Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

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Herzogtum Nassau 1819 – 13. Seck
  • Vorschaubild

Ellar

Gemeinde Waldbrunn (Westerwald), Landkreis Limburg-Weilburg — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1637

Location

65620 Waldbrunn, Ortsteil Ellar, Bornweg

Rabbinat

Weilburg

preserved

nein

Jahr des Verlusts

ca. 1948

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Das urkundlich 807 erstmals erwähnt Ellar erhielt 1372 Stadtrechte und gehörte mit dem gleichnamigen Amt ab 1557 zu Nassau-Dillenburg. 1607 ging es an die neu gegründete Grafschaft Nassau-Hadamar über. Nach Aussterben dieser Linie gelangte es 1717 an das Haus Nassau-Dillenburg zurück. Seit 1815 gehörte Ellar zum Herzogtum Nassau und ab 1866 zum Königreich Preußen. Seit 1945 gehört es zu Hessen und seit 1974 in den neu geschaffenen Landkreis Limburg-Weilburg. Am 1. Juli des gleichen Jahres schlossen sich Ellar und Waldbrunn zu einer Gemeinde zusammen, die seit dem 1. Januar 1977 Waldbrunn (Westerwald) heißt.

Wann genau sich erstmals Juden in Ellar niederließen, ist nicht abschließend geklärt. Bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gab es jüdische Bewohner sowohl im Amt als auch im Ort Ellar. 1637 lebte Josef in der Stadt, wohl in der Nachfolge seines Vaters.1 Er forderte mit anderen Juden den ihnen zugesagten herrschaftlichen Schutz ein, weil ihre Häuser immer wieder von marodierenden Soldaten geplündert worden waren. Vermutlich deshalb und aufgrund des anhaltenden Dreißigjährigen Krieges ist eine dauerhafte jüdische Besiedlung zu dieser Zeit nicht nachweisbar. Zudem kommt erschwerend hinzu, dass die Schutzbriefe dieser Zeit nicht zwangsläufig einen Niederlassungsort vorschrieben, sondern den Wohnsitz und Handel im Land gestatteten. Dies änderte sich erst im 18. Jahrhundert.

So erhielt 1741 Mordge anlässlich seiner Hochzeit einen Schutzbrief, der ihm gestattete, sich in Hadamar niederzulassen. Seine Ehefrau war eine Tochter des Liebmann aus Ellar. Aus etwa dieser Zeit liegt eine Übersicht der ausgegebenen Schutzbriefe vor. Daraus ist zu entnehmen, dass 1739 Elias Aaron gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Leckes Marx aus Langendernbach in Ellar lebte. Gleichzeitig wohnte dort seit 35 Jahren der 65-jährige Liebmann, der zu dieser Zeit Vorsteher der Gemeinde Ellar war.2 Rudersdorf nennt zudem noch Eysik.3

Bereits kurz vorher muss es zum Zusammenschluss der in Ellar, Lahr, Hausen, Waldernbach, Frickhofen und Langendernbach wohnenden Juden gekommen sein. Rudersdorf nennt dafür die Zeit nach 1717.4 Da Liebmann 1739 als Vorsteher der Gemeinde erwähnt wird, muss diese zuvor gegründet worden sein. Über einen Zeitraum von rund 200 Jahren befand sich im Obergeschoss seines Wohnhauses der Betraum.

Aus dem Jahr 1858 liegt eine Liste der Schutzjuden in Ellar vor. Demnach lebten dort Joseph Liebmann, Bauer, Handelsmann und Metzger; Liebmann Liebmann, der mit Spezerei- und Ellenwaren handelte sowie Hamann Liebmann, Händler und Viehhändler.5 Auffallend ist, dass in Ellar fast während des ganzen 19. Jahrhunderts vergleichsweise wenige Juden lebten, obwohl der Ort Sitz der Hauptsynagoge und damit des 1843 eingerichteten Synagogenbezirks war. Bis 1874 stieg die Zahl der jüdischen Familien auf vier an. 1898 waren es 35 Personen. Ab 1912 ging deren Zahl langsam zurück, über 29 bis 17 im Jahre 1927.6

