Synagogen in Hessen
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- Großherzogtum Hessen 1823-1850 (Übersichtskarte mit handschriftlichen Ergänzungen) – 23. Dieburg
Eppertshausen
- Gemeinde Eppertshausen, Landkreis Darmstadt-Dieburg — Von Wolfgang Fritzsche
- Basic Data ↑
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Juden belegt seit
1611
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Location
64859 Eppertshausen, Schulstraße 32 | → Lage anzeigen
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Rabbinat
Darmstadt II
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religiöse Ausrichtung
orthodox
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preserved
nein
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Jahr des Verlusts
1940
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Art des Verlusts
Abbruch
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Gedenktafel vorhanden
ja
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Weitere Informationen zum Standort
- History ↑
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Eppertshausen, 836 erstmals urkundlich erwähnt, gehörte nach wechselvoller Geschichte ab 1546 wieder zum Besitz der Herren von Groschlag, kam 1806 an das Fürstentum Isenburg und wurde erst 1816 Bestandteil des Großherzogtums Hessen-Darmstadt.
Der älteste bislang bekannt gewordene Hinweis auf einen Juden stammt aus dem Jahr 1611, als der zu Eppertshausen wohnende Mayer wegen des Vorwurfs der Falschmünzerei verhaftet wurde.1 1692 unterstanden die Juden im Ort den Herren von Groschlag. In diesem Jahr lebte Juda mit seiner Frau Malke in Eppertshausen.2
Bis 1736 wuchs die Zahl auch der in den umliegenden Ortschaften lebenden Juden, so dass sich die Juden aus Urberach, Nieder-Roden, Dietzenbach, Eppertshausen, Dudenhofen und Ober-Roden zu einem Synagogenverband zusammen schlossen. In einem dazu geschlossenen Vertrag verpflichteten sich die Vertragspartner, nur mit Zustimmung aller anderen Gemeinden austreten zu können.3
1750 sollen bereits 30 Menschen jüdischen Glaubens in Eppertshausen gewohnt haben.4 Da unter ihnen auch ein Vorsteher und Schächter namens Moritz Reis genannt wird, besteht die Möglichkeit, dass bereits zu dieser Zeit eine eigenständige Gemeinde bestand.
Bis 1830 stieg die Zahl der jüdischen Einwohner auf 64 Personen, was bei einer Gesamtzahl von 894 Einwohnern 7 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Bis in die Zeit um 1900 halbierte sich die Zahl auf 36 jüdische Einwohner in 1905, um bis 1929 auf 33 abzusinken. Sie erwirtschafteten ihr Einkommen im Wesentlichen als Metzger, Viehhändler, Textil- und Kolonialwarenhändler sowie als Händler mit Altwaren, Schuhen und Landesprodukten.5
1933 lebten die Familien M. Reis, M. Adler, J. Reis, B. Moses, M. Rothschild und B. Siegel mit insgesamt rund 30 Personen im Ort.6 Im Zuge der Repressalien und Ausschreitungen während des sogenannten Dritten Reiches wurden einige der jüdichen Einwohner verhaftet und zeitweise deportiert. Nach der Pogromnacht wurden mehrere Wohnungen zerstört. In den folgenden Tagen sollen die meisten Juden aus Eppertshausen geflohen sein, vor allem nach Frankfurt, von wo aus manche auswandern konnten, andere wurden deportiert und ermordet.7
Seit 2013 werden in Eppertshausen Stolpersteine verlegt.
- Betsaal / Synagoge ↑
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1736 schlossen sich die in Eppertshausen lebenden Juden dem neu gegründeten Synagogenverband Ober-Roden an, aus dem sie nur mit Zustimmung aller anderen Vertragsparteien wieder austreten konnten. Dies haben sie vermutlich Ende des 18. Jahrhunderts getan, denn zwischen 1790 und 1792 erbaute die Gemeinde eine Synagoge in der Schulstraße 32. Es handelte sich um ein giebelständiges eingeschossiges Wohnhaus, an dessen rückwärtiger Giebelseite ein über zwei Geschosse reichender Fachwerkbau mit Sandsteinsockel stand. Hierin befand sich der eigentliche Synagogenraum mit Empore.
