultusgemeinde Königstein auf.3

Neben den Einrichtungen der Gemeinde bestand seit Anfang der 1870er Jahre eine rituell geführte jüdische Kuranstalt, die von Dr. Hirsch aus Frankfurt am Main geleitet wurde. Dort logierten nicht nur deutsche jüdische Kurgäste, sondern auch russische, englische, französische und holländische Reisende kamen zur Erholung dorthin. Mitunter waren außerdem auch Nichtjuden zu Gast in der Pension, in der ausschließlich koschere Nahrungsmittel serviert wurden. Knapp zehn Jahre nach der Gründung konnte Dr. Hirsch die Kuranstalt wegen der großen Nachfrage ausbauen, um mehr Zimmer zur Verfügung stellen zu können.4 Wie lange diese Einrichtung bestand, ist nicht bekannt.

Betsaal / Synagoge

Schon bevor die Juden von Falkenstein aus dem Kultusverband mit Kronberg ausgeschieden waren, hielten sie in ihren Privathäusern Gottesdienste ab, doch boten diese um 1777 nicht mehr genügend Platz für die Gemeinde. Deshalb stellten sie das Gesuch, das Haus des Bäckermeisters Eichner im ‚Unterdorf‘, dem heutigen Unteren Bergweg in Falkenstein kaufen und zur Synagoge umbauen zu dürfen.5 Nachdem die Juden die landesherrliche Genehmigung dafür erhalten hatten, erwarben sie für 400 Gulden das Bäckerhaus. Allerdings konnten sie das Geld nicht aus eigener Kraft aufbringen und baten in einem weiteren Gesuch an die Regierung um Erlaubnis zur Durchführung einer Kollekte bei den größeren jüdischen Gemeinden der umliegenden Städte, wie etwa Frankfurt am Main, Hanau und Mainz. Auch dies wurde ihnen gestattet, der Ertrag der Spendensammlung ist nicht überliefert. Es scheint jedoch ausgereicht zu haben, um den Hauskauf sowie die Einrichtung eines Betraums zu finanzieren.6

Rund 25 Jahre später musste das Gebäude wegen des schlechten Bauzustandes abgerissen werden. Die jüdische Gemeinde ließ daraufhin an der gleichen Stelle eine neue, etwas kleinere Synagoge errichten. Die Kosten von 500 fl. wurden zum einen durch den Verkauf der Abbruchmaterialien, bei dem die Gemeinde rund 200 Gulden einnahm, bestritten, zum anderen durch eine erneute Kollekte in den umliegenden Kultusgemeinden. In den Jahren 1805/1806 verfügten sie offenbar über einen ausreichenden Fonds, um das neue Gotteshaus zu bauen.7 Im Stockbuch von Falkenstein ist die Synagoge als einstöckiges Gebäude von 12 m Länge und 9 m Tiefe mit einer Fläche von 108 qm und dazugehörigem Hofraum beschrieben.8 Auf der Giebelseite des Fachwerkhauses war ein Rundbogenfenster mit einem Davidstern eingelassen, das zu beiden Seiten von weiteren Fenstern flankiert wurde.9

Dieses Gebäude bildete rund 100 Jahre das Zentrum des jüdischen Gemeindelebens in Falkenstein, bis 1906 die Königsteiner Synagoge eingeweiht wurde, die dann auch die Falkensteiner Juden besuchten. Sie überführten die Kultgegenstände aus dem Betsaal in Falkenstein nach Königstein und verkauften das Haus im Unteren Bergweg 2. Das inzwischen zum Wohnhaus umgebaute und mehrfach renovierte Gebäude steht in seiner Grundgestalt bis heute.10

Weitere Einrichtungen

Schule

Bei der jüdischen Gemeinde Falkenstein angestellt war u.a. Lehrer Altmayer, den Schulinspektor Riegl 1846 als gebildeten, fleißigen und anständigen jungen Mann mit großer Lehrbegabung charakterisierte. 1847 hatte Altmayer 14 Schüler, sechs Jungen und acht Mädchen, die in zwei Klassen eingeteilt waren und in der Synagoge unterrichtet wurden. Bei den Inspektionen 1846 und 1847 erzielte die Falkensteiner Schule jeweils gute Ergebnisse.11 Zuletzt war der in Bad Ems gebürtige Lehrer Josua Thalheimer in Falkenstein tätig. Er unterrichtete 1875 bis 1905 die jüdischen Kinder vor Ort. 1875 siedelte er von Königstein nach Falkenstein über und erwarb ein einstöckiges Wohnhaus neben der Synagoge im Unteren Bergweg. Ob er die Schule weiterhin in der Synagoge oder möglicherweise in seinem Privathaus hielt, ist nicht überliefert.12