Nach der Machtübergabe litten auch die Juden in Ellar unter den Repressionen und durften ihren Tätigkeiten als Händler nicht mehr nachgehen. Am 9. November 1938 wurden die Häuser der drei verbliebenen jüdischen Familien überfallen, geplündert und die Fenster eingeschlagen. In einem Hof verbrannten Gebetbücher und Kultgegenstände aus der Synagoge. Die Menschen wurden körperlich misshandelt und in sogenannte “Schutzhaft“7 genommen. Nach einer vorübergehenden Inhaftierung in einem kleinen Raum im Backhaus folgte für viele Männer die Deportation nach Buchenwald.

Theodor Liebmann konnte nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Buchenwald mit seiner Familie noch Ende November 1938 nach New York auswandern. Andere Familienmitglieder und Mitglieder anderer Familien verzogen in große Städte und wurden zumeist von dort deportiert und ermordet.

Betsaal / Synagoge

Seit Bildung der Kultusgemeinde zwischen 1717 und 1739 befand sich die Synagoge im Obergeschoss des Hauses der Familie Liebmann. Sie war neben derjenigen in Hadamar die einzige Synagoge dieser Herrschaft.

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts war es wegen der Synagogenordnung immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Gemeindemitgliedern gekommen. Einige von ihnen beantragten 1806, dass in Ellar die gleiche Ordnung zu gelten habe wie in Hadamar, um endlich wieder Ordnung einkehren zu lassen. Zu dieser Zeit war Liebmann Joseph Besitzer des Hauses. 1811 befanden sich in diesem Betsaal „zwei Zehngebotte8, ein Altar, ein Leuchter“9. Sie wurden wegen des Streites und der projektierten Neuordnung wahlweise dem Besitz der Gemeinde oder der Schule oder der Bürgermeisterei Lahr und Frickhofen zugeschrieben. Ein drittes „Zehngebott“ und ein Samtvorhang in der Synagoge waren anerkanntes Eigentum von Liebmann Joseph.

Die Auseinandersetzungen unter den Gemeindemitgliedern hielten an und erstmals 1821 beantragten die in Frickhofen wohnenden Juden die offizielle Einrichtung einer eigenen Synagoge, die sie bereits seit einigen Jahren ungenehmigt unterhielten. Gleiches galt wenig später auch für Langendernbach. Beide Winkelsynagogen wurden 1834 von Amts wegen geschlossen und ihre Nutzer in die Synagoge nach Ellar verwiesen. Als Begründung für die Einrichtung von Nebensynagogen war immer wieder angegeben worden, die Synagoge in Ellar sei in einem schlechten Zustand, zu klein und der Weg dorthin gerade im Winter und bei schlechtem Wetter kaum zumutbar.

Daraufhin beauftragte das Amt eine offizielle Begehung der Einrichtung. Dabei zeigte sich, dass sich der prächtige Betraum im Obergeschoss des Hauses befand, das jüngst Joseph Liebmann von seinem Vater übernommen hatte. Das Gebäude, ein Doppelhaus, lag in Ellar in der schicklichsten und passendsten Lage. Eine Haushälfte gehörte dem Christen Hardwig Müller, die andere Hälfte Liebmann Joseph. Seine Wohnung befand sich im Erdgeschoss und bestand aus dem Hausflur mit Küchenherd und einem Zimmer. Im Obergeschoss befand sich in einer Stube die Synagoge, die angeblich Platz für 50 Personen bot. Eine herausnehmbare Bretterwand teilte das Frauenabteil ab. In einem Schrank befanden sich die Kultgegenstände. Der Zustand des Betraums wurde als hell und gut bezeichnet und man schlug vor, den Nebenraum zur Erweiterung zu nutzen, um so abermals Platz für rund 15 bis 20 Personen zu schaffen.10

