Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Eppertshausen Karten-Symbol

Gemeinde Eppertshausen, Landkreis Darmstadt-Dieburg — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1611

Location

64859 Eppertshausen, Schulstraße 32 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

religiöse Ausrichtung

orthodox

preserved

nein

Jahr des Verlusts

1940

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

ja

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Eppertshausen, 836 erstmals urkundlich erwähnt, gehörte nach wechselvoller Geschichte ab 1546 wieder zum Besitz der Herren von Groschlag, kam 1806 an das Fürstentum Isenburg und wurde erst 1816 Bestandteil des Großherzogtums Hessen-Darmstadt.

Der älteste bislang bekannt gewordene Hinweis auf einen Juden stammt aus dem Jahr 1611, als der zu Eppertshausen wohnende Mayer wegen des Vorwurfs der Falschmünzerei verhaftet wurde.1 1692 unterstanden die Juden im Ort den Herren von Groschlag. In diesem Jahr lebte Juda mit seiner Frau Malke in Eppertshausen.2

Bis 1736 wuchs die Zahl auch der in den umliegenden Ortschaften lebenden Juden, so dass sich die Juden aus Urberach, Nieder-Roden, Dietzenbach, Eppertshausen, Dudenhofen und Ober-Roden zu einem Synagogenverband zusammen schlossen. In einem dazu geschlossenen Vertrag verpflichteten sich die Vertragspartner, nur mit Zustimmung aller anderen Gemeinden austreten zu können.3

1750 sollen bereits 30 Menschen jüdischen Glaubens in Eppertshausen gewohnt haben.4 Da unter ihnen auch ein Vorsteher und Schächter namens Moritz Reis genannt wird, besteht die Möglichkeit, dass bereits zu dieser Zeit eine eigenständige Gemeinde bestand.

Bis 1830 stieg die Zahl der jüdischen Einwohner auf 64 Personen, was bei einer Gesamtzahl von 894 Einwohnern 7 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Bis in die Zeit um 1900 halbierte sich die Zahl auf 36 jüdische Einwohner in 1905, um bis 1929 auf 33 abzusinken. Sie erwirtschafteten ihr Einkommen im Wesentlichen als Metzger, Viehhändler, Textil- und Kolonialwarenhändler sowie als Händler mit Altwaren, Schuhen und Landesprodukten.5

1933 lebten die Familien M. Reis, M. Adler, J. Reis, B. Moses, M. Rothschild und B. Siegel mit insgesamt rund 30 Personen im Ort.6 Im Zuge der Repressalien und Ausschreitungen während des sogenannten Dritten Reiches wurden einige der jüdichen Einwohner verhaftet und zeitweise deportiert. Nach der Pogromnacht wurden mehrere Wohnungen zerstört. In den folgenden Tagen sollen die meisten Juden aus Eppertshausen geflohen sein, vor allem nach Frankfurt, von wo aus manche auswandern konnten, andere wurden deportiert und ermordet.7

Seit 2013 werden in Eppertshausen Stolpersteine verlegt.

Betsaal / Synagoge

1736 schlossen sich die in Eppertshausen lebenden Juden dem neu gegründeten Synagogenverband Ober-Roden an, aus dem sie nur mit Zustimmung aller anderen Vertragsparteien wieder austreten konnten. Dies haben sie vermutlich Ende des 18. Jahrhunderts getan, denn zwischen 1790 und 1792 erbaute die Gemeinde eine Synagoge in der Schulstraße 32. Es handelte sich um ein giebelständiges eingeschossiges Wohnhaus, an dessen rückwärtiger Giebelseite ein über zwei Geschosse reichender Fachwerkbau mit Sandsteinsockel stand. Hierin befand sich der eigentliche Synagogenraum mit Empore.

In der Pogromnacht wurde die Synagoge zwar nicht angezündet, ihre Inneneinrichtung aber vollständig zerschlagen. Die Kultgegenstände konnte der Vorsteher Bernhard Moses zuvor in Sicherheit bringen.8 Moritz Reis erinnerte sich nach dem Zweiten Weltkrieg an Einzelheiten: Unter den Kultgegenständen befanden sich insgesamt sieben Thorarollen. Zwei davon waren kurz vor dem Ersten Weltkrieg für 4.800 Reichsmark angeschafft worden, drei weitere stammten aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die beiden anderen waren bereits älter, aber in sehr gutem Zustand. Zudem gab es vier silberne Kronen, zwei Umhänge, zwei Lesefinger, fünf neue Samtmäntelchen, zwei weitere aus Samt, drei rote Samtdecken und Vorhänge, drei weitere aus weißer Seide, circa 20 ältere Decken und Mäntelchen, zwei neue große achtflammige elektrische Leuchter und eine Uhr. Bei dem Überfall auf die Synagoge hatte der damalige Wachtmeister 150 Reichsmark aus der Synagoge „beschlagnahmt“. In der Pogromnacht wurden der Innenausbau, die Außenwände und das Dach sehr stark beschädigt. Im Wohnhaus, in dem auch der Lehrer wohnte, wurde die Inneneinrichtung ebenfalls beschädigt.9

Am 1. April 1940 erwarb ein christliches Ehepaar die Immobilien und ließ die Ruine abbrechen. Für das Synagogengrundstück, einen Grabgarten und ein weiteres kleines Grundstück mussten sie nach dem Krieg 1.650 DM nachzahlen.

Auf dem dem ehemaligen Synagogengrundstück gegenüber liegenden Anwesen erinnerte ein Gedenkstein an die ermordeten jüdischen Einwohner und an die Synagoge. Er wurde im Jahr 2015 auf den Alten Friedhof versetzt und soll 2016 wieder in der Nähe des Synagogenstandorts aufgestellt werden.

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Es ist nicht bekannt, seit wann in Eppertshausen eine Mikwe bestand. Sie lag neben der Synagoge in der Schulstraße und wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts verfüllt.10

Schule

In dem an die Synagoge angrenzenden Wohnhaus lebte der Lehrer und dort befand sich auch der Unterrichtsraum für die Kinder.

Cemetery

Die Verstorbenen der Gemeinde wurden auf dem Friedhof in Dieburg bestattet. Die letzte Bestattung vor dem Zweiten Weltkrieg war die des am 16. Dezember 1939 verstorbenen Moritz Krämer aus Eppertshausen.11

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Fußnoten
  1. HStAD R 21 J, 3560
  2. HStAD 86, 26501
  3. Körner: Eppertshausen, S. 271
  4. Müller: Schicksal der jüdischen Bürger, S. 12
  5. Müller: Schicksal der jüdischen Bürger, S. 12
  6. HHStAW 518, 1464
  7. Müller: Schicksal der jüdischen Bürger, S. 23
  8. HHStAW 503, 7382
  9. HHStAW 518, 1464
  10. HHStAW 503, 7382
  11. Körner: Eppertshausen, S. 271
Recommended Citation
„Eppertshausen (Landkreis Darmstadt-Dieburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/128> (Stand: 22.7.2022)