In der Pogromnacht wurde die Synagoge zwar nicht angezündet, ihre Inneneinrichtung aber vollständig zerschlagen. Die Kultgegenstände konnte der Vorsteher Bernhard Moses zuvor in Sicherheit bringen.8 Moritz Reis erinnerte sich nach dem Zweiten Weltkrieg an Einzelheiten: Unter den Kultgegenständen befanden sich insgesamt sieben Thorarollen. Zwei davon waren kurz vor dem Ersten Weltkrieg für 4.800 Reichsmark angeschafft worden, drei weitere stammten aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die beiden anderen waren bereits älter, aber in sehr gutem Zustand. Zudem gab es vier silberne Kronen, zwei Umhänge, zwei Lesefinger, fünf neue Samtmäntelchen, zwei weitere aus Samt, drei rote Samtdecken und Vorhänge, drei weitere aus weißer Seide, circa 20 ältere Decken und Mäntelchen, zwei neue große achtflammige elektrische Leuchter und eine Uhr. Bei dem Überfall auf die Synagoge hatte der damalige Wachtmeister 150 Reichsmark aus der Synagoge „beschlagnahmt“. In der Pogromnacht wurden der Innenausbau, die Außenwände und das Dach sehr stark beschädigt. Im Wohnhaus, in dem auch der Lehrer wohnte, wurde die Inneneinrichtung ebenfalls beschädigt.9
Am 1. April 1940 erwarb ein christliches Ehepaar die Immobilien und ließ die Ruine abbrechen. Für das Synagogengrundstück, einen Grabgarten und ein weiteres kleines Grundstück mussten sie nach dem Krieg 1.650 DM nachzahlen.
Auf dem dem ehemaligen Synagogengrundstück gegenüber liegenden Anwesen erinnerte ein Gedenkstein an die ermordeten jüdischen Einwohner und an die Synagoge. Er wurde im Jahr 2015 auf den Alten Friedhof versetzt und soll 2016 wieder in der Nähe des Synagogenstandorts aufgestellt werden.
- Weitere Einrichtungen ↑
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Mikwe
Es ist nicht bekannt, seit wann in Eppertshausen eine Mikwe bestand. Sie lag neben der Synagoge in der Schulstraße und wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts verfüllt.10
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Schule
In dem an die Synagoge angrenzenden Wohnhaus lebte der Lehrer und dort befand sich auch der Unterrichtsraum für die Kinder.
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Cemetery
Die Verstorbenen der Gemeinde wurden auf dem Friedhof in Dieburg bestattet. Die letzte Bestattung vor dem Zweiten Weltkrieg war die des am 16. Dezember 1939 verstorbenen Moritz Krämer aus Eppertshausen.11
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Grabstätten
- References ↑
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Weblinks
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Sources
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW):
- HHStAW Best. 503, Nr. 7382: Entschädigungsansprüche der jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Darmstadt. Bd. 5: Synagogen und andere jüdische Einrichtungen im Kreis Dieburg und im Kreis Erbach, (1932-1939) 1960-1966
- HHStAW Best. 518, Nr. 1464: Entschädigungsakte Jüdische Gemeinde Eppertshausen, 1950-1962
- Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD):
- HStAD Best. R 21 J, Nr. 3560: Inhaftierung der hanau-lichtenbergischen Juden Hayum zu Sickenhofen sowie Lamprecht, Levi - später getauft unter dem Namen Georg Jakob Engelstetter - und Beer zu Hergershausen und den mainzischen Juden Mayer zu Eppertshausen wegen des Vorwurfs, mit falschen Dukaten gehandelt zu haben, sowie Ausplünderung der hanauischen Juden im Frankfurter Stadtwald. 1611
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Bibliography
- Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Gütersloh 2008
- Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang. Untergang. Neubeginn, 2 Bde. Frankfurt a.M. 1971/1972, hier: Band 1, S. 163-164
- Körner, Wilhelm: Der reichsritterschaftliche, freiherrliche Ort Eppertshausen. Der geschichtliche Werdegang einer Gemeinde im Widerstreit der herrschenden Mächte und Kräfte. Eppertshausen 1995
- Lange, Thomas: L´chajim – Die Geschichte der Juden im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Reinheim 1997
- Müller, Karl. J.: Damit wir sie nicht vergessen. Das Schicksal der jüdischen Bürger von Eppertshausen. Münster 1985
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Illustrations
- Fußnoten ↑
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- HStAD R 21 J, 3560 ↑
- HStAD 86, 26501 ↑
- Körner: Eppertshausen, S. 271 ↑
- Müller: Schicksal der jüdischen Bürger, S. 12 ↑
- Müller: Schicksal der jüdischen Bürger, S. 12 ↑
- HHStAW 518, 1464 ↑
- Müller: Schicksal der jüdischen Bürger, S. 23 ↑
- HHStAW 503, 7382 ↑
- HHStAW 518, 1464 ↑
- HHStAW 503, 7382 ↑
- Körner: Eppertshausen, S. 271 ↑
- Recommended Citation ↑
- „Eppertshausen (Landkreis Darmstadt-Dieburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/128> (Stand: 22.7.2022)