Die Auseinandersetzungen über die Einrichtungen von Winkelsynagogen hielten an, was 1853 zu einer abermaligen Beschreibung der Synagoge in Ellar, diesmal durch den Bezirksrabbiner Wormser, führte. Sie bestand nach wie vor aus einem Zimmer, das 20 Fuß lang und 12 Fuß breit war. Die Höhe betrug 7,5 Fuß. Etwa drei Fuß der Gesamtlänge waren durch eine Bretterwand abgeteilt, hinter der sich das Frauenabteil befand. Obwohl das Gebäude für 130 Personen bestimmt sei, böte es kaum Platz für 30 Gottesdienstbesucher. Im Männerabteil fehlten die Fenster, was den Aufenthalt insgesamt ungesund mache. Wände, Decken und Fußboden galten als verwahrlost. Wormser schlug vor, diese Synagoge zu schließen und der Gemeinde den Bau einer neuen aufzugeben. Als Alternative sah er nur die Trennung der Gemeinde und die Einrichtung von Nebensynagogen. Aber auch in diesem Falle ließe sich eine grundlegende Renovierung der dann als Hauptsynagoge zu geltenden Synagoge in Ellar nicht umgehen.

Zu einer Spaltung der Gemeinde kam es erst später. Vermutlich kam es auch zu einer umfassenden Sanierung des Betraums, denn dieser wurde bis 1938 genutzt. Im Zuge der Novemberpogrome wurde die Synagoge geschändet, die Inneneinrichtung herausgerissen und Kultgegenstände verbrannt. Wegen der baulichen Situation wurde das Gebäude nicht in Brand gesteckt. Unbekannt ist, was mit der Thorarolle geschah.

Laut Vertrag wurde das Gebäude wenig später schenkungshalber an die Bewohnerin der angrenzenden Haushälfte übergeben, die bereits vorher über mehrere Jahre die Räume sauber gehalten hatte. Als Begründung wurde angegeben, dass das Haus „für jeden anderen […] nahezu wertlos ist, [und] das Gebäude außerdem eine Gefahr in seinem jetzigen Zustand für das Anwesen [der Nachbarin] bedeutet“.11 Der formale Übertrag erfolgte am 1. September 1940.

Das ehemalige Synagogengebäude wurde Ende der 1940er Jahre als baufällig abgerissen. Heute befindet sich an der Stelle ein Wohnhaus.12

Weitere Einrichtungen

Mikwe

1837 befand sich im Keller des Gebäudes des Joseph Liebmann, in dem sich auch der Betraum befand, eine Mikwe, die sich – wie alle Mikwen im Synagogenbezirk - in „einem durchaus gesundheitswidrigen Zustande“13 befand. Es wurde angeordnet, diese mit sofortiger Wirkung zu schließen und die Gemeinden anzuhalten, „Badezimmer, welche gewärmt und auch mit Leichtigkeit gereinigt werden können, anzulegen“. In Hadamar gab es zu diesem Zeitpunkt bereits eine derartige moderne Einrichtung. In der Stellungnahme des Gemeindevorstehers hieß es dazu, eine Modernisierung sei nicht nötig, weil die dort wohnenden jüdischen Frauen so alt wären, dass sie „der Badeceremonie nicht mehr unterworfen“14 seien. Deswegen war die Mikwe zu diesem Zeitpunkt bereits unbrauchbar. Spätestens ab 1839 benutzten „die Judenweiber [...] besondere Badebütten, welche sie in vorgewärmte Zimmer stellen können“15.

Schule

Mit Gründung der Gemeinde und Einrichtung eines Betraums im Haus der Familie Liebmann wird dort auch Unterricht für die Kinder aller jüdischen Familien im Synagogenbezirk gehalten worden sein. 1811, im Zuge der Auseinandersetzungen wegen Einrichtung der Winkelsynagogen, erging die Auflage, dass die jüdischen Kinder die Elementarschule ihrer Wohnorte zu besuchen hätten. Für den Religions- und Hebräischunterricht durfte ein Privatlehrer eingestellt werden. 1853 war die Zahl der jüdischen Einwohner in Ellar so gering, dass dort keine schulpflichtigen Kinder wohnten.16 Die besagten Auseinandersetzungen führten 1865 schließlich dazu, dass der Bezirksrabbiner Wormser im Mai 1865 einen Nutzungsplan entwarf: Demnach sollte im Wintersemester Sonntags ganztägig Unterricht in Bergebersbach stattfinden, Montags ganztägig in Ellar, Mittwochs ganztägig in Lahr, Donnerstags ganztägig in Frickhofen und Freitag vormittags in Hausen. Im Sommersemester fand Unterricht Sonntags ganztägig in Ellar statt, Montag vormittags in Frickhofen, nachmittags in Langendernbach, Mittwochs ganztägig in Ellar, Donnerstag vormittags in Lahr und nachmittags in Hausen und Freitag vormittags wieder in Ellar.17 Von 1913 bis 1938 besuchten die Kinder den Religionsunterricht in Hadamar.

