Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Synagogen in Hessen

Büttelborn Karten-Symbol

Gemeinde Büttelborn, Landkreis Groß-Gerau — Von Wolfgang Fritzsche
Basic Data | History | Betsaal / Synagoge | Weitere Einrichtungen | References | Indices | Recommended Citation
Basic Data

Juden belegt seit

1727

Location

64572 Büttelborn, Schulstraße 11 | → Lage anzeigen

Rabbinat

Darmstadt II

preserved

nein

Art des Verlusts

Abbruch

Gedenktafel vorhanden

nein

Weitere Informationen zum Standort

Historical Gazetteer

History

Die archivalische Überlieferung zu einer jüdischen Gemeinde oder zu jüdischen Einwohnern von Büttelborn ist dünn. Eine 1727 erlassene Schlachtordnung ist das erste Dokument, das jüdisches Leben im Ort belegt. Zu dieser Zeit werden drei jüdische Familien dort gelebt haben.1

1830 lebten in Büttelborn 14 Juden, 1875 waren es 39. Neben Viehhändlern und Handelsleuten gab es auch Sattler und Schneider. 1873 weihte die Gemeinde ihre Synagoge in der Schulstraße 11 ein. 1892 stellte sich Feist Seelig zur Bürgermeisterwahl, wurde aber nicht gewählt.2

Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte die Gemeinde zum orthodoxen Rabbinat Darmstadt II.

Um 1930 lebte die Familie Ferdinand Seelig in der Schulstraße 34 von Textilhandel und Metzgerei. Die Familie des Schneiders Sigmund Grünewald lebte in der Ludwigstraße 14, die damals Hindenburgstraße hieß. Sigmund Seelig lebte mit seiner Familie in der Darmstädter Straße 19 und ernährt sich als Getreidehändler. Er war der Sohn von Feist Selig, der als Bürgermeister kandidiert hatte. Hermann Stein lebte in der Mainzer Straße 10 und handelte mit Landprodukten und Manufakturwaren. Leopold Hirsch wohnte in der Weiterstädterstraße 12 und arbeitete als Eisenhändler. Sigmund Hirsch besaß das Grundstück Mainzer Straße 1 und war von Beruf eigentlich Viehhändler. Anfang der 1930er Jahre wollte er das 1893 erbaute, aber seit längerem unbenutzte Schlachthaus auf seiner Hofreite wieder in Betrieb nehmen und hatte 1931/32 den größten Teil der vom Kreisamt aufgeführten Mängel bereits beseitigt. Trotzdem wurde er in einem anonymen Schreiben im Oktober 1933 denunziert, weil angeblich unhygienische Zustände herrschten. Das Schreiben war mit „Heil Hitler. Ein Judenfeind”3 unterzeichnet.

Nach 1933 emigrierten einige jüdische Einwohner aus Büttelborn in die USA oder nach Palästina, darunter 1936 Sigmund Hirsch und dessen Ehefrau.

Mit dem Verkauf der Synagoge 1936 ging die Auflösung der Gemeinde einher. Gleichwohl kam es in den folgenden Jahren zu Übergriffen auf jüdische Familien. Am 27. Dezember 1938 berichtete der Bürgermeister „Juden sind keine mehr vorhanden.”4

Betsaal / Synagoge

1873 erwarb die Gemeinde die Schmiedewerkstatt von Adam Friedmann in der Schulstraße 11 und ließ sie zur Synagoge umbauen. Im gleichen Gebäude fand auch der Unterricht der Kinder statt. Zu den Einrichtungsgegenständen gehörten zwei Thorarollen, ein Leuchter, ein Widderhorn und ein Totentisch.

Die vermutlich einzige Beschreibung der Synagoge entstammt einem Baugesuch, als Philipp Schilling 1888 auf der Nachbarhofreite eine Schlachterei einrichten wollte. Darin wird sie als „einstöckiges Gebäude, welches aus Stein und Fachwerk erbaut ist, mit einem Ziegeldach gedeckt”5 bezeichnet. Die jüdische Gemeinde hatte im Übrigen weder gegen diesen Bau noch gegen eine 1909 erfolgte Erweiterung etwas einzuwenden, bat aber um die Auflage, an Sabbat und zu den Gottesdienstzeiten nicht gestört zu werden.

In Büttelborn war es schon früh zu Angriffen auf Juden und auf die Synagoge gekommen, so beispielsweise im Mai 1936. Eine Instandsetzung konnte sich die kleine Gemeinde nicht leisten. So schrieb der Gemeindevorsteher Sigmund Hirsch am 26. Juni: „Durch vollkommene Demolierung unserer Synagoge in Büttelborn, sehen wir uns leider gezwungen, unsere Synagoge zu verkaufen. Da diese heilige Stätte nun nicht mehr einer Abhaltung eines Gottesdienstes - durch vollkommen unwürdiges Aussehen – unseren Religionsgesetzen in keiner Weise entspricht, bitten wir höflich um Genehmigung des Verkaufes”.6 Der Vertrag wurde bereits am 30. Juni 1936 rechtskräftig und am 2. Juli 1936 vom Kreisamt genehmigt. Der Kaufpreis belief sich auf 1.500 Mark. Die Kultgegenstände waren nach Groß-Gerau ausgelagert worden, wo sie in der Pogromnacht zerstört wurden.7

Die Käufer rissen das Gebäude ab und erweiterten auf dem Grundstück ihr Geschäftshaus.8

Weitere Einrichtungen

Cemetery

Die Gemeinde bestattete die Verstorbenen zunächst auf dem Friedhof in Dieburg. Einer der ältesten Steine dort stammt aus dem Jahre 1778 und gehört zu dem Grab von Breile, Ehefrau des Leiser in Büttelborn. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts sind Bestattungen auch auf dem Friedhof in Groß-Gerau nachweisbar.

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen
Groß-Gerau, Jüdischer Friedhof: Datensatz anzeigen

Grabstätten

Dieburg, Jüdischer Friedhof: Grabstätten anzeigen

References

Weblinks

Sources

Bibliography

Illustration available

(in Bearbeitung)

Fußnoten
  1. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 78
  2. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 79
  3. HStAD G 15 Groß-Gerau, V 129
  4. Bopp: Juden sind keine mehr vorhanden, S. 57
  5. HStAD G 15 Groß-Gerau, V 129
  6. HStAD G 15 Groß-Gerau, L 19
  7. HHStAW 518, 1476
  8. Schleindl: Verschwundene Nachbarn, S. 329
Recommended Citation
„Büttelborn (Landkreis Groß-Gerau)“, in: Synagogen in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/syn/id/29> (Stand: 22.7.2022)