Cemetery

Beigesetzt wurden die verstorbenen Juden von Falkenstein ursprünglich wohl auf dem jüdischen Friedhof in Kronberg. 1774–1775 legten die ansässigen Juden einen separaten Friedhof in Falkenstein am Waldrand neben dem christlichen Friedhof an. Auf diesem 3.195 Quadratmeter großen Gelände wurden seit etwa 1780 auch Juden aus Königstein beerdigt. Bis heute sind 89 Grabsteine erhalten geblieben, einige davon stammen ursprünglich von dem Friedhof auf der ‚Bürgelplatte‘ in Kronberg. Der älteste Stein datiert von 1809, der jüngste von 1936. Ein Gedenkstein erinnert an die 1942 in Theresienstadt verstorbene Luise Gemmer, geborene Henlein, und deren 1943 in Auschwitz umgekommene Tochter Gertrude Gemmer.13

Kronberg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Falkenstein, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Kronberg, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen
Falkenstein, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Fußnoten
  1. Abschnitt „Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde“ im Artikel „Falkenstein – Jüdische Geschichte/Synagoge“ auf http://www.alemannia-judaica.de/falkenstein_synagoge.htm
  2. Arnsberg: Jüdische Gemeinden, Bd. 1, S. 453; Sturm-Godramstein: Juden in Königstein, S. 94; Anlegung eines jüdischen Friedhofs in Falkenstein, 1774–1775, in: HHStAW 330, XV 1; Gesuch der jüdischen Gemeinde Falkenstein um Erlaubnis zur Einrichtung einer eigenen Synagoge vor Ort, 1777, in: HHStAW 3/1, 56
  3. Sturm-Godramstein: Juden in Königstein, S. 94–95; Vereinigung der Kultusgemeinde Königstein mit derjenigen in Falkenstein und Kronberg, 1908, in: HHStAW 413, 25
  4. Abschnitt „Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde“, Absatz 4, sowie den Abschnitt „Über jüdische Kureinrichtungen“ im Artikel „Falkenstein – Jüdische Geschichte/Synagoge“ auf http://www.alemannia-judaica.de/falkenstein_synagoge.htm
  5. Gesuch der jüdischen Gemeinde Falkenstein um Erlaubnis zur Einrichtung einer Synagoge, 1777, in: HHStAW 3/1, 56; Sturm-Godramstein: Juden in Königstein, S. 94
  6. Gesuch der jüdischen Gemeinde Falkenstein um Erteilung eines Kollekten-Patents zwecks Finanzierung der Synagoge, 1778, in: HHStAW 3/1, 56
  7. Gesuch der jüdischen Gemeinde Falkenstein um Erlaubnis zum Bau einer neuen Synagoge und um Erteilung eines Kollekten-Patents zur Aufstockung des Baufonds, 1804, in: HHStAW 3/1, 56
  8. Immobilien der Kultusgemeinde Falkenstein, in: HHStAW 362/16, Stockbuch Falkenstein, Bd. 1, Artikel 19; zur Umrechnung der Maßeinheiten siehe Verdenhalven: Meß- und Währungssysteme, S. 19–20
  9. Abschnitt „Zur Geschichte der Synagoge“, Absatz 4, im Artikel „Falkenstein – Jüdische Geschichte/Synagoge“ auf http://www.alemannia-judaica.de/falkenstein_synagoge.htm
  10. Abschnitt „Zur Geschichte der Synagoge“, Absatz 4, im Artikel „Falkenstein – Jüdische Geschichte/Synagoge“ auf http://www.alemannia-judaica.de/falkenstein_synagoge.htm
  11. Prüfung der Religionsschulen im Amt Königstein, 1846–1847, in: HHStAW 211, 11543
  12. Abschnitt „Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde“, Absatz 3, und den Abschnitt „Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer“ im Artikel „Falkenstein – Jüdische Geschichte/Synagoge“ auf http://www.alemannia-judaica.de/falkenstein_synagoge.htm; Sturm-Godramstein: Juden in Königstein, S. 95
  13. Arnsberg: Jüdische Gemeinden, Bd. 1, S. 458; Anlegung eines jüdischen Friedhofs in Falkenstein, 1774–1775, in: HHStAW 330, XV 1; Bericht über die Beerdigung von Königsteiner Juden in Falkenstein, 1780, in: HHStAW 330, XIV c 9; Artikel „Falkenstein – Jüdischer Friedhof“ auf http://www.alemannia-judaica.de/falkenstein_friedhof.htm
Recommended Citation
„Falkenstein (Hochtaunuskreis)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/11> (Stand: 24.4.2022)