Cemetery

Wann der Friedhof in Ellar, am heutigen Lahrer Weg/Am Oberholz, angelegt wurde, ist ungeklärt. Zwar liegt aus dem Jahr 1664 eine Anweisung vor, die ein Judenbegräbnis zum Inhalt hatte, ob sich diese aber auf einen tatsächlich bestehenden Friedhof bezieht, ist nicht gesichert. Der älteste erhaltene Grabstein stammt aus dem Jahr 1731 und steht für Mordechai, Sohn des Josef aus Langendernbach.18

1824/25 wurde der Friedhof erstmals vergrößert, später noch einmal 1867. Die beiden jüngsten Grabsteine stammen von 1937.

Im Zuge der Novemberpogrome wurde eine Grabsteinreihe umgeworfen und teilweise zerstört. Seit dem 9. November 1988 steht hier ein Gedenkstein mit einem kurzen Abriss zur Geschichte der Gemeinde.19 Im November 2011 wurde ein Denkmal in Erinnerung an die zehn ermordeten und vertrieben Juden aus Ellar eingeweiht. Es steht bewusst außerhalb der Friedhofsfläche und weist zum Dorf. Es besteht aus sieben Granitsäulen, die an die sieben Arme einer Menorah erinnern sollen.

Ellar, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Ellar, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustrations

Indices

Persons

Josef · Mordge · Liebmann · Elias Aaron · Leckes Marx · Eysik · Joseph Liebmann · Liebmann Liebmann · Hamann Liebmann · Liebmann, Theodor · Liebmann Joseph · Müller, Hardwig · Wormser, Bezirksrabbiner · Mordechai

Places

Waldbrunn · Hadamar · Langendernbach · Lahr · Hausen · Waldernbach · Frickhofen · New York · Bergebersbach

Sachbegriffe Geschichte

Nassau-Dillenburg · Nassau-Hadamar, Grafschaft · Nassau, Herzogtum · Preußen, Königreich · Dreißigjähriger Krieg · Schutzbriefe · Buchenwald, Konzentrationslager · Synagogenordnungen · Winkelsynagogen · Novemberpogrome

Sachbegriffe Ausstattung

Thoravorhänge · Thorarollen

Fußnoten
  1. HHStAW 171, J 679
  2. HHStAW 171, J 679
  3. Rudersdorf: Im Schatten der Burg, S. 317
  4. Rudersdorf: Im Schatten der Burg, S. 317
  5. HHStAW 225, 9
  6. Mink: Die jüdische Gemeinde in Ellar (2007), S. 7
  7. Mink: Die jüdische Gemeinde in Ellar (2007), S. 31
  8. Unter „Zehngebot“ ist hier eine Thora zu verstehen.
  9. HHStAW 225, 9
  10. HHStAW 225, 9
  11. Mink: Die jüdische Gemeinde in Ellar (2007), S. 11
  12. Mink: Die jüdische Gemeinde in Ellar (2008), S. 120
  13. HHStAW 225, 7
  14. HHStAW 225, 7
  15. HHStAW 225, 7
  16. HHStAW 225, 9
  17. Rudersdorf: Im Schatten der Burg. S. 323
  18. Mink: Die jüdische Gemeinde in Ellar (2007), S. 81
  19. Rudersdorf: Kultusgemeinde Ellar, S. 39
Recommended Citation
„Ellar (Landkreis Limburg-Weilburg)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/148> (Stand: 10.6.2022)